Hagen. Ganze Städtenamen verschwanden vor 50 Jahren von der Landkarte: Warum NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst das nicht wiederholen will.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat die Kommunale Neugliederung in Nordrhein-Westfalen vor 50 Jahren gewürdigt. Gleichzeitig erteilte er gegenüber der WESTFALENPOST einer neuen Gebietsreform eine Absage: Dafür gebe es heute keine Notwendigkeit.

Zum 1. Januar 1975 waren unter anderem das Ruhrgebiet-Gesetz und das Sauerland-Paderborn-Gesetz in Kraft getreten, mit denen eine Vielzahl von Kommunen und Kreisen zusammengefasst und neu zugeschnitten wurden. Insgesamt wurden aus etwa 2300 selbstständigen Kommunen in NRW 396 Städte und Gemeinden. Der Jahreswechsel 1975 markierte den Höhepunkt der in zwei Wellen vollzogenen Neugliederung des Landes seit dem Jahr 1966. Viele Städte und Gemeinden verloren ihre Eigenständigkeit. So ging etwa am 1. Januar 1975 Wattenscheid in Bochum auf, Wanne-Eickel in Herne oder Neheim-Hüsten in Arnsberg. In Südwestfalen wurden zum Beispiel der Hochsauerlandkreis und der Märkische Kreis neu gegründet.

Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

„Aufzwingen kann man den Menschen ein Heimatgefühl ohnehin nicht.“

Hendrik Wüst
NRW-Ministerpräsident

Ministerpräsident Wüst sagt im Rückblick: „Die Gebietsreform war ein wichtiger Schritt, um die kommunale Verwaltung in Nordrhein-Westfalen zukunftsfähig zu machen. In den letzten Jahrzehnten sind die Aufgaben der Verwaltung immer anspruchsvoller geworden. Deshalb ist es sinnvoll, dass nicht mehr jede und jeder alles macht.“ Die Bündelung von Aufgaben ermögliche die Entwicklung hoher Fachkompetenz und dadurch auch Rechtssicherheit und Verlässlichkeit. „Diesen Weg fortzusetzen, halte ich für richtig“, so Wüst. „Weitere Gebietsreformen brauchen wir dafür aber nicht. Als Land ermöglichen wir den Kommunen heute per Gesetz eine Zusammenarbeit auf freiwilliger Basis.“ Das geschehe zum Beispiel bei Abfall- und Abwasserbeseitigung, der Lebensmittelüberwachung oder der Personalverwaltung.

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Die Kommunale Neugliederung stieß vor rund 50 Jahren vor Ort auf teilweise heftigen Protest, wurde aber bis auf wenige Ausnahmen durchgesetzt. Zu den Ausnahmen gehört etwa die Fusion von Bottrop, Gladbeck und Kirchhellen - im Volksmund spöttisch „Glabotki“ genannt -, die vom Verfassungsgerichtshof für nichtig erklärt wurde. In Hohenlimburg dagegen blieb der juristische Kampf erfolglos. Die Kleinstadt wurde 1975 in das benachbarten Hagen eingemeindet. Noch heute gibt es Bestrebungen, dies rückgängig zu machen.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ist aber überzeugt, dass es nach 50 Jahren grundsätzlich eine hohe Akzeptanz gibt: „Der Zusammenschluss von Gemeinden war am Anfang sicherlich nicht für alle Menschen einfach. Aber es war auch eine Chance, neu und anders zusammenzuwachsen. Ich bin überzeugt: Das hat sich inzwischen zurecht geruckelt. Aufzwingen kann man den Menschen ein Heimatgefühl aber ohnehin nicht.“ Man könne „Wattenscheid als Heimat empfinden oder Bochum – und sogar beides.“