Altkreis Brilon. Im Heimat-Check bewerten Bürger das Gastronomie-Angebot. Wir haben dazu einen Gastronomie-Experten befragt und lassen Gastronomen zu Wort kommen.

Es ist vermutlich nicht ganz überraschend, dass Winterberg im Bereich Gastronomie die Top-Position im Altkreis holt. Die Note 1,77 ist zugleich Winterbergs beste im gesamten Heimatcheck – die Winterberger sind also in ihrer Stadt mit nichts anderem so zufrieden wie mit dem gastronomischen Angebot. Zugleich ist der Abstand zwischen den Städten in diesem Bereich besonders groß: Alle fünf anderen Altkreis-Kommunen haben unsere Leser mindestens eine halbe Note schlechter bewertet. Schlusslicht Marsberg kommt sogar nur auf eine 3,03.

Woran liegt es und wie ist die Lage in den Sauerländer Restaurants und Kneipen? Die WP befragt Dr. Wolfgang Henke, Hauptgeschäftsführer der Hauptgeschäftsstelle Hamm beim Branchenverband Dehoga. Henke wundert sich zwar zunächst, dass es im Gespräch nicht um Corona gehen soll, freut sich aber dann über die thematische Abwechslung.

Gastronomie und Tourismus

Dass Winterberg beim gastronomischen Angebot an der Spitze stehe, liege natürlich maßgeblich daran, dass es eine Touristenstadt sei. Die Entwicklung sei allerdings erheblich gewesen. „Vor 15, 20 Jahren dachte ich noch: Die Gegend hier ist ins Hintertreffen geraten.“ Doch seitdem habe sich viel verändert. „Die Innovationsfreude hat sich in dieser Zeit enorm weiterentwickelt, daran waren viele Akteure beteiligt.“ Als Startschüsse nennt er die Waltenberg-Unterführung und die Umgestaltung der Innenstadt. Winterberg habe verstanden, dass es weitgehend vom Tourismus lebe, und Trends erkannt. „Das gilt zum Beispiel für Medebach und Hallenberg aber auch.“ Unter solchen Bedingungen konnten der Tourismus und mit ihm die Gastronomie aufblühen. Auch Olsberg habe sich infrastrukturell weiterentwickelt.

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Offenheit, Innovationen, Tourismuskonzept und bessere Verkehrsanbindung

„Man kann zusammenfassen: Wer seine Gastronomen nicht ernährt, hat irgendwann keine mehr.“ Wenn zum Beispiel in einem Dorf eine Halle für Familienfeste zur Verfügung stehe, gehe das oft zulasten der Dorfkneipe. Die Wirte selbst sieht Henke aber auch in der Pflicht. „Eine gute Kneipe ist voll.“

Offenheit, Innovationen, klares Tourismuskonzept und bessere Verkehrsanbindung – alles zusammen habe dazu geführt, dass heute vor allem in Winterberg ein großer Mix von gastronomischen Betrieben in hoher Qualität ansässig sei. Zu alteingesessenen Familienunternehmen seien viele Quereinsteiger hinzugekommen. Quereinsteiger – ist was dran am Spruch „Wer nichts wird, wird Wirt?“ „Nein“, sagt der Dehoga-Vertreter. Einen Betrieb aufzubauen und zu führen sei mit hohen bürokratischen Anforderungen verbunden, zusätzlich brauche man Ehrgeiz und genug Kapital.

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Beim Blick in die Zukunft ist das Thema Corona dann doch nicht ganz auszuklammern. „Die Konsequenzen treffen uns nächstes Jahr“, meint Henke. Zwar würden wohl viele Menschen Urlaub im eigenen Land machen, daher liege möglicherweise ein guter Sommer vor den Sauerländer Wirten. Aber die Konjunkturflaute werde sich auswirken. „Ich rechne damit, dass noch nächstes Jahr Betriebe schließen.“ Der Tisch, der in der Krise leer geblieben sei, könne schließlich später nicht doppelt belegt werden. Die Struktur der hiesigen Betriebe helfe aber, die Krise durchzustehen. „Kleine und familiengeführte Betriebe halten länger durch als große Ketten.“ Und wenn sie doch in Schwierigkeiten geraten, sind nicht gleich hunderte Arbeitsplätze betroffen.

Das Personal

Damit genug zum Thema Corona. Wo liegen andere Probleme und Chancen der Sauerländer Gastronomie? Immer wieder taucht das Thema Personalmangel auf. Auch der Branchenverband sei in dieser Hinsicht aktiv: Noch in diesem Sommer soll ein eigens angeschafftes Fahrzeug in ganz Westfalen auf Tour gehen. Darin können zum Beispiel Schüler verschiedene Gastro-Ausbildungsberufe mithilfe einer 3D-Brille kennenlernen. Dass keine Fachkräfte-Massen ins Sauerland strömten, habe einfache Gründe. „Wanderjahre sind in diesen Jobs normal. Junge Absolventen brauchen die Nase im Wind. Irgendwann haben die London, Paris und die ganze Welt gesehen und wollen entsprechende Positionen bekleiden.“ Die gebe es nicht überall. Am ehesten entschieden sich Leute fürs Sauerland, die familiäre Bindungen dorthin hätten. Die Leute müssten eben zur Gegend passen. Das alte Klischee von der 60-Stunden-Woche mit Anschluss an die Wirtsfamilie passe aber nicht mehr. „So schlimm ist es nicht.“

Veränderungen für Gäste

Gibt es auch Veränderungen, von denen die Gäste etwas mitbekommen? „Ja. Die Frage: ,Hatten Sie reserviert?‘ werden sie in Zukunft öfter hören“, glaubt Henke. Oft reservierten Gäste in mehreren Restaurants gleichzeitig, besuchten aber nur eines. Die anderen Wirte schauten in die Röhre. Das müsse nicht so bleiben. Henke wünscht sich, dass Reservierungsgebühren normal werden.

