Letmathe. Ein Blick auf die kommunale Neuordnung 1975, die Iserlohn und Letmathe zusammenführte und ein neues Kapitel der Stadtgeschichte aufschlug.

Vor 50 Jahren, im Jahr 1975, standen die Bürgerinnen und Bürger von Iserlohn und Letmathe an einem Wendepunkt in ihrer Geschichte. Unter der Federführung des damaligen NRW-Innenministers Willi Weyer brachte die nordrhein-westfälische Gebietsreform nicht nur neue Verwaltungsstrukturen mit sich, sondern stellte auch für viele Gemeinden in der Region die Frage nach der eigenen Identität. Im Zuge dieser Umgestaltung , die Teil einer umfassenden kommunalen Neuordnung in Nordrhein-Westfalen war, wurde Letmathe als Stadtteil in die Stadt Iserlohn eingegliedert und verlor damit seine Eigenständigkeit.

Letmathe – vom Dorf zur Stadt

Um die Geschichte des Zusammenschlusses zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Letmathe, erstmals im 11. Jahrhundert urkundlich erwähnt, blickt auf eine lange und reiche Historie zurück. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Ort zu einem bedeutenden Industriestandort, insbesondere in der Metallverarbeitung und Papierindustrie. 1935 erhielt Letmathe die Stadtrechte. Ein Zeugnis der langen Geschichte ist das Haus Letmathe, ein Herrensitz von circa 1475 der Herren von Letmathe und später im Besitz verschiedener Adelsfamilien war und noch heute eine zentrale Rolle spielt.

Willy Haarmann Archivbild
Bürgermeister von Letmathe mit Herz und Strahlkraft von 1958-1974: Willy Haarmann setzte sich nachhaltig für die Identitätsbewahrung von Letmathe ein. © IKZ | Privat

Willy Haarmann und die große Reform

Die kommunale Neuordnung in NRW stellte die Eigenständigkeit vieler Gemeinden infrage. Auch in Letmathe wurde heftig über die Zukunft der Stadt debattiert. Willy Haarmann, der sich in der Nachkriegszeit als „Siedlungsvater“ durch den Bau der Stübbeken-Siedlung einen Namen gemacht hatte und von 1958 bis 1974 Bürgermeister in Letmathe war, war eine respektierte Persönlichkeit mit Strahlkraft. Ab 1969 war er auch der letzte Landrat des Kreises Iserlohn. Haarmann setzte sich mit Nachdruck dafür ein, dass die Identität Letmathes bewahrt und die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im neuen Iserlohn gehört wurden. Doch die Entscheidung fiel auf Landesebene. Innenminister Willy Weyer trieb die Reform mit Nachdruck voran.

Widerstände und heiße Debatten im Letmather Rat

In Letmathe gab es große Bedenken und Widerstände. Viele Letmather sahen die Eigenständigkeit ihrer Stadt bedroht. Hartmut Tripp, damals Lokalredakteur für Letmathe, erinnert sich noch gut an die Zeit in den 70er-Jahren: „Die damaligen Debatten im Letmather Stadtrat im Saalbau waren geprägt von heißen, lebhaften und emotionalen Auseinandersetzungen zwischen CDU und SPD, die auch schon mal bis Mitternacht gehen konnten“, erzählt Tripp, „die Letmather hatten einfach Angst, geschluckt zu werden.“

Im Herbst 1972 legte der nordrhein-westfälische Innenminister Willi Weyer einen Vorschlag zur Neugliederung des Ruhrgebietes vor, der auch den Kreis Iserlohn betraf. 1973 regte sich Widerstand gegen die Pläne, und die Bürgerinitiative „Rettet den Kreis Iserlohn“ sammelte 142.000 Gegenunterschriften. Bürgermeister Haarmann ging davon aus, dass die Selbstständigkeit der Stadt Letmathe ungefährdet sei.

Ende einer Ära und Neubeginn mit eigenem Gremium

1974 strebte Iserlohn die „große Lösung“ an, die Einbeziehung von Letmathe, Hemer und Hennen, was Letmathe ablehnte. Im November 1974 beschloss der Landtag den Zusammenschluss der Stadt Letmathe mit Iserlohn. Im Dezember stellte der Rat der Stadt Letmathe eine gestellte Verfassungsbeschwerde gegen den Zusammenschluss ein.

