Hagen. . Warum die Hagener Theaterfrau Indra Janorschke als Felicity Whitmore über viktorianische Frauen und moderne Morde schreibt

Die junge Rheinländerin Laura Milton versucht, den plötzlichen Tod ihres britischen Mannes aufzuklären. Dabei gerät sie nach England und stößt in einem verfallenen Herrenhaus auf die Geschichte einer Lady Milton. So fangen Liebesromane an. Und so beginnen Thriller. Die Bücher von Felicity Whitmore haben von allem etwas. Sie arbeiten mit den Elementen des klassischen viktorianischen Gesellschaftsromans und nehmen gleichzeitig Anleihen bei Miss Marple. Hinter dem Namen Felicity Whitmore verbirgt sich Indra Janorschke: Schauspielerin, Hundefreundin und Leiterin des Theaters an der Volme in Hagen, das sie mit ihrem Mann Dario Weberg führt. Mit „Das Herrenhaus im Moor“ legt die 41- Jährige jetzt bereits ihren zweiten Roman beim dtv-Verlag vor.

Wahlheimat England

Ein Autorenvertrag mit einem Haus wie dtv ist seltener als ein Sechser im Lotto. Wie Indra Janorschkes Schriftstellerkarriere begonnen hat, ist eine Geschichte für sich, ein modernes Frauenmärchen. Die Autorin liebt England. Und so saß sie 2012 in Daphne du Mauriers Wahlheimat Fowey (Cornwall) an der Küste und dachte sich: Jetzt packst du ihn an, den Traum vom Schreiben. Sie immatrikulierte sich bei der Hamburger Roman-Werkstatt für ein Fernstudium, vollendete ihren Erstling „Der Klang der verborgenen Räume“, fand einen Agenten und setzte binnen eines Jahres die Unterschrift auf den Vertrag mit einem der renommiertesten deutschen Verlagshäuser. Inzwischen arbeitet Indra Janorschke am vierten Buch, „das dritte ist schon fertig und verkauft“.

„Das Herrenhaus im Moor“ klingt ein bisschen nach Manderley, jenem fiktives Anwesen, das eine zentrale Rolle in Daphne du Mauriers Buch „Rebecca“ von 1938 spielt. Wie Manderley birgt auch das „Herrenhaus im Moor“ ein Geheimnis. Indra Janorschke liebt die viktorianischen Landsitze, die in der Dramaturgie ihrer Romane eine große Rolle spielen. „Sie überdauern Generationen, jede Generation hinterlässt ihre Spuren, sie dokumentieren Vergänglichkeit. Das ist ein Thema, das mich beim Schreiben antreibt.“

Mit den Häusern fasziniert die Germanistin und Religionswissenschaftlerin das viktorianische Zeitalter. Eigentlich wollte sie gerade mit ihrer Doktorarbeit in Religionssoziologie anfangen, als die Theatergründung dazwischenkam. Heute hilft ihr das Fachwissen bei der Recherche. In der viktorianischen Epoche nahm Großbritannien ungeheuren Aufschwung, aber es gab auch viele Missstände, und man war so verklemmt, dass sogar Tischbeine verhüllt werden mussten, damit niemand auf unanständige Gedanken kam. Diese Doppelmoral, die Symbolik, bieten Indra Janorschke viel Stoff. „Damals war es relativ einfach, eine Frau in eine Irrenanstalt einzuweisen“, sagt sie. „Hysterie war die Modekrankheit des 19. Jahrhunderts. Gleichzeitig galten Frauen als asexuell. Die Ärzte dachten, man müsste zur Therapie die Körpersäfte austreten lassen und so hat man Vibratoren erfunden. Die Männer kauften sie für ihre Frauen, das wurde überhaupt nicht mit Sexualität in Verbindung gebracht.“

Als junge Autorin wundert sich Indra Janorschke alias Felicity Whitmore über die Trennung in Unterhaltungsliteratur und ernsthafte Literatur. „So etwas gibt es nur in Deutschland“, sagt sie. Mit ihren Romanen will sie bewusst über solches Schubladendenken hinweg schreiben. „Das Herrenhaus im Moor“ ist spannend, es geht um einen Todesfall, um uralte Dokumente, um unausgelebte Homosexualität und um eine moderne Frau, die einen schmerzhaften Entwicklungsprozess durchlaufen muss. Frauenliteratur? Krimi? Historischer Roman? „Es gibt eigentlich für das, was ich schreibe, keine Genrebezeichnung“, meint Indra Janorschke. Und das macht ihre Bücher so fesselnd.

Felicity Whitmore: Das Herrenhaus im Moor, 414 Seiten, dtv, 9,95 Euro