Münster. Nach den Treckerdemos in NRW: Worum es den Landwirten in Südwestfalen wirklich geht und warum sie Verlässlichkeit brauchen.
Es war sicher die mächtigste Demonstration der jüngeren Vergangenheit, zu der sich Nordrhein-Westfalens Bauern am Montag erhoben hatten. Die überwältigende Zahl von rund 20.000 Landwirtinnen und Landwirten auf insgesamt 15.000 Treckern war unterwegs. Ein riesiger Erfolg, einerseits - aber den Organisatoren der Protestwoche beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) ist nicht nur zum Jubeln zumute.
Trittbrettfahrer am Trecker nicht erwünscht
Die Sorge vor Trittbrettfahren am Trecker beschäftigt den WLV-Präsidenten Hubertus Beringmeier, der sich mehrfach „aufs Schärfste“ von Rechtsradikalen, Leuten mit Umsturzphantasien oder Gewaltbereiten distanzierte - und von Leuten aus den eigenen Reihen, die heutzutage nicht immer den Verband um Erlaubnis fragen, was sie tun oder lassen sollen, wie sich am Dienstagmorgen an der A45 Autobahnabfahrt Haiger/Burbach zeigte, die unangemeldet blockiert wurde.
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Die Protestwelle schlug in den vergangenen Tagen bekanntlich so hoch, dass eine Nordseefähre mit dem bundesdeutschen Vizekanzler Robert Habeck (Die Grünen) vor der Küste Nordfrieslands vorsichtshalber beidrehte. Dass Habeck bei der überwiegend konservativen Bauernschaft nicht landen kann, ist das eine. Eine solche Bedrohung als Reaktion auf Regierungshandeln sei aber ohne Wenn und Aber ein „No go“ und auch „eine Ampel am Galgen geht gar nicht“, betonte Beringmeier beim traditionellen Treffen mit Medienvertretern auf Gut Havichhorst in Münster, wo es eigentlich um Tierwohl und mehr Naturschutz in der Landwirtschaft, das für Südwestfalen wichtige Mittelgebirgsprogramm oder den Wolf gehen sollte, dann aber auch darum, die Wogen zu glätten.
Stimmung schlechter als die Lage
Der Protest auf nordrhein-westfälischen Straßen bestimmt dieser Tage die Diskussion. Der Ton auf der Straße ist dabei ruppig, auch die politischen Botschaften in Richtung Bundesregierung mitunter vergiftet, wie etwa von der Solo-Sahra Wagenknecht, die werbewirksam zum Start ihrer neuen Partei von „Unfähigkeit der Ampel“ spricht.
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Dass CDU-Politiker die Gemütslage der Landwirte anfeuern und wie NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen oder Oppositionsführer Friedrich Merz die komplette Rücknahme der Sparbeschlüsse im Agrarbereich fordern, scheint Wasser auf die Mühlen der Protestler zu sein. Doch der Schein könnte trügen. Was die Bauern betrifft, haben die keineswegs vergessen, wer in den vergangenen Jahrzehnten für die Landwirtschaftspolitik verantwortlich war - und dass das Höfesterben weit vor der sogenannten Ampel-Regierung begonnen hat. „Die Stimmung auf den mehr als 23.000 Höfen in NRW ist schlechter als die eigentliche Situation, weil es keine Verlässlichkeit gibt“, erklärt Beringmeier, wo es wirklich hake.
Gespräche mit Landesumweltminister
Offiziell bleibt es auch für den WLV bei der Forderung der Bauern, die Sparbeschlüsse zurückzudrehen. Ginge es den Landwirten allein um die Kfz-Steuerbefreiung und vergünstigten Agrardiesel, wären nach Einschätzung des WLV-Präsidenten aber kaum 15.000 Trecker auf den Straßen gewesen. Erst in Summe mit den Themen wie der Düngeverordnung, veränderten Umsatzsteuer-Pauschalen oder dem Hickhack bei der Tierhaltung, wo Stallumbauten und Umweltrecht gerade in NRW nicht zueinander passen, sagt Beringmeier: „Am Ende brauchen wir eine Lösung für die nächsten Jahre. Die Landwirtschaft braucht mehr Planungssicherheit.“
Darüber wollen die Bauern reden. „Dr. Robert Habecks Gesprächsbereitschaft finde ich gut“, lobt WLV-Präsident Beringmeier. Am Mittwoch dieser Woche setzt sich der Verbandsvorstand mit Habecks Parteikollegen, Landesumweltminister Oliver Krischer, zusammen, um über die besondere Situation beim Landesumweltrecht zu diskutieren. Aus Sicht der Landwirte eine Hürde beim Ausbau der Ställe für mehr Tierwohl. „NRW hat als einziges Bundesland einen Bio-Aerosol-Erlass“, kritisiert Beringmeier. Der verhindert offenbar, dass Schweine & Co in modernen Stallanlagen an die frische Luft kommen und endlich die Sonne sehen.
Der Wolf muss weg
Dass geredet wird, bestätigt Krischers Pressestelle in Düsseldorf, worüber genau, darüber herrscht Stillschweigen aus dem Ministerium. Vielleicht wird ganz nebenbei auch über den Wolf in Südwestfalen geredet, eines der Themen, über das die Experten auf Gut Havichhorst eigentlich viel ausführlicher hätten sprechen wollen, und das aus Sicht des WLV-Vizepräsidenten Henner Braach aus dem Siegerland schleunigst abgeräumt werden muss. In Mittelgebirgsregionen wie Sauer- und Siegerland könne man die Weiden nicht alle einzäunen, Weidehaltung sei aber für die gewünschte Biodiversität auf Grünland besonders gut: „Das Problem löst sich nicht von alleine, hier muss wirklich schnell aktiv eingegriffen werden“, sagt der Siegerländer Landwirt Braach.