Hagen. Die Grundsteuer hat sich für das Eisenbahnhäuschen von Andreas Paweletz in Hagen fast verdoppelt. Seine Mieter müssen nun mehr zahlen.

Andreas Paweletz hat vor fünf Wochen den Brief der Stadt erhalten, auf den er so lange gewartet hat. Einen Bescheid über 1876 Euro für die Grundsteuer B. Fast das Doppelte, was der Besitzer eines kleinen Eisenbahnhäuschens in Hagen-Priorei im vergangenen Jahr noch gezahlt hat. „Da waren es noch 1000 Euro“, so der 56-Jährige. Er ringe nicht mehr nach Worten, so wie in den ersten Tagen nach der Gewissheit, dass er 876 Euro mehr als die Jahre zuvor zahlen muss. „Man war ja irgendwie vorbereitet, aber in Zeiten, in denen alles teurer geworden ist, von der Butter bis zum Tanken, schmerzt es schon.“

Einige Tage lang sei er wütend darüber gewesen, dass der Rat der Stadt Hagen mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen, FDP und Hagener Aktivistenkreis beschlossen hatte, den Hebesatz für die Grundsteuer B auf 1139 Punkte festzulegen. Vorher lag er bei 750. Dass die Stadt Hagen, die mit der Grundsteuer fast 50 Millionen Euro pro Jahr einnimmt, in einem Beiblatt zu den Steuerbescheiden noch einmal die Hintergründe erklärt und auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 hinweist, konnte seine Wut nicht lindern.

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Erhöhung auf Mieter umgelegt

Der bei einer Firma angestellte Elektriker, der der Stadt Hagen bereits vor zwölf Jahren „den Rücken gekehrt“ hat und der Reiselust wegen im Norden, in Hemmoor nahe Stade, heimisch geworden ist, hat die Mehrkosten durch die erhöhte Grundsteuer B nun auf seine sechs Mieter in Hagen umgelegt. In seiner kleinen Immobilie mit Wohneinheiten um die 50 Quadratmeter lebten Mieter, die jeden Cent umdrehen müssten. Nun würden sie zur Kasse gebeten. „Und das hätte nicht sein müssen“, sagt Paweletz. Um 13 Euro mehr pro Monat hat er die Miete erhöht. Höre sich moderat an, aber das gehe den Menschen, die in seinem Haus wohnten, an die Substanz. „Mir tut es leid, aber auch für mich muss es sich rechnen.“

Andreas Paweletz

„Man war ja irgendwie vorbereitet, aber in Zeiten, in denen alles teurer geworden ist, von der Butter bis zum Tanken, schmerzt es schon.“

Andreas Paweletz
Elektriker

Nur eine Härtefallregelung könnte greifen

Natürlich habe er, so Paweletz, bereits im Dezember 2024 gegen die Erhöhung des Hebesatzes Widerspruch eingelegt. Der sei aber abgeschmettert worden.

Paweletz hat schon bei der Ankündigung der Stadt, den Hebesatz zu erhöhen, gewusst: „Die werden den Hals nicht vollkriegen.“ Sein Eisenbahnhäuschen liegt im Randbezirk der Stadt Hagen. Nicht gerade ein attraktiver Standort. Da habe sich in den vergangenen Jahrzehnten auch nichts gravierend verändert. „Ich verstehe nicht, warum die Grundsteuer dort nun fast doppelt so hoch ist wie im vergangenen Jahr“, so der 56-Jährige.  Andere im Stadtviertel zahlten nur die Hälfte dessen, was er zahle. „Wer soll das noch verstehen“, fragt sich der Hagener. Da werde das Gerechtigkeitsempfinden der Bürger arg strapaziert.

