Ruhrgebiet. Das neue Cannabis-Gesetz erlaubt die Droge, aber woher nehmen? Wer sich die Droge besorgt, tut immer noch Verbotenes.
Gerade ein paar Tage her, die Polizei in Duisburg schnüffelt: Das riecht doch hier nach Cannabis? Einen Spaziergänger umweht dieser süßlich-krautige Geruch, unverkennbar. Der 21-Jährige hat eine Metalldose mit Drogen dabei und daheim noch mehr davon. Kontrolle, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, das Strafverfahren läuft. Wie lange noch? Ab dem 1. April sind Besitz, Konsum und sogar der Anbau von Cannabis in Deutschland nicht mehr grundsätzlich verboten. Was das Cannabisgesetz (kurz CanG) wem und wo erlaubt.
Was geht?
So schreibt es tatsächlich das Bundesgesundheitsministerium selbst: „Ab Inkrafttreten am 1. April 2024 können Erwachsene in Deutschland legal einen Joint rauchen.“ Darin stecken in etwa 0,3 Gramm Cannabis, das heißt: Ein Gramm reicht für drei Joints. Da jeder Erwachsene bis zu 25 Gramm Cannabis bei sich tragen darf, käme er also auf eine theoretische Zahl von mehr als 80 „Tüten“. Bis zum Alter von 21 Jahren ist darin aber nur Cannabis mit einem THC-Gehalt bis zu zehn Prozent gestattet (normal sind 14 Prozent).
Wie viel darf jeder haben und woher?
Der Kauf oder die Einführung von Cannabis, etwa aus den Niederlanden, bleiben verboten. Das bedeutet, man darf zwar kiffen, aber keinen Stoff kaufen. Allerdings kann jeder Bürger für seinen eigenen Bedarf selbst anbauen: bis zu drei Pflanzen pro Person. Achtung: Das „pro Person“ ist wörtlich gemeint. Frau Müller darf keinesfalls die Pflanzen von Herrn Müller ernten oder davon konsumieren, auch das erwachsene Kind Müller hat nur Zugriff auf Blätter und Blüten vom eigenen Hanf. Jeder sein eigenes Kraut! Jede Einzelperson darf insgesamt 50 Gramm getrocknetes Material besitzen und nur zum Eigenkonsum (nicht, dass Mama und Papa beim Nachwuchs mitrauchen!). Weil es aber dauert, bis die erste Ernte soweit ist, bleibt der Joint vorerst und rein moralisch eine illegale Sache: Man muss ihn ja irgendwoher beziehen, und das ist nach dem Gesetz nicht erlaubt.
Alles, was über die erlaubte Menge hinausgeht – und schon der Ertrag einer einzige Pflanze kann das Limit erreichen – ist ohnehin „unverzüglich und vollständig zu vernichten“. Wie man das „rechtskräftig“ macht, verbrennen, in den Müll werfen..., ist laut Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands aus Remscheid, „noch nicht geklärt“. Klar aber ist, dass niemand anders dran darf, schon gar nicht ein Kind. CanG fordert „geeignete Sicherheitsvorkehrungen“, um Cannabis, seine Pflanzen und Samen vor dem Zugriff durch Kinder, Jugendliche und Dritte zu schützen. Empfohlen werden abschließbare Räume, Schränke, für den Garten ein mechanisch verschließbarer Zaun.
Was sind diese Anbauvereinigungen?
Sie sind erst ab dem 1. Juli erlaubt. Anbauvereinigungen sind eingetragene Vereine, in denen bis zu 500 erwachsene Mitglieder gemeinsam Cannabis anbauen und Samen weitergeben dürfen. Sie müssen eine Erlaubnis der Behörden beantragen. Mitglieder müssen mindestens drei Monate dabei sein und ihren Wohnsitz seit sechs Monaten in Deutschland haben. Nicht nur im Ruhrgebiet haben sich bereits in den vergangenen zwei Jahren viele solcher Cannabis-Clubs gegründet, etwa in Gelsenkirchen, Bochum, Bottrop, Herten und Duisburg. Auch in Düsseldorf haben sich vielfach Menschen längst zusammengetan.
Wo darf ich anbauen?
Jeder darf laut Gesetz an seinem „Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt“ anbauen. Das heißt, in der eigenen Wohnung oder im Garten dahinter. Allerdings sind „unzumutbare Störungen für die Nachbarschaft“ zu vermeiden, wozu auch „Geruchsbelästigungen“ gehören. Ob Kleingärten zum „gewöhnlichen Aufenthalt“ zählen, darüber herrscht auch im Ruhrgebiet noch Uneinigkeit. Das Bundeskleingartengesetz sagt, die Laube ist keine Wohnung. Es gibt aber alte Gärten, die nach dem Krieg als solche genutzt wurden – dürfen Cannabispflanzen dort also wachsen? In Essen fragen die Gärtner das Umweltdezernat, in Bottrop glauben sie an ein Verbot, in Mülheim haben Gegner auf das Verbot eine interessante Sicht: „Die Gärten sind zum Vergnügen da.“ Kaum einer möchte, dass neben Blumen, Gurken und Tomaten demnächst Drogen ins Kraut schießen. Und viele fürchten Einbrecher, die hinterm Jägerzaun danach suchen.
