Lüdenscheid. Die Sperrung der A 45 sorgt für Chaos auf den Straßen in Lüdenscheid. Jetzt sollen Schilder helfen, die offiziell gar nicht zugelassen sind.

Wenn man so will, dann ist es ein Akt, aus dem auch amtliche Verzweiflung spricht. „Wir müssen angesichts des nicht abreißenden Verkehres einfach alles versuchen“, sagt Andreas Berg, Sprecher des Landesbetriebs Straßen-NRW. Es geht um zwei neue, kuriose Schilder, die seit einigen Tagen auf Lüdenscheider Stadtgebiet hängen. „NAVI aus!“, brüllt es die Verkehrsteilnehmer so sehr an, dass man fast noch eine unflätige Beleidigung erwarten könnte. Stattdessen: „U16 folgen“.

Unmissverständlich und mit Ausrufezeichen: Die Schilder sind eine Sonderanfertigung für Lüdenscheid.
Unmissverständlich und mit Ausrufezeichen: Die Schilder sind eine Sonderanfertigung für Lüdenscheid. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Zu dieser Ungewöhnlichkeit kommt es als Folge der Sperrung der Autobahn 45 wegen der einsturzgefährdeten Talbrücke Rahmede. Seit Dezember fließt ein großer Teil des Verkehrs durch Lüdenscheid: Noch immer täglich rund 6000 Lkw aus ganz Europa – und noch mehr Autos.

+++ Alles zur gesperrten A 45 auf wp.de/a45 +++

Vor allem die Lkw-Fahrer, die auf teure Spezialnavigation verzichten und stattdessen Google und dessen dynamischen Routenplaner anwerfen, fahren sich regelmäßig in Anliegerstraßen fest, wo sie – auch das ist schon passiert – aufgrund der Enge Gartenzäune niederwalzen oder ein Risiko im Umfeld von Schulen und Kindergärten sind. Selbst Forst- und Landwirtschaftswege sind nicht sicher vor den Auswärtigen.

Die Stadt Lüdenscheid hat die Aufstellung der Schilder nach Rücksprache mit der Kreispolizeibehörde und Straßen-NRW angeordnet. Je eines steht an den Ausfahrten, die die Verkehrsteilnehmer nutzen, um an der Rahmedetalbrücke vorbei zu kommen: Hinter der Ausfahrt Lüdenscheid aus Süden kommend, hinter der Ausfahrt Lüdenscheid-Nord von Norden kommend. Es ist der Appell: bleibt doch bitte alle auf der offiziellen Umleitung. Aber ein ungewöhnlicher.

Schilder-Sonderanfertigung

„Bei den Schildern handelt es sich um eine Sonderanfertigung für die Stadt Lüdenscheid, die gibt es nur einmal“, sagt Andreas Berg über Deutschlands wohl kurioseste Schilder. Es würden aber seit Jahren auch an anderen Stellen in Deutschland ähnliche Schilder eingesetzt, sagt die Stadt Lüdenscheid.

Aber geht das denn einfach so? Wir sind hier immer noch in Deutschland, dem Zuhause von Paragrafen und Vorschriften. „Eigentlich dürfen in Deutschland nur Straßenschilder aufgestellt werden, die der Straßenverkehrsordnung entsprechen. Das ist bei diesen Exemplaren, die nur einen ,erklärenden Charakter‘ haben, um ehrlich zu sein nicht der Fall“, sagt Andreas Berg von Straßen-NRW.

+++ Sperrung der A 45 kostet eine Million Euro - am Tag +++

Wo kämen wir da hin, wenn einfach irgendwelche Schilder aufgehängt würden? Fast bis nach Hagen zum Beispiel. 2019 fand dort eine ansehnliche Posse ihr Ende: Auch dort ging es um Lkw, die mit einem plakativen, aber inoffiziellen Schild („STOP – NO TRUCKS“) daran gehindert werden sollten, die engen Serpentinen in die Hagener Höhen zu nehmen. Betroffene Bürger und eine freie Wählergruppe setzten sich für die Schilder ein. Andernorts hatten sie schon jahrelang Erfolg, in der näheren Umgebung zum Beispiel in Werdohl, Schalksmühle und Remscheid. Doch die Hagener Verwaltung hatte mit ihren Fragen so viele Behörden in Aufruhr versetzt, dass die Bezirksregierung die für unzulässig erklärte: In Hagen durften sie folglich nicht hängen – und überall sonst auch nicht mehr.

Mehrjährige Posse: Dieses Schild durfte in Hagen nicht aufgehängt werden - und in anderen Städten dann auch nicht mehr.
Mehrjährige Posse: Dieses Schild durfte in Hagen nicht aufgehängt werden - und in anderen Städten dann auch nicht mehr. © WP | Unbekannt

Die Bezirksregierung in Arnsberg zeigt sich als übergeordnete Behörde im Lüdenscheider Fall aber zugänglicher: „Es gibt keine Rückfragen oder Anträge zu den Schildern, von daher ist das eine Regelung, die in der sehr besonderen Situation Sinn ergibt und daher akzeptiert ist“, heißt es aus Arnsberg.

Deutschlandweites Problem

Wie viel Sinn die Schilder ergeben, wird sich zeigen. Besser wäre noch, mit Anbietern wie Google Lösungen zu finden. Lüdenscheid könne, teilt die Stadt mit, „wenig ausrichten. Sowohl die Autobahn GmbH als auch das Verkehrsministerium sind in Kontakt mit Anbietern von Navigationshilfen und versuchen, eine Verbesserung der Situation zu erreichen“, ehe es fast resignierend heißt: „Allerdings ist es ja schon seit vielen Jahren deutschlandweit ein Problem, dass vor allem Lkw durch Navigationsgeräte auf Routen geleitet werden, die eigentlich nicht für sie geeignet sind. Daher ist es eher fraglich, ob sich hier eine schnelle Lösung erreichen lässt.“

<<< HINTERGRUND >>>

Im Sommer 2016 machte sich die freie Wählergemeinschaft Hagen-Aktiv erstmals für das gelbe Schild mit der schwarzen Hand („NO TRUCKS“) darauf stark. Was in Werdohl aber damals schon funktionierte, stieß auf Ablehnung bei der Stadt.

Das Bundesverkehrsministerium prüfte den Fall 2017 und entschied: darf in Hagen nicht aufgestellt werden. In anderen Städten standen sie aber doch. Deswegen entschied die Bezirksregierung Arnsberg im Januar 2019: In Hagen wird nicht nur kein Schild aufgestellt, sondern alle anderen werden abgebaut.