Hagen. Friedrich Merz nach „Rambo-Zambo“ im Vollgasmodus. Überraschungen in Hagen und Ennepe-Ruhr. AfD in Südwestfalen zweitstärkste Kraft.
Am Morgen nach dem Wahlsieg-„Rambo-Zambo“ im Konrad-Adenauer-Haus, musste das politische Berlin früh aufstehen. Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Die CDU-Spitze traf sich zum Briefing mit ihrem Chef Friedrich Merz.
Merz hatte sich Wahl-Sonntagmorgen in seiner Heimat in Arnsberg bei strahlendem Sonnenschein um kurz nach 11 Uhr gemeinsam mit Ehefrau Charlotte zu Fuß auf den Weg zu seinem Wahllokal gemacht und in der Schützenhalle seines Wohnortes gemacht, bevor es in die Hauptstadt Berlin ging.
Ein ganz so langer Abend wie es Matthias Kerkhoff, CDU-Vorsitzender im Hochsauerlandkreis, in der CDU-Bundesparteizentrale in Berlin vor der ersten Hochrechnung vermutet, wird es dann doch nicht. Gegen 20 Uhr sagt Kerkhoff: „Wir sind stolz, dass einer von uns der nächste Bundeskanzler wird. Mehr Sauerland für Deutschland heißt auch, nicht zuerst nach dem Staat zu rufen, sondern zu versuchen, die Probleme selbst anzugehen.“
Nach den ersten Hochrechnungen des Abends sprach der heimische SPD-Kandidat Dirk Wiese von einer „klaren Niederlage“. Wiese war gar nicht erst nach Berlin gefahren, sondern verfolgte das Desaster für die SPD aus seinem Heimatort Brilon im Hochsauerland. Er gratulierte seinem Wahlkreis-Konkurrenten zum Ergebnis: „Herzlichen Glückwunsch an Friedrich Merz und die Union.“ Mit der Wahl verbinde sich ein hohes Maß an Verantwortung für den CDU-Vorsitzenden.
Wahlsieger Friedrich Merz bedankte sich am Sonntagabend brav für die „großartige Unterstützung“ im Sauerland: „Wir haben im Hochsauerlandkreis hochmotiviert gekämpft. Auch hier sind wir klarer Wahlsieger“, sagte der CDU-Chef und ergänzte: „Getrübt wird es allerdings etwas durch das sehr starke Abschneiden der AfD.“
Aus Merz‘ Sicht war der Wählerauftrag an die Union schon am Sonntagabend schnell und klar formuliert: „Jetzt geht es ab morgen an die Arbeit. Es ist jetzt unser gemeinsamer Auftrag, den Trend der AfD zu stoppen und umzukehren.“
Und man müsse die Probleme lösen. Mit Blick auf seinen Wahlkreis sagte Merz: „Auch im Hochsauerlandkreis sehen wir Städte, die von den Flüchtlingszahlen überfordert sind. Auch im HSK steigt die Arbeitslosigkeit, leidet die Wirtschaft, obwohl wir immer noch einen relativ stabilen Mittelstand haben. Die Probleme die wir in Deutschland im Großen haben, haben wir im HSK in abgeschwächter Form.“
Der Weg zum Bundeskanzler, so sagte Merz am Abend der WESTFALENPOST weiter, sei „jetzt nicht geradeaus vorgezeichnet. Es stehen schwierige Verhandlungen an.“ Dennoch werde er versuchen, „so viel wie möglich den Wahlkreis zu betreuen und zu Hause zu sein. Ich werde meine Möglichkeiten weiter nutzen, das Sauerland zu stärken“.
FDP-Mann Johannes Vogel zittert lange und verliert Mandat
Ganz anders war die Stimmung in der FDP-Parteizentrale. „Abwarten und die Daumen drücken“, sagt Johannes Vogel (42), stellvertretender Bundesvorsitzender und Bundestagskandidat im Wahlkreis 149 (Olpe – Märkischer Kreis), gegen 19.45 Uhr. Das galt sicher auch für sich selbst. Die FDP schaffte den Wiedereinzug ins Bundes-Parlament nicht. Sie muss sich neu aufstellen, nachdem Parteichef und FDP-Gallionsfigur Christian Lindner noch am Sonntagabend seinen Abschied aus der Politik verkündete. Ob und in welcher Position Vogel am Neuanfang der Liberalen beteiligt sein wird, blieb offen.
Nach Auffassung des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der FDP-Bundestagsfraktion sei es für die Republik wichtig, wenn die „liberale Partei im künftigen Parlament wieder vertreten“ sei: „Das Land braucht eine Wirtschaftswende. Und dazu muss die FDP in einer neuen Bundesregierung vertreten sein.“ Da stand das Scheitern an der Fünfprozenthürde noch nicht endgültig fest.
Dass die Liberalen starke Verluste erlitten haben, sei für ihn nach den Umfragen der vergangenen Wochen nicht ganz so überraschend gekommen, so Vogel weiter: „Wir werden die Ursachenforschung in den kommenden Tagen mit Ruhe angehen.“ Die Zeit hat die Bundespartei mit dem Ausscheiden nun.
AfD-Kandidat aus Siegen-Wittgenstein hatte Fahrkarte nach Berlin sicher gebucht
AfD-Kandidat Christian Zaum verfolgte die Wahl am Sonntag im Siegener Kulturhaus Lÿz. Der 56-jährige Gymnasiallehrer aus Bad Laasphe zeigte sich nach den ersten Hochrechnungen zufrieden: „Wir haben uns quasi verdoppelt und sind zweitstärkste Kraft vor der SPD. Das wäre auch mein Ziel für den Wahlkreis Siegen-Wittgenstein“, sagte Zaum am frühen Abend. Zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht viele Stimmen im Kreis ausgezählt. Am Ende sollte sich das formulierte Ziel nicht nur in seinem Wahlkreis erfüllen.
