Hagen. Bernd Maßmann im WESTFALENPOST-Interview. Warum die Stadt Hagen den Hebesatz stark erhöhen musste und was Bürger jetzt noch tun können.

Für viele Haus- und Grundstücksbesitzer in Nordrhein-Westfalen begann das Jahr 2025 mit unangenehmer Post. Mit den neuen Grundbesitzabgabenbescheiden der Kommunen rollt eine Lawine an höheren Kosten auf viele zu - voraussichtlich auch auf Mieterinnen und Mieter, sobald Hausbesitzer die Kosten entsprechend umlegen. Bernd Maßmann ist erst seit wenigen Wochen im Amt als Kämmerer der Stadt Hagen und hat gleich dieses unangenehme Thema vor der Brust. Im Interview mit der WESTFALENPOST bezieht der Beigeordnete für Finanzen Stellung zum Thema.

Für viele Bürgerinnen und Bürger war die enorme Erhöhung der Grundsteuer ein Schock. Können Sie das nachvollziehen?

Es ist absolut nachvollziehbar. Als die Menschen vor zwei Jahren ihren Grundlagenbescheid vom Finanzamt bekommen haben, konnten sie damit nichts anfangen. Vier Seiten kompliziertes Behördendeutsch und Berechnungen und unten stand eine Summe, die einen nicht beeindruckt hat. Dass viele Menschen, die jetzt ihren Gebührenbescheid von uns geöffnet haben, hinter rüber gekippt sind, kann ich nachvollziehen. Viele haben nicht mit so einem Betrag gerechnet. Das zweite ist die Ohnmacht festzustellen, dass sie rechtlich im Grunde nichts mehr machen können. Das hätten die Leute vor zwei Jahren machen müssen. Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass die neue Berechnungsmethode in vielen Fällen auch zu erheblichen Entlastungen führt.

Haben in Hagen viele Menschen Einspruch beim Finanzamt eingelegt?

Immerhin 9000, also 17 Prozent aller Immobilien- oder Grundstücksbesitzer haben gegen den Grundsteuerbescheid des Finanzamtes Einspruch eingelegt.

Was sind die Gründe für die enorme Erhöhung?

Das Bundesverfassungsgericht hat 2018 entschieden, dass die bisherige Berechnung den Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil sie auf einer Berechnungsgrundlage aus dem Jahr 1964 beruht, im Osten sogar auf Werten aus dem Jahr 1935 basiert und überhaupt nicht berücksichtigt, ob das Haus am Starnberger See oder in Wanne-Eickel steht. Gerade im vergangenen Jahrzehnt haben sich die Immobilienwerte enorm entwickelt, aber sehr unterschiedlich je nach wirtschaftlicher Entwicklung der Kommune. Im bisherigen Verfahren blieb das unberücksichtigt.

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Danach müsste es in Städten wie Hagen oder Herne doch billiger werden?

Auch in Hagen sind die Grundstückswerte gestiegen. Im Jahr 2000 war der Quadratmeter hier durchschnittlich 42 Euro wert, im Jahr 2021 schon 116 Euro. Eine Steigerung von 176 Prozent. Der Gesetzgeber wollte diesen Wertzuwachs von Grundstücken, aber auch Immobilien gerecht besteuern. Einfamilienhäuser sind in der Vergangenheit deutlich wertvoller geworden als gemischt genutzte Gebäude, Gewerbeobjekte oder auch reine Mietshäuser. Obwohl sogar niedrigere Messzahlen für Einfamilienhäuser angewandt wurden, um deren Besitzer nicht zu stark zu belasten, unterscheiden sich auch die Messbeträge entsprechend der Immobilien- und Grundstückswerte. Das alles liegt nicht in der Hand der Kommunen, sondern in der Zuständigkeit der Finanzverwaltung.

Die Neuberechnung der sogenannten Messbeträge durch die Finanzämter ist das eine, die Veränderung der Hebesätze in den Kommunen das andere. Viele haben diese jetzt angehoben. Die Kommunen sind angehalten, durch die Veränderung keine Mehreinnahmen zu erzielen. Trifft das auf Hagen zu? Sie haben mit der neuen Besteuerung den Hebesatz von bereits hohen 750 auf 1139 verändert, warum?

Wir haben gesagt, dass wir in Zukunft den gleichen Betrag wie vorher erzielen wollen. Keinen Euro mehr und keinen weniger. In Hagen sind rund 55.000 Bescheide versendet worden. Wenn es bei 750 geblieben wäre, lägen die jährlichen Einnahmen nach unseren Berechnungen bei rund 32,5 Millionen Euro gegenüber bisher 49,5 Millionen Euro, also 17 Millionen Euro weniger. Im Mai werden wir prüfen, ob wir richtig gerechnet haben. Sollten wir Mehreinnahmen haben, werden wir den Hebesatz entsprechend wieder senken.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat Ihnen die Wahl gelassen, zugunsten der Einfamilienhausbesitzer zu differenzieren. Warum hat Hagen darauf verzichtet?

Tatsächlich würde der differenzierte Steuersatz dazu führen, dass der Hebesatz bei Wohnimmobilien geringer wäre als 1139. Für Gewerbeimmobilien und gemischt genutzte, also Wohnhäuser, in denen beispielsweise auch ein Ladenlokal besteht, wäre der Satz höher als die 1139. Wir sehen aber rechtliche Risiken.

Inwiefern?

Wir gehen nach dem Bundesmodell vor, das der Bund auch für verfassungskonform hält. Gibt es jetzt Einsprüche und Klagen gegen die Grundlagenbescheide, dann trägt der Bund die Verantwortung nachbessern zu müssen, falls das Modell vom Gericht doch als nicht verfassungskonform angesehen wird. Das differenzierte Landesmodell ist erst im Juli 2024 beschlossen worden. Der Städtetag hat das Modell unter die Lupe genommen und hält es für risikoreich, weil bei Anwendung und Klagen gegen die Bescheide dann die Kommune das Risiko trägt und nicht mehr der Bund. Dann wären wir gegebenenfalls gezwungen, auf den alten Hebesatz zurückzugehen und der Stadt würden jährlich rund 17 Millionen Euro in der Kasse fehlen.

Haben schon viele dem Grundbesitzabgabenbescheid widersprochen? Falls ja, mit welcher Begründung?

Ja, es haben schon Hunderte widersprochen. In der Regel mit der Begründung, der Hebesatz und damit die finanzielle Belastung sei zu hoch.

Das kann doch sehr gut sein. Wie gehen Sie als Stadt damit um, wenn jemand die Gebühr nicht mehr zahlen kann?

Es wird sicher bei Härtefällen in engem Rahmen Möglichkeiten der Stundung geben, aber man muss schon nachweisen, dass man wirklich nicht in der Lage ist, die Grundsteuer zu zahlen. Hier spielt übrigens auch eine Rolle, ob man in der Vergangenheit verlässlich gezahlt hat. Jemand, der immer zu spät oder gar nicht gezahlt hat, bekommt keine Stundung. Wie dem auch sei: Bezahlt werden muss sie.