Arnsberg. Zugang zu Wasser, Klimawandel: Was hat das mit Kunst zu tun? Junge internationale Künstler stellen in Arnsberg Sümpfe ins Zentrum.

Als Ökotop ist der Sumpf eine Zwischenwelt. Mal nass, mal trocken, immer in Verwandlung begriffen. Früher erbarmungslos bekämpft, gelten Feuchtgebiete heute unter dem Stichwort Schwammstadt als Verbündete gegen den Klimawandel. Für den Kunstverein Arnsberg werden sie jetzt zur Projektionsfläche spannender Auseinandersetzungen. Unter dem Stichwort Versumpfung lässt die Einrichtung bis 2026 in einer Serie von Ausstellungen junge internationale Künstler zu Wort kommen, die an der Schnittstelle von Kunst, Spiritualität und Klimaforschung arbeiten.

„Die Idee dahinter ist, dass wir gleichzeitig in die Zukunft schauen und in die Vergangenheit. Versumpfung ist so ein tolles Wort. Es beschreibt einen Zustand zwischen Land und Wasser und eine Spiegelung von sich selbst und der Gesellschaft“, erläutert Pauline Doutreluingne das Konzept. Die junge Belgierin ist die Kuratorin des Kunstvereins Arnsberg und bekannt für ihre außergewöhnlichen Ideen, die der Kunst neue Räume erschließen. In Berlin hat sie zum Beispiel das ehemalige Regenrückhaltebecken des Flughafens Tempelhof in eine begehbare Science-Fiction-Szenerie verwandelt, bei der die Besucher in Gummistiefeln von Kunstwerk zu Kunstwerk waten konnten.

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Pauline Doutreluingne unterrichtet an der Weissensee Kunsthochschule Berlin Raumstrategien, ein Schwerpunkt liegt auf dem ländlichen Raum. „Bevor die Römer gekommen sind, hatten die Germanen das Wissen, wie man im Moor überlebt und mit dem Moor lebt. Die römischen Geschichtsschreiber haben das tabuisiert, das ist ein Phantomschmerz in unseren Genen. Dieses Wissen ist noch verankert, es muss ausgegraben werden“, sagt sie. Der Sumpf ist nicht nur ein naturwissenschaftliches Thema. Seine Geheimnisse spielen in Mythen, Legenden und immer wieder in der Literatur eine große Rolle vom Irrlicht in Gothes „Faust“ bis zur Ballade „Der Knabe im Moor“ von Annette von Droste-Hülshoff.

Pauline Doutreluingne bringt als junge Kuratorin den Kunstverein Arnsberg voran.

„Unsere Versumpfung ist eine optimistische Geschichte, das Projekt geht nicht nur über Zerstörung, sondern vor allem über Resilienz.“

Pauline Doutreluingne, Kuratorin Kunstverein Arnsberg

Für das Projekt „Versumpfung“ hat Pauline Doutreluingne internationale Künstler eingeladen. Darunter ist die chilenische Ethnobotanikerin, Aktivistin und Künstlerin Patricia Domínguez. „Sie hat eine wunderbare Installation über die Ballade der trockenen Meerjungfrau geschaffen. Sie arbeitet in Südamerika mit einer Gruppe von Frauen über den Zugang zu Flüssen und Wasserressourcen.“ Maja-Überlieferungen spielen im Schaffen von Patricia Domínguez ebenfalls eine Rolle. „Dieses uralte Wissen verbindet sie mit neuen medialen Bildvorstellungen.“

Die Biographie des Flusses

Der Prolog zum Versumpfungs-Projekt erfolgte bereits im Juni im Lichthaus Arnsberg. Das schwedische Künstler-Duo Lundahl & Seitl hat unter dem Titel „River Biographies“ die Arnsberger Ruhr in einer Performance erforscht, bei der die Besucher mitmachen konnten. Im April 2025 geht es weiter mit dem brasilianischen Künstler Adriano Ameral, der die Materialität von Erde und Wasser untersucht und daraus besondere skulpturale Wesen erschafft. „Er wird im Kunstverein eine hybride Rauminstallation gestalten“, so Pauline Doutreluingne erwartungsvoll.

Das Künstlerduo Elise Eeraerts & Roberto Aparicio Ronda zeigt beim Projekt Versumpfung im Kunstverein Arnsberg die Rauminstallation „Like Snakes“ zum Klimaforschungsprojekt Kirkpatrick Swamp in den USA.  Das Foto ist eine Installationsaufnahme der Ausstellung Like snakes, the roots of trees, coil themselves from rock and sand  2023 im Studio STUK Manhattan, Belgien.
Das Künstlerduo Elise Eeraerts & Roberto Aparicio Ronda zeigt beim Projekt Versumpfung im Kunstverein Arnsberg die Rauminstallation „Like Snakes“ zum Klimaforschungsprojekt Kirkpatrick Swamp in den USA. Das Foto ist eine Installationsaufnahme der Ausstellung Like snakes, the roots of trees, coil themselves from rock and sand 2023 im Studio STUK Manhattan, Belgien. © Kunstverein Arnsberg | Kunstverein Arnsberg

Bei einem großen Symposion Anfang Juli 2025 treffen sich Wissenschaftler, Künstler und Studierende unter dem Titel „Sumpfgebiete für die Zukunft“. Auf einen Gast freut sich Pauline Doutreluingne jetzt schon: Vlado Velkov, der langjährige frühere Kurator des Kunstvereins Arnsberg, kommt dazu. „Er hat darüber gearbeitet, wie man Ausstellungen auf dem Wasser machen kann.“

Goethes Irrlicht

Mephisto ruft in Goethes „Faust“ im Sumpf ein Irrlicht. Diese Szene nimmt das belgische Künstlerduo Elise Eeraerts und Roberto Aparicio Ronda zum Leitwort für die sinnliche Rauminstallation „Like Snakes“, welche erfahrbar machen will, wie der Sumpf riecht und wie man auf dem schwankenden Boden läuft. Die Künstler haben Studien im Kirkpatrick-Marsh in den USA gemacht, einem Gezeiten-Sumpf, der als Forschungsprojekt zu globalen Veränderungen in Feuchtgebieten ausgewiesen ist. Zum Abschluss der „Versumpfung“ geht es daher um die Reflektion der Herausforderungen des Klimawandels im Spiegel der Kultur: „Und die Wurzeln wie die Schlangen winden sich um Fels und Sande“, heißt es bei Goethe, um die Zwischenwelt des Sumpfes zu beschreiben.

Pauline Doutreluingne: „Kunst handelt vom Leben und davon, was uns ausmacht. Es ist die Aufgabe von Kunst, solche Themen zu reflektieren.“ Das Projekt wird großzügig gefördert, unter anderem von der Stiftung Kunstfonds Bonn und der Kulturstiftung des Landschafts-Verbandes Westfalen-Lippe im 1250-Jahr-Jubiläum  der Region Westfalen. Denn auch Westfalen war einmal Meer, dann Feuchtgebiet, und Pauline Doutreluingne weiß: „Ein Sumpf, der einmal vorhanden war, ist nie ganz weg. Unsere Versumpfung ist eine optimistische Geschichte, das Projekt geht nicht nur über Zerstörung, sondern vor allem über Resilienz.“

www.kunstverein-arnsberg.de