Meschede/Hagen. Internationale Stars der Blechbläser-Szene spielen seit 25 Jahren im Sauerland. Alles gut mit dem Festival oder gibt es Baustellen?
Ein Festival für Ufftata und Dicke-Backen-Klänge? Die Skepsis war groß, als vor 25 Jahren der Sauerland-Herbst an den Start ging, das erste große Musikereignis für Blechblasmusik hierzulande. Überhaupt stellte sich damals die Frage, ob der ländliche Raum ein internationales Festspielprogramm tragen könnte, ob es genug Publikum für ein derart spezielles Thema geben würde? Unsere Redaktion hat den Sauerland-Herbst vom Auftakt an begleitet und würdigt das Jubiläum mit einem kritischen Rückblick. Denn am Samstag, 5. Oktober, wird die Jubiläums-Spielzeit mit Meistertrompeter Thomas Gansch (Mnozil Brass) und dem Jugendjazzorchester NRW in Brilon eröffnet.
Die Festival-Idee war damals ungewöhnlich. Das Brass-Genre sollte zum Thema werden, weil einerseits die Blechblas-Musik in vielen Vereinen in der Region gerade von jungen Leuten gepflegt wird, aber andererseits die ganze Vielfalt und Bandbreite dieser musikalischen Gattung kaum bekannt war. Nicht zuletzt spiegelte sich in den Instrumenten die traditionelle metallverarbeitende Industrie der Region. Dass es im Sauerland keine Konzertsäle gibt, stellte für den Festival-Gründer Georg Scheuerlein kein Hindernis dar, denn er begeisterte die heimische Wirtschaft dafür, ihre Produktionsstätten als Spielorte zu öffnen.
Die ersten Sauerland-Herbst-Programme kamen gut an, das Publikum reiste weit, um die sehr unterschiedlichen Ensembles an ungewöhnlichen Stätten zu hören. Wer anfangs nicht kam, waren die lokalen Musikvereine. Sie als Zuhörer zu gewinnen, wurde viel schwieriger als gedacht. Die Sauerland-Herbst-Macher mussten einen langen Atem beweisen. Auch das Nachhaltigkeits-Konzept lief nur zäh an. Die Gastkünstler, in der Regel internationale Spitzenmusiker, sollten nicht einfach anreisen, auftreten und wieder abreisen, sondern ihr Können an junge Hobbymusiker aus der Region in Workshops weitergeben. Doch statt der lokalen Trompeter und Posaunisten kamen internationale Studierende in die Musikakademie Bad Fredeburg. Es hat 25 Jahre gedauert, bis dieses Angebot wenigstens ein Echo unter den Blechbläsern der Region gefunden hat, und dieses Echo könnte noch größer sein.
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Seit dem frühen Tod von Georg Scheuerlein im Oktober 2018 leitet Prof. Thomas Clamor das Festival, der vorher bereits mit seinen Orchestern ein gefeierter Gast beim Sauerland-Herbst war. Herbert von Karajan hatte den Ostwestfalen mit nur 23 Jahren als damals jüngstes Mitglied der Berliner Philharmoniker engagiert, vorher war er Trompeter im Philharmonischen Orchester Hagen. Heute ist Clamor ein international gefragter Dirigent. Seine Netzwerke in der Blechbläser-Szene haben dem Festival neue Verbündete gewonnen. So kooperiert der Sauerland-Herbst mit dem Volksmusikerbund NRW, der evangelischen Posaunenchor-Bewegung, dem Jagdhorn-Bläser-Verband und dem Brassband-Verband. Daraus entstehen besondere Formate, zum Beispiel das große Marathon-Konzert in der Schützenhalle Brilon am 19. Oktober, wo über 200 Musikerinnen und Musiker aus den Musikvereinen der Region ihr Können zeigen. Über 100 Jagd- und Alphörner gestalten zum Finale des Festivals ein St.-Hubertus-Konzert am 3. November in der Abtei Königsmünster in Meschede. Da 2024 das Jahr der Tuba ist, gibt es ebenfalls eine Kooperation mit dem Deutschen Tuba-Forum. Angeboten wird ein Workshop für Tenorhorn, Euphonium, Bariton und Tuba unter anderem mit dem Ausnahmetubisten Daniel Ridder aus Olpe (25. Bis 27. Oktober, Musikbildungszentrum Bad Fredeburg).
