Hagen. Beethovens Violinkonzert spielen die Hagener Philharmoniker zum Saisonauftakt. Warum der Solist das Publikum von den Stühlen reißt.
Beethovens einziges Violinkonzert bleibt ein musikalisches Wunderwerk, das immer wieder neue Interpretationsansätze herausfordert. Beim 1. Sinfoniekonzert der Saison wird das Publikum Teil einer beglückenden Deutung durch die Hagener Philharmoniker und den wunderbaren Geiger Noah Bendix-Balgley. Die Besucher feiern den Solisten mit begeistertem Beifall im Stehen.
Dabei fängt das Stück einigermaßen holprig an. Generalmusikdirektor Joseph Trafton will zu sehr kontrollieren, nimmt das Tempo entsprechend zu langsam, der Klang bleibt in der Folge spröde und der Rhythmus flach, da Trafton die schnellen, vorwärtstreibenden Sequenzen nicht als Motor der Entwicklung anlegt, sondern verschleppt. Doch mit dem Einsatz des Solisten ändert sich das Bild, und der Satz gewinnt Puls und Atem. Jetzt zahlt sich aus, dass die Trompeter und Hornisten auf Naturtoninstrumenten spielen. Denn Noah Bendix-Balgley, 1. Konzertmeister der Berliner Philharmoniker und weltweit gefragter Interpret, wählt einen transparenten, klaren Strich, der die Geige stets als Teil des Orchestergewebes begreift. So entstehen herrliche Stellen des gemeinsamen Musizierens im Tonstärkespektrum des Leisen und noch Leiseren. An der gespannten Stille in der Hagener Stadthalle merkt man, wie bewusst dem Publikum wird, dass auf der Bühne etwas Außergewöhnliches passiert.
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Mit seiner großen Kadenz eröffnet der Solist einen neuen Interpretationsraum des Violinkonzertes, denn diese Kadenz ist nicht nur hochvirtuos, sondern auch politisch. Sie verbindet Klagelied mit Bekenntnismusik. Vor diesem Hintergrund lässt sich das bestimmende Paukenmotiv des Satzes neu deuten; nicht nur als revolutionäres Aufbruchssignal, sondern als stets gegenwärtiges Trauerelement. Im langsamen Satz verstärkt sich das gemeinsame Zusammenspiel zu einem intim-kammermusikalischen Dialog zwischen Geige und den gezupften Streichinstrumenten. Im tänzerischen Finale wird dieser Dialog zur Nervenprobe für den Solohornisten auf seinem Naturtoninstrument.
Zwei Klezmer-Zugaben
Das Publikum ist derart begeistert, dass sich Noah Bendix-Balgley mit einer Zugabe bedankt, zwei traditionellen Klezmer-Melodien auf der Geige, die zweite auch mit Gesangseinlage.
Beethovens Violinkonzert ist ein so präsentes Opus, dass die begleitenden Stücke des Programms in der Wahrnehmung verschwinden, kaum, dass sie gespielt wurden. Das gilt für die ultrakurze Fanfare für Blechbläser und Schlagzeug von Anders Hillborg ebenso wie für Franz Berwalds Fantasiestück „Ernste und heitere Grillen“.
Die Sinfonie Nr. 5 von Jean Sibelius ist dann das Kontraststück zum Beethoven. Denn der finnische Komponist arbeitet in dem populären Werk nicht mit Techniken der Motiventwicklung wie Beethoven, sondern er erzeugt atmosphärische Klangteppiche, die schon fast impressionistisch anmuten. Joseph Trafton malt hier mit Orchesterfarben, und die Philharmoniker folgen ihm mit Konzentration und Freude. So gibt es Zwischenapplaus für den ersten Satz mit seinem einleitenden Hornmotiv und den tänzerischen Elementen. Im langsamen Satz besticht eine wunderbare volkstümliche Passage, in der die Pizzikato-Streicher zu Melodien der Holzbläser die Kantele imitieren, eine finnische Streichzither und das zentrale Instrument in der Volksmusik des Landes.
Und das Finale besticht mit seiner berühmten Schwanenhymne, die Joseph Trafton mit den glänzend aufgelegten Philharmonikern zu einer in weiten Bögen ausholenden, majestätisch aufsteigenden Bewegung formt. Das glückliche Publikum bedankt sich mit Bravo-Rufen.
Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie spielt das Philharmonische Orchester Hagen am Donnerstag, 3. Oktober, zum Tag der Deutschen Einheit. Das Konzert unter der Leitung von GMD Joseph Trafton beginnt um 18 Uhr im Theater Hagen. Karten: 02331 / 2073218 oder www.theaterhagen.de