Menden. Tatwerkzeuge sind Kettensäge, Apfelpflücker, Einnetzgerät: Warum für die Mendener Schriftstellerin im Alltag das Grauen lauert.

Gepflegte Vorgärten, geputzte Fenster, muntere Dorfvereine, Doppelkopfrunden harmloser alter Damen: Das sind die sauerländischen Soziotope, die Kathrin Heinrichs mit dem Blick der Mordspezialistin untersucht. Die bekannte Mendener Krimiautorin ist eine große Menschenkennerin. Dies belegt sie einmal mehr in ihrem neuen Buch. „Gras drüber“ versammelt 15 Kurzkrimis, die im Sauerland und in anderen Regionen spielen – geschliffene Miniaturen, die kleine Meisterwerke der pointierten Zuspitzung sind.

„Gras drüber“ erweist sich als Experimentallabor für das Grauen im Alltag. Nichts ist, wie es scheint oder erwartet wird in der behäbigen Kulisse deutscher Provinznester. Den Doppelkopf-Omas zum Beispiel würde niemand etwas Böses zutrauen. Dabei haben die reizenden alten Damen eine ebenso geniale wie todsichere Methode entwickelt, gewalttätige Ehemänner oder übergriffige Schwiegermütter loszuwerden. Und eine Gruppe von rüstigen Rentnern schafft es, zwischen Einnetzgerät, Kettensäge und Apfelpflücker sowohl den gierigen Neffen als auch die bösartige Pflegefrau zu entsorgen. Um die Spuren zu verwischen, bringen die Rentner das Auto des Neffen auf einen Wanderparkplatz bei Frankfurt und fahren mit dem Deutschlandticket zurück ins Sauerland, nette alte Herren, die einen schönen Ausflug machen, wie gut, dass sie in Bewegung bleiben.

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Die Angst vor touristischer Ausbeutung und Industriespionage spielt eine Rolle in anderen Kurzkrimis. Chinesische Immobilienmakler luchsen verwirrten alten Frauen ihre Grundstücke ab, um darauf Ferienparadiese zu errichten oder schicken Agentinnen auf die Jagd nach Konstruktionszeichnungen – die sich häufenden Nachrichten vom Verkauf westfälischer und hessischer Schlösser an chinesische Investoren beflügeln hier die Phantasie. Wie wird man im fiktiven Heinrich-Lübke-Gedächtnis-Verein der Geschichte „Die Welt ein Dorf“ auf die Meldung reagieren, dass die Chinesen das hübsche Fachwerkdorf aufkaufen wollen?

Hervorragende Beobachterin

Kathrin Heinrichs ist eine hervorragende Beobachterin und eine versierte Meisterin der überraschenden Wendung. Die Mendenerin nimmt nichts für Selbstverständlich, deshalb werden bei ihr falsche polnische Priester von protestantischen Frauenhilfe-Aktivistinnen aufs Kreuz gelegt, unbedarfte Handwerker kämpfen im stilvollen Hotel mit den Tücken alter Bauernschränke und graumäusige Buchhalterinnen nutzen ihre privaten Kletterkünste für die Karriereleiter. Doch nicht alle Fälle, die Kathrin Heinrichs erfindet, sind skurril oder schräg. In einigen Kurzkrimis wagt sich die Autorin auch an abgrundtiefe Tragödien. Das ist ein neues und sehr interessantes Kapitel im Werk der Autorin.

Kathrin Heinrichs: Gras drüber. Kurzkrimis aus dem Sauerland und anderen Regionen. Blatt-Verlag, 207 Seiten, 11,90 Euro. www.kathrin-heinrichs.de

Kathrin Heinrichs liest am 26. Oktober um 19.30 Uhr bei der Ladies Crime Night von „Mord am Hellweg“ in der Kulturschmiede Fröndenberg. www.mord-am-hellweg.de

Am 31. Oktober liest Katrin Heinrichs in der Wilzenberg-Kapelle in Schmallenberg-Grafschaft. Treffpunkt ist um 16 Uhr am Wanderparkplatz Wilzenberg. Info: Tel. 02972 – 97400.