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„Es gibt Apps, bei denen schon bei der Reservierung die Kreditkarte mit einer bestimmten Summe belastet wird.“ Wer zum Essen kommt, bekommt die Summe verrechnet. Wer den Wirt sitzen lässt, muss zahlen. Henke hofft, dass möglichst viele Gastronomen künftig auf solche Gebühren setzen. „Das wird kommen und nein, es verschreckt keine Kunden.“

>>> Das sagen die Gastronomen

Warum haben sie sich entschieden, ihren Betrieb im Sauerland aufzubauen und welche Erfahrungen machen sie damit? Die WP hat bei ein paar Restaurantbetreibern nachgefragt – dabei wurde das Thema Corona außen vor gelassen, da der Heimatcheck vor der Krise startete.

Berghotel und Big Mountain

„Wir haben uns zum Aufbau der Selbstständigkeit für Winterberg entschieden, weil es ein solider Standort ist, der sich gut entwickelt hat“, sagt Jörg Honekamp. Gemeinsam mit André Stielicke führt er seit vier Jahren das Berghotel Kahler Asten und seit gut sechs Jahren das Restaurant Big Mountain. Dass Winterberg seine Heimatstadt ist, habe zwar auch Gewicht gehabt: „Es gibt schon einen Heimvorteil, wenn man die Stadt und die Leute kennt.“ Der ausschlaggebende Punkt sei aber die Erwartung gewesen, hier einen gut laufenden Betrieb aufbauen zu können. Das liege maßgeblich an dem Wandel, den die Stadt vollzogen habe. „Vor 20 Jahren wäre es gewiss schwieriger gewesen.“

Schwarz-Brenner

Schon seit 2003 führt Marlies Hillebrand das Restaurant Schwarz-Brenner in Bredelar, mit angeschlossener Tennishalle und Kegelbahn. Zuvor habe sie in Brilon in der Gastronomie gearbeitet und sich dann die Halle in Bredelar angesehen, die zu verpachten war. „Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden. Die Entscheidung habe ich nicht bereut.“ Veränderungen gebe es aber schon: „Verglichen mit damals ist die Zahl der Essen schon etwas rückläufig – auch ohne Corona.“

Landgasthof Wüllner

Ein Mehrgenerationen-Betrieb ist der Landgasthof Wüllner in Altenfeld. Vor über 80 Jahren gegründet, wurde er immer wieder erweitert und dem Lauf der Zeit angepasst. „Im Jahr 2000 haben wir deutlich erweitert“, erzählt Katja Wüllner.

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„Wir hatten damals 30 Gästebetten, bekamen aber oft Anfragen von Busreisegruppen, für die das nicht reichte.“ Am Anfang seien sie als Betreiber die Einzigen gewesen, die an eine Erweiterung geglaubt hätten. Auch die Bank sei nicht begeistert gewesen. „Wir haben dann gesagt, wir ziehen das durch und wenn wir als Familie zusammenhalten, wird es klappen.“ Heute hat der Landgasthof deutlich mehr Zimmer, einen Saal für 150 Gäste und beschäftigt neben der Familie zwölf Mitarbeiter. Mit dem von den Vorfahren gewählten Standort seien sie weiterhin zufrieden. Manchmal wäre aber mehr Unterstützung seitens der Stadt schön. „Unsere Gäste zahlen zum Beispiel die volle Kurtaxe, haben aber in Altenfeld praktisch kein touristisches Angebot und nicht mal einen Bürgerbus. Das sorgt schon manchmal für Ärger“, sagt Katja Wüllner.

>>>HINTERGRUND<<<

Die Umfrage zum Heimat-Check haben wir geplant, als von der Corona-Krise und ihren Auswirkungen noch nichts zu spüren war.

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Und doch haben wir uns bewusst dazu entschlossen, Ihnen weiterhin die Möglichkeit zu geben, ihr Wohnumfeld zu benoten. Beim Heimat-Check handelt es sich um eine nicht-repräsentative Umfrage. Er soll ein Stimmungsbild wiedergeben. Laut Dr. Ana Moya, die für die Auswertung zuständige Statistik-Expertin, funktioniert das: „Der Heimat-Check liefert wegen der großen Beteiligung ein gutes Stimmungsbild. Es wurde darauf geachtet, dass in jedem Ort eine ausreichende Teilnehmerzahl erreicht wurde, um aufschlussreiche Aussagen treffen zu können.“Moya vermutet,dass unter den Teilnehmern diejenigen Personen in der Mehrzahl waren, für die ihr Ort eine eher wichtige Bedeutung hat. In diesem Fall fiele das Zeugnis bei einer repräsentativen Befragung wohl etwas anders aus als beim Heimat-Check.

Hier gibt es alle Teile des Heimat-Checks für den Altkreis Brilon.