Zaum hatte sich Listenplatz 10 auf der Landesliste erstritten, musste um den Einzug ins Parlament nicht lange zittern und hatte mit einem persönlichen Erfolg gerechnet: „Den Zug und das Hotel habe ich bereits gebucht. Morgen Mittag werde ich mich auf den Weg nach Berlin machen.“ Vermutlich werde die AfD Politik aus der Opposition machen müssen. Der Wittgensteiner kritisiert, dass es ohne die AfD in der Regierung keinen Politikwechsel geben werde. Für ihn persönlich erfülle sich ein Traum, „im fortgeschrittenen Alter von 55 Jahren und nach 27 Jahren im Schuldienst noch einmal etwas Neues beginnen zu können“.
„Wir haben uns quasi verdoppelt und sind zweitstärkste Kraft vor der SPD. Das wäre auch mein Ziel für den Wahlkreis Siegen-Wittgenstein.“
Herdecker Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster hätte sich für CDU/CSU eine Drei vorne gewünscht
„Ich hätte mir persönlich eine Drei vorne vorgestellt, um ganz stark in Koalitionsverhandlungen gehen zu können“, sagte Katja Strauss-Köster, CDU-Kandidatin im Wahlkreis 138 im Ennepe-Ruhr-Kreis. Sie strebt aus der Kommunalpolitik den Sprung auf Bundesebene an, nachdem die CDU mit dem Angebot zu kandidieren vergangenes Jahr auf sie zugekommen sei.
Strauss-Köster wechselt also von der Ruhr an die Spree - jedenfalls in Sitzungswochen. Sie war 15 Jahre Bürgermeisterin in Herdecke an der Ruhr und hatte eigentlich vor, sich bei den Kommunalwahlen im September für eine vierte Amtszeit zu bewerben. „Seit drei oder vier Jahren spüre ich als Bürgermeisterin, dass die Unzufriedenheit wächst in der Stadt. In Bund und Land werden wir Kommunen oft nicht gehört, obwohl wir die Keimzelle der Demokratie sind.“ Sie kann nun versuchen, diesen Missstand zu verändern.
„In Anbetracht des schlechtesten SPD-Ergebnisses der Nachkriegsgeschichte mussten wir vor Ort einen aussichtslosen Kampf führen.“
Im Nachbarwahlkreis 137 mit dem südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis und der Stadt Hagen gab es eine ähnliche Sensation: Der SPD-Kandidat Timo Schisanowski, seit 2021 im Bundestag, unterliegt der CDU-Kandidatin Tijen Ataoğlu. Der 35-jährigen Juristin aus Wipperfürth schenkten mehr Wählerinnen und Wähler das Vertrauen als dem Genossen Schisanowski. Seit 1961 bis heute hatte die SPD in Hagen immer das Direktmandat gewonnen. Letzte CDU-Direktabgeordnete war Luise Rehling.
Timo Schisanowski war der sechste Abgeordnete in Folge aus den Reihen der Sozialdemokraten, der den Wahlkreis im Bundestag vertreten hat. „In Anbetracht des schlechtesten SPD-Ergebnisses der Nachkriegsgeschichte mussten wir vor Ort eine aussichtslosen Kampf führen“, erklärte Schisanowski am Sonntagabend. Seine Niederlage zeichnete sich ab, unddamit der Velrust seines Mandats nach nur dreieinhalb Jahren. „Der Gegenwind aus Berlin war so gewaltig, dass wir auf verlorenem Posten standen.“ Die Bundespartei müsse jetzt endlich aufwachen und sich neu aufstellen, wenn sie perspektivisch mal wieder über 25 Prozent der Wählerstimmen erreichen wolle.
Sandra Stein von den Grünen im Hochsauerlandkreis wurde nicht nur der Abend, sondern auch die Nacht zur Zitterpartie. „Ich habe es geschafft“, schreibt sie am Montagmorgen um 4.48 Uhr. „Ich habe meinen ersten Termin um 17 Uhr in Berlin. Wahrscheinlich bin ich dann die ganze Woche in Berlin.“ Das Ergebnis der Grünen im Bund sei im Rahmen der Erwartungen. „Erhofft hatten wir uns natürlich mehr“, sagte sie.
Klarer Erfolg für Paul Ziemiak (CDU)
Paul Ziemiak (CDU) holte im Märkischen Kreis knapp 39 Prozent der Wählerstimmen. Angesichts des Abstands von rund 16 Prozentpunkten zur SPD-Gegenkandidatin Bettina Lugk sprach er von einem „Erdrutschsieg“ und einem grandiosen Erfolg. Es habe sich ausgezahlt, dass er vor Ort immer ansprechbar gewesen sei, so Ziemiak.
Bundestagswahl 2025: So hat die Region Südwestfalen und östliches Ruhrgebiet abgestimmt
Die Auszählung der Zweitstimmen in den Wahlkreisen können Sie ab 18 Uhr hier live verfolgen:
Noch spannender für die Region sind aber die Personenwahlen: Wer gewinnt die Wahlkreise? Wer zieht über die Liste in den Bundestag ein. Alle Ergebnisse aus NRW gibt es am Wahlabend live in unserem Datencenter in dieser Übersicht:
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