Die ganze Vielfalt der Brassmusik
Thomas Clamor möchte dem Publikum die gesamte Vielfalt der Blechbläsermusik anbieten, vom Kammerkonzert bis zum großen Sinfoniekonzert. Die Hagener Philharmoniker sind Residenzorchester des Festivals, sie konzertieren am 30. Oktober in der Stadthalle Schmallenberg mit dem Trompeter Matthias Höfs und seiner Trompetenklasse an der Hamburger Musikhochschule. Gespielt wird unter anderem die Sinfonietta von Leos Janacek, ein Werk, das eine besondere Blechbläserbesetzung verlangt: neun Trompeten in C, drei Trompeten in F, zwei Basstrompeten, vier Posaunen, zwei Tenortuben und eine Basstuba. Damit ist die Sinfonietta im normalen Sinfoniekonzertbetrieb unspielbar; der Sauerland-Herbst macht eine Aufführung möglich.
Das Festival hat nicht nur Musikgrößen ins Sauerland geholt, sondern selbst Stars gemacht. Die österreichischen Musikkabarettisten von Mnozil Brass erlebten im Sauerland-Herbst ihren Durchbruch. Die Mnozils kommen zum Jubiläum zurück; das Konzert in der Schützenhalle Eslohe ist längst ausverkauft. Mnozil-Gründer und Supertrompeter Thomas Gansch spielt zudem die Eröffnung am 5. Oktober in Brilon.
Musikkabarett war vor 25 Jahren ein neues und ungewohntes Format; inzwischen lieben vor allem junge Leute die frechen Grenzgänge der Blechbläser. Aber gestandene Philharmonische Bläser wechseln ebenfalls gerne das Genre, so spielen Mitglieder der Münchner Philharmoniker mit der Sängerin Anna Veit als „Gold Mund“ am 10. Oktober im Kloster Bredelar in Marsberg ein Chanson-Programm.
Der Jazz ist ein wichtiges Standbein des Festivals, kommt doch einer der besten Jazztrompeter Deutschlands aus dem Sauerland: Frederik Köster, der am 6. Oktober mit dem Sinfonieorchester der Musikschule HSK in der Schützenhalle Medebach seine „Homeward Bound Suite“ spielt, eine klingende Hommage an das Sauerland.
Nur Freude also zum Jubiläum? Nicht ganz. Immer noch fällt es tatsächlich schwer, das Publikum für ungewöhnliche Formate zu begeistern. Während die Ensembles, die sich auf böhmische Blasmusik oder Pop-Cover spezialisiert haben, mühelos die Schützenhallen füllen, bleibt es für spezielle Instrumentenkombinationen oder unbekannte Literatur eng. Man darf dem Festival hoch anrechnen, dass es dennoch nicht der Verführung erlegen ist, sein Programm nur am Mainstream zu orientieren. In den Gründerjahren konnte man die großen Namen ausschließlich beim Sauerland-Herbst hören. Andere Veranstalter haben schnell begriffen, dass es hier einen Markt gibt und diese Ensembles selbst eingeladen, so dass mitunter eine Konkurrenzsituation entstand. Dabei sollte doch gerade in einer kulturell herausfordernden Region allen Protagonisten klar sein, dass Absprachen zukunftsfähiger sind.
Nicht zuletzt zeigt sich am Beispiel des Sauerland-Herbstes ein häufiges Problem ländlicher Räume: Das Organisationsteam hinter dem Festival ist hervorragend und engagiert. Aber es fehlt noch an einem professionellen Marketing, das überregionale und lokale Zielgruppen anspricht. Auch nach 25 Jahren ist der Sauerland-Herbst noch viel zu sehr Geheimtipp. Als Festival, das seine Besucher glücklich nach Hause schickt, hat er mehr verdient.
Internationales Brass-Festival Sauerland-Herbst: 5. Oktober bis 3. November. Alle Konzerte und Orte: www.sauerland-herbst.de