Attendorn. Anna Schmitz (22) beendet im Sommer ihr Studium. Beim Familienunternehmen-Karrieretag merkt sie: Ihre Jobchancen sind gut.
Anna Schmitz hat es in die Top 650 geschafft. Die 22 Jahre alte Sauerländerin gehört zu den 650 Fach- und Führungskräften von morgen, die am „Karrieretag Familienunternehmen“ beim Weltmarktführer der Installationsbranche Viega in Attendorn teilnehmen dürfen.
Die „akkreditierte Kandidatin“, so ihre offizielle Bezeichnung an diesem Schnuppertag in die Welt der Inhaber-geführten Unternehmen, hat Lebensläufe in Papierform in ihrer Handtasche, als sie am Freitagmorgen staunend die Räume des Schulungszentrums Viega World betritt: „sehr stylisch, modern und strukturiert“, so ihr erster Eindruck von den Örtlichkeiten des Karrieretages. Wenn man so will, sind das auch Beschreibungen für ein perfektes Arbeitsumfeld für von Unternehmen händeringend gesuchte Talente.
Die junge Frau aus Finnentrop-Heggen studiert International Business and Management an der Hochschule Bochum. Die vorlesungsfreie Woche während ihres Auslandssemesters in Manchester hat sie zu einem Besuch in der Heimat genutzt. Das Sauerland soll nach dem Ende ihres Studiums im kommenden Sommer ihr Wohnsitz sein. „Ich bin sehr heimatverbunden“, sagt Anna Schmitz, „Großstadt ist nichts für mich. Ich will im Sauerland bleiben.“
Werbung in eigener Sache
Da trifft es sich gut, dass sich die zahlreichen Weltmarktführer in Südwestfalen in Zeiten des Fachkräftemangels um qualifizierten Nachwuchs geradezu reißen und auch auf Veranstaltungen wie dem Karrieretag Werbung in eigener Sache machen können. „Ich hoffe, dass ich am Arbeitsmarkt begehrt bin“, sagt die derzeitige Wahl-Britin in bestem Understatement.
Ihr Berufswunsch ist ein Job im Bereich Personalmarketing, wo es unter anderem um die Gewinnung neuer Mitarbeitende geht. Den Tag in der Viega World nutzt Anna Schmitz zum „Networken“ in terminierten Einzelgesprächen mit Unternehmensentscheidern und beim Messerundgang an den Präsentationsständen. „Wenn ich mir frühzeitig ein Kontaktnetzwerk aufbaue“, sagt sie, „hilft mir das auch bei der Jobsuche.“
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Anna Schmitz würde gerne ihre beruflichen Zelte bei einem heimischen Familienunternehmen aufschlagen. „Der Name sagt es schon“, so die Sauerländerin: „familiär“. Größer sei nicht zwangsläufig besser, sagt sie und meint damit zum Beispiel DAX-Unternehmen - „da wäre ich nur eine von 500.000.“
Gute Karrierechancen als großes Plus
Das Plus vieler Familienunternehmen sieht sie in flachen Hierarchien, einem guten Betriebsklima, langfristigen Perspektiven sowie positiven Entwicklungs- und Karrierechancen. In ihren Augen sind diese attraktive Arbeitgeber für die Generation Y, die eines Tages die Babyboomer auf dem Arbeitsmarkt ablösen sollen. Anna Schmitz hört immer mal wieder Skepsis, wenn sie auf das Thema angesprochen wird. „Wenn wir von Work-Life-Balance, flexiblen Arbeitszeitmodellen oder Homeoffice sprechen, heißt das nicht, dass wir eine andere Arbeitseinstellung haben.“
Der Karrieretag ist eine Initiative führender Familienunternehmen, des Entrepreneurs Clubs und der Stiftung Familienunternehmen. An der 31. Auflage nehmen 53 Familienunternehmen aus dem Bundesgebiet teil - wie Haribo, Abus oder Krombacher. Eingeladen werden Hochschulabsolventen, junge Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung bzw. Berufstätige mit ersten Berufserfahrungen. Nach Angaben der Initiatoren des Karrieretages machen Familienunternehmen 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland aus und stellen 60 Prozent der Arbeitsplätze.
Gastgeber Viega, Unternehmensgruppe mit Sitz in Attendorn, betreibt zehn Standorte weltweit und beschäftigt 5000 Mitarbeitende. Walter Viegener, Vorsitzender des Gesellschafterausschusses, preist die Vorzüge eines Familienunternehmens („wir denken nicht in Quartalen, sind finanziell unabhängig, haben kurze Entscheidungswege und investieren“) sowie den Wert gut ausgebildeter und engagierter Fachkräfte. Er weiß, dass man „alle Register ziehen“ muss, um die Talente von morgen zu rekrutieren und das bestehende Personal bei der Stange zu halten.
Ein Bus zum Arbeitsort
Seit Jahren bringt an Arbeitstagen ein mit Wlan ausgestatteter Bus Viega-Mitarbeiter von Köln nach Attendorn und zurück, in einzelnen Städten wie Dortmund hat man Satellitenbüros für Mitarbeiter eingerichtet, denen der tägliche Weg ins Sauerland zu weit ist. Flexible Arbeitszeitmodelle und Homeoffice sind längst umgesetzt.
Das Unternehmen aus dem Sauerland hat zwar eine große Anzahl jahrzehntelanger Mitarbeitende, die Spitze weiß aber auch, dass in den kommenden zehn Jahren 1000 von 3000 Mitarbeitende in Deutschland in Rente gehen. Um dabei nicht zu viel Knowhow zu verlieren, muss man sich rechtzeitig die Fach- und Führungskräfte von morgen sichern - und ihnen „Purpose - sinnerfülltes Arbeiten“ ermöglichen, wie es Anna Viegener, Vorsitzende des Gesellschafterausschusses, ausdrückt.
„Kandidatin“ Anna Schmitz jedenfalls ist voll des Lobes über den Karrieretag Familienunternehmen. Das Netzwerken hat prächtig funktioniert. „Mein Bewerberprofil ist seit heute in den Talentpools einiger Unternehmen in der Nähe. Man hat mich jetzt im Blick.“