Wo darf ich rauchen?
Nicht in unmittelbarer Nähe von Menschen unter 18. Nicht in Sichtweite von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie öffentlichen Sportstätten – wobei mit „Sichtweite“ ein Abstand von bis zu 100 Metern gemeint ist. Nicht in der Fußgängerzone, jedenfalls nicht zwischen 7 und 20 Uhr. Das führt dazu, dass gerade in Großstädten weite Teile dicht besiedelter Viertel für Kiffer tabu bleiben. Auf einer interaktiven Karte dieser Zeitung kann man nachsehen, wo der Joint erlaubt ist.
Nicht gestattet ist er jedenfalls in und in der Nähe der Anbauvereinigungen. Dass man nicht konsumieren darf, wo sich Menschen mit Cannabis beschäftigen, hält nicht nur Georg Wurth für „albern“: „Das wäre, als würde man Hobbybrauern verbieten, in ihrem gemeinsamen Braukeller Bier zu trinken.“
Kann ich den Stoff auch kaufen?
Auf keinen Fall, das bleibt eine Straftat. Dealen ist verboten, ebenfalls die Einfuhr aus Ländern wie den Niederlanden. Durch den eigenen Anbau will der Gesetzgeber den kriminellen Schwarzmarkt ja gerade austrocknen. Die kommerzielle Seite will er erst später regeln. Der Deutsche Hanfverband kritisiert diese Verzögerung: Man brauche seriöse Fachgeschäfte, in denen Erwachsene Cannabis erwerben könnten, „mit legalem Zugang und Qualitätskontrollen“, sagt Geschäftsführer Wurth.
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Cannabis am Steuer, darf man das?
Wer berauscht Auto fährt, wird ähnlich bestraft wie jemand, der Alkohol getrunken hat. Noch nicht geregelt ist indes der THC-Grenzwert: Die psychoaktive Wirkung des Cannabis lässt schneller nach als der Promillewert, lässt sich im Blut allerdings noch länger nachweisen. Erst am 28. März legte ein Expertenrat eine Empfehlung vor: 3,5 Nanogramm je Milliliter Blutserum statt wie bisher 1 Nanogramm sollen gelten, vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. Einzelne Politiker aber winkten sofort ab: Ob die Legalisierung von Cannabis wichtiger sei als die Verkehrssicherheit? Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat hatte sich zuvor klar geäußert: „Wer kifft, fährt nicht.“ Die Politik muss entscheiden.
Wie wird das alles kontrolliert?
Das ist eine der großen Fragen. Die Polizeigewerkschaft GdP hält das CanG für einen „Schnellschuss“ und für „nicht umsetzbar“. Wer sieht zu Hause nach, ob jeder auch wirklich nur 50 Gramm hinter Schloss und Riegel hat? Brauchen Ordnungshüter jetzt eine Feinwaage, um die 25 Gramm unterwegs abzuwiegen? Jedenfalls müsste bei Kontrollen jeder seine eigene Zucht herzeigen können. Mit einer Hausdurchsuchung aber ist eher nicht zu rechnen: Kiffen, Anbauen, Besitzen sind ja allesamt keine Straftaten mehr.
Was also wäre ein Anlass für einen Verdacht? Auf der Straße jedenfalls muss die Polizei Menschen wie den Duisburger Spaziergänger nicht mehr stoppen. Zudem spielt die Frage „Woher haben Sie den Stoff?“ keine Rolle mehr. Hat jemand indes mehr als 30 Gramm Gras dabei bzw. 60 Gramm daheim (und wird erwischt), macht er sich weiterhin strafbar. In allen anderen Fällen geht es „nur“ um eine Ordnungswidrigkeit, dafür wäre das Ordnungsamt zuständig.
Auch die Justiz erwartet einen größeren Arbeitsaufwand: Was passiert mit laufenden Verfahren, wenn Cannabis von einem Tag auf den anderen nicht mehr verboten ist? Andererseits könnte die Zahl neuer Strafverfahren sinken. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte können also abarbeiten, was vor dem 1. April 2024 angezeigt worden ist. Bagatelldelikte dürften dann eingestellt, bei Geldstrafen bereits begonnene Ratenzahlungen gestoppt und Vorstrafen im Bereich der nun geltenden Grenzwerte gelöscht werden. Wer aber künftig gegen das Betäubungsmittelgesetz verstößt, muss mit einer erhöhten Strafe rechnen: Ab sofort drohen mindestens zwei Jahre Haft.
Wie schwierig die Sache ist, zeigt ein Fall aus Essen, wo ein Wirt zum Tag der Legalisierung zum „Smoke in“ lädt. Die Polizei genehmigte die Veranstaltung – verbot aber das gemeinsame Rauchen. Letztlich findet aber sogar der Deutsche Hanfverband das Cannabisgesetz „überbürokratisiert“, stellenweise sogar „paranoid“. Geschäftsführer Wurth spricht von „Signalpolitik“. Insgesamt handle der Gesetzgeber nach dem Prinzip: „Wir liberalisieren, aber sind trotzdem ganz streng.“