Hagen. Wie steht es um die Lachkultur der Deutschen in schwierigen Zeiten? Ist der Humor auch so gespalten wie die Gesellschaft insgesamt?
Der Narr ist nicht wehrlos. Denn beim Lachen zeigt er die Zähne. Über die Karnevalstage wird der Humor wieder als Vielheilmittel für Plagen und Sorgen gefeiert. Doch wie ist es tatsächlich bestellt um die deutsche oder westliche Lachkultur?
Lachen gilt als befreiend. Mit Humor überwindet man Ängste und stutzt riesengroße Probleme wieder auf ein bewältigbares Maß zurecht. Eine Gruppe muss zusammen lachen können, um zu einer Gemeinschaft zu werden. Soweit die Erkenntnisse der Forschung.
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Doch funktioniert das heute noch so? Oder manifestiert sich die Spaltung der Gesellschaft in einem Prozess, den man als Versauertopfung beschreiben könnte?
Tatsache ist, dass das Lachen ebenso häufig, wie es Gemeinschaft stiftet, eine ausgrenzende Funktion hatte und hat. Witze auf Kosten von anderen sind für die Betroffenen alles andere als lustig. Gleichzeitig ist es eine Funktion von Humor, Grenzen zu überschreiten und Tabus zu brechen. Das ist ein schmaler Grat, der immer wieder neu ausbalanciert werden muss und heute ganz besonders. Denn die verbale Grenzüberschreitung ist nicht mehr das Spielfeld von Büttenrednern, sondern der rechtsradikalen Denkfabriken, die damit Unsagbares in die Mitte der Gesellschaft bringen wollen. Gleichzeitig verpönen neupuritanische Sprachpolizisten humoristisch-gelassene Blicke auf die Kapriolen des Zeitgeistes ebenfalls mit Verbissenheit.
Viele Kabarettisten haben sich in diesem Minenfeld auf die eine oder andere Seite zurückgezogen und ein gespaltenes Publikum hinter sich versammelt. Ist Dieter Nuhr nun das Sprachrohr der weißen alten Männer oder die Brille, welche die Fortschrittsfraktionen dringend nötig haben? Vom Büttenredner wird erwartet, dass er die aktuellen Stammtisch- und Schenkelklopf-Klischees genüsslich aus der Tasche zieht und das Publikum in der Vorfreude wiehern lässt, dass nun Klimaaktivisten und Genderbefürworter ihr Fett wegkriegen, um dann den Spieß völlig unerwartet umzudrehen. Solche Humoristen sind aber selten.
Mir selbst haben die Krisen, Konflikte und Kulturkämpfe der vergangenen Jahre den Humor ziemlich verschlissen. Dabei war ich früher immer so fröhlich. Bei Freunden und Familie sieht es ähnlich aus. Das muss sich dringend ändern. Der Punkt ist ja nicht, dass man über seine Mitmenschen Witze macht, sondern dass man sich in seiner ganzen Wichtigtuerei öfter mal selbst bespiegelt. Da kommt man schon ins Lachen.