München. Der erfolgreiche Start in die EM 2024 hat viel mit den fünf Spielern zu tun, die gegen Schottland ihr erstes EM- oder WM-Spiel spielen.

Es darf als recht wahrscheinlich gelten, dass Spiele von Bayer Leverkusen in Schottland nicht unbedingt zu den Partien zählen, die regelmäßig die ganze Nation vor dem Fernseher versammeln. Die Bundesliga genießt in Großbritannien nicht den besten Ruf, man schaut auf der Insel Premier League, Champions League und der Rest der Fußballwelt interessiert nicht groß.

Spieler und Trainerstab der schottischen Nationalmannschaft müssen es ähnlich gehandhabt haben, denn sonst hätten sie gewusst, dass es keine allzu gute Idee ist, Florian Wirtz an der Strafraumgrenze freistehen zu lassen, weil dieser einen ziemlich harten und meist auch platzierten Schuss hat. Vorgeführt schon nach zehn Minuten, als der Mittelfeldspieler erstaunlich ungestört abziehen durfte und mit dem 1:0 die Weichen stellte für den überzeugenden 5:1 (3:0)-Sieg der deutschen Nationalmannschaft im Eröffnungsspiel der Europameisterschaft 2024.

Diese deutsche Nationalmannschaft ist eine andere als 2018, 2021 und 2022

Auftaktparty gegen Schottland - die Euphorie ist da!

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    Florian Wirtz, 21 Jahre alt, hat noch nie ein Spiel bei einer EM oder WM bestritten, aber das darf natürlich kein Grund sein, ihn nicht auf dem Schirm zu haben nach der Fabelsaison, die er mit Leverkusen gespielt hat. Allerdings traten die Schotten exakt so unbedarft aus, als hätte ihre Vorbereitung nur daraus bestanden, die jüngsten deutschen Auftritte bei deutschen Turnieren anzusehen und daraus zu folgern: So gut sind diese Deutschen nun wirklich nicht. Es reicht, wenn wir tief verteidigen und vorne wird schon einer reinfallen.

    +++++ Beängstigend, entfesselt - deutscher EM-Start wird gefeiert ++++++

    Aber diese deutsche Mannschaft ist eine andere als 2018, 2021 oder 2022. Bundestrainer Julian Nagelsmann tat danach zwar, was alle Trainer tun, er verwies auf das Gesamtkunstwerk und vermied es tunlichst, einzelne Spieler hervorzuheben. „Die Gemeinschaft hat das Spiel gewonnen“, sagte er. „Und die Gemeinschaft hat dafür gesorgt, dass Fußball-Deutschland noch ein Stück mehr an uns glaubt, als das vor dem Spiel der Fall war.“

    Nagelsmann lässt beim EM-Start fünf Turnierdebütanten spielen

    Bundestrainer Julian Nagelsmann.
    Bundestrainer Julian Nagelsmann. © Getty Images | Alexander Hassenstein

    Aber natürlich hatte dieser Sieg auch viel damit zu tun, dass Nagelsmann der Mannschaft vor dem Turnier eine Runderneuerung verpasst hat – und damit landete man schnell auch bei den fünf Turnierdebütanten, die der Bundestrainer in die Startelf beorderte oder einwechselte.

    Da war neben dem wandelnden Geistesblitz Wirtz der Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt, vor gar nicht langer Zeit mit Hertha BSC in die zweite Liga abgestiegen, mit dem VfB Stuttgart aber mehr als erstklassig – und seine überragende Form nahm er einfach mit in dieses Auftaktspiel, klärte hinten, wirbelte vorne und schien sich nicht daran zu stören, dass ihm sein Lieblings-Zielspieler Serhou Guirassy fehlte.

    Tah verteidigte gegen Schottland souverän, Andrich gab das Raubein

    Auch der Leverkusener Jonathan Tah kommt aus einer überragenden Saison, auch er machte einen blendenden Eindruck, wenngleich er gegen die Schotten in seinem Kerngebiet Abwehrarbeit selten gefordert war. Wenn doch, löste er das dank seines Tempos, seiner Größe, seiner Masse und Klasse souverän und ansonsten kümmerte er sich gemeinsam mit Toni Kroos um die Spieleröffnung.

    ++++++ Wusiala oder Wusialertz? DFB-Offensive begeistert Nagelsmann +++++

    Dahinter gab Robert Andrich, noch einer aus der Leverkusener Fabelmannschaft, wie gewünscht das Mittelfeldraubein. Er spielte schottischer als alle Schotten, bremste die zarten Angriffsversuche der Schotten rustikal aus. Einziger Wehrmutstropfen: Für eines seiner frühen Fouls holte er früh die Gelbe Karte ab, zur zweiten Halbzeit blieb er, weil gelb-rot-gefährdet, draußen. Sollte Andrich mit seiner Spielweise ohne eine Gelbsperre durchs Turnier kommen, wäre das sein persönliches Sommermärchen.

    Deutsche Nationalmannschaft könnte bei der EM 2024 die formstärkste sein

    So kam in Pascal Groß der nächste Turnierdebütant, der dank deutscher Überzahl nach dem Platzverweis gegen Ryan Porteus keine Probleme hatte, die Dinge im Mittelfeld diskreter als Andrich, aber nicht weniger effektiv zu regeln. Wie alle 16 eingesetzten Spieler ist Groß in einer von Europas Top-vier-Ligen unterwegs – und dabei der einzige, der die Saison weder unter den ersten drei abgeschlossen hat noch ins Champions-League-Finale eingezogen ist.

    Gut möglich, dass das DFB-Team die beste Form aller EM-Teilnehmer mitbringt, weil eben das für den Bundestrainer Nagelsmann ein zentrales Kriterium war. Er hat statt etablierter Kräfte wie Leon Goretzka oder Mats Hummels viele der stark aufspielenden Leverkusener und Stuttgarter mitgenommen, er hat sich dann auch nicht gescheut, Spieler wie Andrich und Mittelstädt gleich in die Startelf zu stellen. Und: In Chris Führich, Waldemar Anton, Benjamin Henrichs, Maximilian Beier, Deniz Undav und Robin Koch hat er noch eine ganze Reihe möglicher Turnier-Debütanten in der Hinterhand.

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