Hagen. Vor 50 Jahren wurde Nordrhein-Westfalen teils gegen den Bürgerwillen neu zugeschnitten. Heute braucht es eine zeitgemäße Fortsetzung.
Heute ist die Erzählung weit verbreitet, dass ja alles von oben entschieden werde, über die Köpfe der Menschen hinweg - und dass früher natürlich alles besser war. Blickt man auf die Kommunale Neugliederung in Nordrhein-Westfalen zurück, die vor 50 Jahren vollendet wurde, dann zeigt sich, wie oberflächlich eine solche Sichtweise ist. Man darf die These wagen: So wie damals wäre ein solch umfassendes Reformwerk heute wohl kaum möglich. Die Landespolitik hat damals geradezu mit Brutalität NRW neu zugeschnitten. Bürgerproteste wurden vielleicht wahrgenommen, an vielen Stellen aber letztlich ignoriert. Einen breit angelegten Prozess der Bürgerbeteiligung gab es nicht.
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Das ist der negative Aspekt dieser Jahre. Der positive lautet: Unterm Strich war es völlig richtig, was damals eine übergroße Koalition aus SPD, CDU und FDP auf den Weg gebracht und durchgesetzt hat. Effiziente Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen bringen nicht automatisch Fortschritt und Wachstum, aber sie können dies begünstigen. Und die „Kleinstaaterei“, die damals in NRW herrschte, war definitiv nicht mehr zeitgemäß.
Heute klagen wir wieder über nicht mehr zeitgemäße Strukturen, zu viel Bürokratie. Braucht es da eine neue Gebietsreform, eine Kommunale Neugliederung 2.0? Nein, da hat Ministerpräsident Wüst recht. Diskussionen um neue Grenzen und neue politischen Gebilde lenken ab von der eigentlichen Aufgabe: Städte und Kreise müssen viel enger zusammenarbeiten, müssen sich Aufgaben teilen. Die Digitalisierung bietet ganz neue Möglichkeiten. Die eine Stadt kann sich auf ein Thema spezialisieren - und dieses für andere mit einer hohen Kompetenz erledigen. So etwas nicht nur gut zu finden, sondern noch viel stärker zu organisieren, wäre eine Aufgabe der Landespolitik.