Hagen. Indra Janorschke und Marlies Ferber schreiben erfolgreiche Unterhaltungsromane für Frauen. Warum sie dafür Pseudonyme brauchen.

Sie gilt als die deutsche Lucinda Riley. Ein größeres Kompliment als den Vergleich mit der nordirischen Bestsellerkönigin (1965–2021) kann man einer Schriftstellerin kaum machen. Viele Lesefreunde, die im Buchladen oder Supermarkt einen Titel von Felicity Whitmore, Anna Helford, Indra Maria Janos oder Emilia Lombardi in die Hand nehmen, wissen nicht, dass sich hinter den Pseudonymen die Hagener Erfolgsautorin Indra Janorschke verbirgt. Und die ist nicht das einzige Literaturwunder aus der Region. Denn in Hagen lebt auch Marlies Ferber, die mit ihren ungewöhnlichen Geschichten eine wichtige Stimme in der Branche ist.

Beide kennen sich von Berufs wegen mit Romantik aus; beide erfinden Frauenbilder, welche die Realität nicht nur spiegeln, sondern auch beeinflussen können. Beide Autorinnen sind beim dtv-Verlag unter Vertrag, und beide sind privat Freundinnen.

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Bücher schreiben, ist ein Herzenswunsch vieler Männer und Frauen. Die Bezahlverlage quellen über vor Druckerzeugnissen. Doch bei einem renommierten Publikumsverlag unterzukommen, das gelingt nur den wenigsten Autoren. Und dann auch noch einem Erstling weitere erfolgreiche Romane hinterherzuschicken, vom Schreiben leben zu können, das ist seltener als ein Sechser im Lotto. Die Hagenerinnen haben beides scheinbar auf Anhieb geschafft. Aber sie haben hart dafür gearbeitet. Die Sinologin Marlies Ferber ist Lektorin und Übersetzerin, kennt sich also in der Verlagswelt aus. Indra Janorschke hat nach dem Abschluss in Germanistik und Religionswissenschaften noch ein Fernstudium bei der Hamburger Roman-Werkstatt absolviert. „Es ist möglich, bei einem Verlag unterzukommen, wenn man gute Qualität liefert“, schildert sie. „Es gibt das Vorurteil, dass man Schreiben nicht erlernen kann. Dem ist nicht so. Ich habe bis heute keinen einzigen Roman in der Schublade liegen, aber ich habe auch sehr gut in meine Ausbildung investiert.“

„Wir haben ein Problem damit, dass wir Romantik in bestimmten Bildern denken.““

Indra Janorschke, Autorin

Beide Autorinnen sind im sogenannten Unterhaltungsgenre unterwegs. Marlies Ferber hat mit „Agent Null-Null-Siebzig“ einen gewitzten Seniorendetektiv erfunden und zuletzt als Sabrina Nau das Reiseabenteuer „Ein Sommer mit Esel“ veröffentlicht. Indra Janorschke ist als Felicity Whitmore überaus erfolgreich mit Romanen, die den Bogen vom viktorianischen England bis heute schlagen und als Anna Helford die Erfinderin der „Season Sisters“. Gerade ist der neue Band „Winterhoffnung“ herausgekommen.

Kondome sind Pflicht

„Früher teilte man Bücher ein in Literatur und Unterhaltung. Und Frauenromane bezeichnete man häufig als Trivialliteratur“, analysiert Marlies Ferber, „mein Deutschlehrer sagte mal, was man Trivialliteratur vorwerfen könne, sei, dass es keine Veränderungen gibt. Heute spiegelt die Trivialliteratur, sofern man den Begriff überhaupt noch verwendet, durchaus die Veränderungen der Gesellschaft, gerade, was das Frauenbild betrifft.“ Am offensichtlichsten wird das bei den Sexszenen. Kondome sind inzwischen literarische Pflicht, ungeschützte Annäherungen lässt kein Verlag mehr durchgehen. Indra Janorschke: „Das ist eine Form von emanzipatorischer Erziehung, die ganz gut ist für junge Frauen.“

„Früher haben Frauen unter Männernamen publiziert, um überhaupt gedruckt zu werden.“

Marlies Ferber, Autorin

Sowieso ordnen sich die Roman-Heldinnen nicht mehr bedingungslos dem männlichen Helden unter. Und wenn doch, dann als bewusste Unterwerfungs-Phantasie, aus der sie jederzeit wieder aussteigen können. Indra Janorschke: „Wir haben ein Problem damit, dass wir Romantik in bestimmten Bildern denken, und dass wir Romantik nicht anders denken können. Ein Cover-Held weint nicht. Das wird in bestimmten Formaten transportiert und verlangt.“ Marlies Ferber: „Es macht ja auch Spaß, Klischees zu bedienen und gleichzeitig einen kleinen doppelten Boden einzuziehen.“

Beide sind Hundefreundinnen, Indra zudem Hundetrainerin. Kennengelernt haben sie sich, als Marlies beim Theater an der Volme in Hagen wegen einer Lesung anklopfte, das damals von Indras Mann, dem Theaterkünstler Dario Weberg, geleitet wurde. „Indra ist elf Jahre jünger als ich und elfmal erfolgreicher“, konstatiert Marlies Ferber neidlos. Beide sind in mehreren Textgattungen gleichzeitig unterwegs. Marlies Ferber schreibt zum Beispiel als Christa Boekholt Kasperlegeschichten im Bassermann-Verlag. Indra Janorschke entwirft Theaterstücke, ist zudem bei Bastei-Lübbe unter Vertrag, wo sie für die Julia-Heftromane Romanzen verfasst und hat als Indra Maria Janos eine Mascha-Kaleko-Romanbiografie vorgelegt.

Die Spur der Vergangenheit

Deren Titel „Die Suche nach Heimat“ ist Programm. „Jeder Autor und jede Autorin hat etwas, das einen antreibt“, sagt Indra. „Bei mir ist es das Thema, dass die Vergangenheit immer die Gegenwart beeinflusst. Die Entscheidungen, die unsere Vorfahren getroffen haben, beeinflussen unser Leben heute. Das hat auch immer etwas mit Heimat zu tun. Und da kommen die Geschichten einfach auf mich zu, ich finde sie überall.“

Bleibt die Frage, ob man sich in all den Pseudonymen nicht verheddern kann? „Pseudonyme hatten schon immer Marketing-Hintergründe. Früher haben Frauen unter Männernamen publiziert, um überhaupt gedruckt zu werden, so wie Charlotte Brontë als Currer Bell“, erläutert Marlies Ferber. Indra Janorschke beschreibt das Konzept: „Da meine Romane meistens in England spielen, ist es besser, wenn ein englischer Name auf dem Titel steht. Wenn Name, Titel und Cover zusammenpassen, greift der Leser eher dazu. Indra Janorschke war dem Verlag auch zu kompliziert.“

Viele bekannte Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, Iny Lorentz zum Beispiel oder Dora Heldt. Der Künstlername ist Fluch und Segen zugleich. Und natürlich auch ein Thema fürs Schreiben. Marlies Ferber hat ihm die Kurzgeschichte „Das Pseudonym“ gewidmet, erschienen als Donna de Ponte im Urlaubslesebuch des dtv-Verlages 2023. Und in diesem Sammelband war sie noch mit zwei weiteren Kurzgeschichten vertreten: als Marlies Ferber und Sabrina Nau.