Gedanken zum Jahreswechsel: Zwei Kriege prägen das Bewusstsein, dabei würden wir so gern hoffnungsvoll nach vorn schauen.

Am Ende dieses Jahres blicken wir zurück auf ein Friedensfest in Kriegszeiten. Die Gesellschaft ist erschöpft. Seit Annalena Baerbock davon sprach, dass Deutschland in einer anderen Welt aufgewacht sei, sind fast zwei Jahre vergangen. Aus dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist ein Stellungskrieg geworden - eine Routine der Grausamkeit. Und im Nahen Osten eskalierte am 7. Oktober der Hass der Hamas in einem unmenschlichen, terroristischen Überfall auf Israel. Die Reaktion ist ein militärischer Gegenschlag in Gaza, der kaum Rücksicht nimmt auf die dortige Zivilbevölkerung. Und deshalb fühlt sich die militärische Lage, in die Europa geraten ist, so an, als hätte sich unsere Welt verdunkelt. Dabei würden wir doch so gern hoffnungsvoll nach vorn blicken.

Kriege werden Deutschland weiter fordern

Gleichwohl gehen wir ins neue Jahr mit dem Bewusstsein, dass die beiden Kriege Deutschland weiterhin fordern werden. In einer Phase, in der die europäische Sicherheitsordnung auf dem Prüfstand steht, geht es auch um die Schutzmacht-Rolle der USA. Joe Biden muss sich in Washington rechtfertigen und massiv um weitere Unterstützungs-Zahlungen für die Ukraine werben. Mehr bleibt ihm nicht. Derweil mag man sich gar nicht vorstellen, welche Großmacht-Phantasien ein russischer Staatschef Putin entwickeln könnte, sollte er die Ukraine und in gewisser Weise auch die westlichen Unterstützer in die Knie zwingen.

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Ja, es braucht in diesen Tagen schon ein besonderes Gemüt, um Optimismus zu wagen. Gleichwohl lohnt sich eine positive Grundhaltung, weil die Gegenwart bei genauem Hinsehen eigentlich immer besser ist, als sie von vielen wahrgenommen wird. Selbst das folgenschwere Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Schuldenbremse wird nicht dazu führen, dass Deutschland seine Zukunft verspielt. Im Gegenteil: Der Karlsruhe-Schock ist Anlass, um die Selbstverständlichkeit der politischen Ausgabenwünsche dreier Koalitionspartner zu überdenken, ohne die dringend notwendigen Investitionen in Infrastruktur, Klima und Bildung aus dem Auge zu verlieren. Es ist richtig, darüber zu streiten, wo gespart werden kann, welche Subventionen nötig sind und wo Steuern erhöht werden sollen. Unabhängig davon stellen wir fest, dass im Ausland Klima-Investitionen im großen Stil fließen, um den Umbau der Wirtschaft anzukurbeln und der nachwachsenden Generation mit eben diesem Handeln eine Perspektive zu bieten.

Probleme dieser Zeit zu komplex für finale Lösungen

Vielleicht ist es genau das: Wir müssen akzeptieren, dass die Probleme dieser Zeit so komplex sind, dass sie nicht final gelöst werden können. Deshalb wollen wir die politisch Handelnden daran messen, wie sie die vielfältigen Herausforderungen angehen. Wie sie um die beste Lösung ringen, wie sie auf neue Lagen reagieren und alte Pläne überarbeiten – aber auch, wie sie ihre Politik erklären. Das ist anstrengend, zugegeben. Aber es wird das einzige Mittel gegen diejenigen sein, die mit einfachen Wahrheiten daherkommen, um am Ende Zugriff auf die staatlichen Institutionen zu bekommen. Das, was diese Demagogen einen „Umbau des Systems“ nennen, ist in Wahrheit ein Angriff auf die Demokratie.

Deshalb lohnt es sich, wachsam zu sein und entschlossen, wenn es um unsere Freiheit geht, um die Verfassung und den Rechtsstaat. Denn ein perspektivisch verengter, von nationalen Egoismen geleiteter Staat ist ganz sicher nicht die richtige Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen. Statt in den Chor der Unzufriedenen einzustimmen, wollen wir feststellen, dass in Deutschland vieles gut funktioniert, manches gar exzellent – anderes muss verbessert werden. Und deshalb bedeutet Zuversicht in diesen Tagen vielleicht: auf die Möglichkeit zu vertrauen, gemeinsam die Wirklichkeit zum Guten wenden zu können.