Moderate Erhöhung am Wohnsitz in Niedersachsen

Ganz anders, berichtet Andreas Paweletz, sehe die Situation an seinem neuen Wohnort in Niedersachsen aus. In Hemmoor im Landkreis Cuxhaven leben 14.000 Einwohner. „Ist eher ländlich hier“, erzählt der 56-Jährige. Für das Einfamilienhaus dort zahle er nur 252,56 Euro für die Grundsteuer B, vorher seien es 186 Euro gewesen. „Wir reden hier von einer moderaten Steigerung von noch nicht einmal 70 Euro basierend auf einer niedrigen Grundsteuer.“

In Hagen, erzählt Andreas Paweletz, habe er noch viele Freunde und Bekannte, die Hauseigentum besäßen. Und er kenne keinen, der wegen der Grundsteuer B nicht aufgebracht sei. „Die haben alle Puls“, sagt der 56-Jährige, der froh ist aus der Großstadt Hagen ins ländliche Idyll im Norden gezogen zu sein.

Claudia Scholten ist Ge­schäfts­füh­re­rin von Haus und Grund Hagen und Fach­an­wäl­tin für Miet- und Woh­nungs­ei­gen­tums­recht.
Claudia Scholten ist Ge­schäfts­füh­re­rin von Haus und Grund Hagen und Fach­an­wäl­tin für Miet- und Woh­nungs­ei­gen­tums­recht. © Klaus-P. Dietrich | Klaus-P. Dietrich

Das Telefon steht nicht mehr still

Claudia Scholten, Ge­schäfts­füh­re­rin von Haus und Grund Hagen ist Fach­an­wäl­tin für Miet- und Woh­nungs­ei­gen­tums­recht. Sie berichtet, dass nach dem Versand der Grundbesitzabgabenbescheide das Telefon des Verbands über Wochen nicht stillgestanden habe. Der Ärger entzündete sich vor allem bei den Hauseigentümern, die durch die Gleichbehandlung des Hebesatzes für Wohn- und Nichtwohngrundstücke bei der Grundsteuer B in Hagen das Nachsehen haben und jetzt wie Andreas Paweletz das Doppelte oder noch mehr bezahlen müssen. In einem Fall in Hagen habe sich die Grundsteuer B gar vervierfacht. Mittlerweile, so Claudia Scholten, habe sich die Lage „ein wenig“ beruhigt. „Wir haben unseren Mitgliedern trotzdem einen Musterwiderspruch gegen den Grundbesitzabgabenbescheid gemailt.“ Darin werde die Gleichbehandlung des Hebesatzes angefochten. „Durch die Entscheidung des Landtages wird es den Kommunen freigestellt, diese Hebesätze so auszutarieren, dass es nicht zu einer übermäßigen Belastung etwa der Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohnimmobilien kommt“, erklärt sie. Da sei noch Handlungsspielraum. Der Rat der Stadt Hagen will demnach im Mai eine Entscheidung fällen. Andreas Paweletz und viele andere Besitzer von Häusern blicken jetzt gespannt darauf, ob die betroffenen Kommunen tatsächlich die neue Grundsteuer aufkommensneutral, sprich ohne Gewinn zu generieren, angewandt haben. Für Claudia Scholten haben die Kämmerer keinen leichten Job. „Die Zahlen werden für sich sprechen.“ Letztlich müssten die Kämmerer halt das umsetzen, was die Räte beschlossen hätten.

Mittlerweile wehren sich in Hagen immer mehr Menschen gegen die die Erhöhung des Hebesatzes von 750 auf 1139: Mehr als 4000 Gegner haben bereits eine Online-Petition gegen die Entscheidung des Hagener Stadtrates unterschrieben. Die Initiatoren der Petition haben auch Politiker in Hagen angeschrieben und ihre Wut in Worte gefasst. Viele Menschen seien jetzt schon an der Grenze dessen, was sie sich noch leisten können. Nach Ansicht des Steuerzahlerbunds ist es wenig aussichtsreich, gegen die Bescheide Widerspruch einzulegen. Nur eine Härtefallregelung könnte greifen, wenn Existenzen oder die Sicherung des täglichen Lebensunterhalts von Steuerpflichtigen gefährdet seien.