Am 1. Januar 1975 ging eine Ära zu Ende. Die Stadt Letmathe wurde mit der Stadt Iserlohn zusammengeschlossen und verlor damit ihre Selbstständigkeit. Nach über 900 Jahren wurde der Name „Letmathe“ aus dem Ortsregister gelöscht, nachdem er im Jahre 1036 erstmals urkundlich erwähnt wurde. 

Nach der unumgänglichen kommunalen Gebietsreform wurde auf Drängen der Letmather CDU im neu gegründeten Rat der Stadt Iserlohn ein Bezirksausschuss eingerichtet. Ein kleines Trostpflaster, das den Letmathern einräumte, ein politisches Gremium und damit eine eigene Stimme für ihre Belange zu behalten.

Wegbegleiter blicken auf damaligen Zusammenschluss

Im Gespräch mit der Heimatzeitung blicken einige Wegbegleiter auf die damalige Neuordnung zurück:
Michael Scheffler, stellvertretender Bürgermeister Iserlohn, und Ur-Letmather, 1975 junger sachkundiger Bürger in Iserlohn, zieht in der Nachbetrachtung ein positives Fazit zum Zusammenschluss und sieht darin eine Stärkung für Letmathe. „Die Iserlohner Politik als Rat hat in den zurückliegenden Jahrzehnten die Identität der einzelnen Ortsteile, wie Oestrich, Grürmannsheide, Dröschede, Kesbern, Sümmern, Kalthof oder Drüpplingsen als Bereicherung betrachtet“, so Scheffler.

Hannelore Fleischer, die sich jahrzehntelang für Dröschede einsetzte und sich mit dem Letmather Stadtteil tief verwurzelt fühlt, saß damals im Stadtrat und Kreistag. Nach ihrer Meinung brachte die Neuordnung der Iserlohner Bevölkerung wenig Vorteile. Sie kritisierte insbesondere, dass die Anliegen der Iserlohner beim Kreis Lüdenscheid zu wenig Gehör fanden.

Die Geschichte der Letmather SPD ist untrennbar mit Lutz Malaschöwski verbunden. Er erlebte die Neuordnung hautnah mit. „Es war damals zunächst eine echte Katastrophe für Letmathe und mit vielen Ängsten verbunden“, sagt er im Gespräch, „heute beurteile ich den Zusammenschluss positiv, es konnten dadurch viele Verbesserungen auch für Letmathe auf den Weg gebracht werden.“

Warum Haus Letmathe zum Zankapfel des neuen Stadtrats wurde

Kaum wurde die neue Stadt Iserlohn gegründet, wurde die Zukunft von Haus Letmathe, das die Stadt 1975 von der Firma Hoesch erworben hatte, zum Zankapfel. Im neuen Stadtrat erhob die Fraktion der SPD die Forderung, das Haus abzureißen. Dagegen sprach sich die Fraktion der CDU eindeutig für einen Erhalt des Hauses Letmathe aus und setzte den Beschluss durch, Stadtbücherei, Heimatmuseum und einen Ratskeller (heute Gewölbekeller) dort unterzubringen. In den Jahren 2007 bis 2009 wurde Haus Letmathe von der Stadt Iserlohn für 1,5 Millionen Euro von Grund auf saniert. 2011 feierte Letmathe sein 975-jähriges Jubiläum im und am Haus Letmathe.

Letmathe und Iserlohn – 50 Jahre danach

50 Jahre nachdem „Letmathe und Iserlohn heiraten mussten“, wird deutlich, dass beide letztendlich von der „Eheschließung“ profitierten und dass Letmathe seinen eigenen Charakter bewahrt hat. Durch eine große Gemeinschaft und vielfältiges ehrenamtliches Engagement verschiedenster Vereine ist es den Letmathern gelungen, die gesellschaftlich unverwechselbaren Eigenheiten zu erhalten und in beeindruckender Weise Kultur und Historie zu bündeln. So bewahrt Letmathe seine Identität bis heute, die Erinnerung an die Eigenständigkeit ist lebendig geblieben.

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