Dahlerbrück. Der finnische Stahlkonzern will deutsche Werke schließen, auch in Schalksmühle. Für Beschäftigte und IG Metall kam das überraschend.
Für die Beschäftigten kam die Nachricht offenbar ebenso unerwartet wie für die Industriegewerkschaft Metall (IGM), wie Torsten Kasubke, Erster Bevollmächtigter der IGM im Märkischen Kreis, am Mittwoch erklärte. Der finnische Stahlkonzern Outokumpu wird zwei der fünf Standorte in Deutschland schließen. Betroffen ist ein Servicelager für sogenannte Coils in Hockenheim mit 40 Beschäftigten sowie das Spezialwerk für Edelstahlpräzisionsband in Dahlerbrück im Märkischen Kreis mit „aktuell 160 Beschäftigten“, wie ein Unternehmenssprecher auf Anfrage dieser Redaktion mitteilt. 50 Arbeitsplätze sollen aus dem Märkischen Kreis in das Werk in Dillenburg in Hessen verlagert werden. Dort seien aktuell 580 Mitarbeiter beschäftigt. Was mit dem Standort Dahlerbrück nach Werksschließung geschehen soll, werde derzeit geprüft, erklärte der Unternehmenssprecher.
Nachdem der Konzern in Europa in den vergangenen Monaten in die roten Zahlen gerutscht ist, wolle man „Aktivitäten in Deutschland straffen, um sicherzustellen, dass wir unsere Anlagen so effizient wie möglich nutzen“, erklärte der Outokumpu-Vorstandsvorsitzende Heikki Malinen am Dienstag bei der Präsentation der Quartalszahlen. Outokumpu ist nicht der einzige Stahlkonzern, der sich aktuell in brenzliger Lage befindet.
Betriebsräte und Gewerkschaft beraten
Um über dieses „Straffen“ zu beraten, traf sich der örtliche Gewerkschafter Kasubke am Mittwochvormittag zu einer ersten Krisensitzung mit den Betriebsräten im Werk in Dahlerbrück. „Wir müssen uns jetzt erst einmal aufstellen“, sagt der Gewerkschafter. Dass die Standortentscheidung noch umkehrbar sein könnte, erscheint ihm unwahrscheinlich. „Wenn Outokumpu in der Vergangenheit solche Ankündigungen gemacht hat, sind die Werke immer geschlossen worden.“
2012 von Thyssenkrupp übernommen
In Zeiten großer Unsicherheit unternehme der Arbeitgeber hier den einfachsten Schritt. „Er will Standorte schließen und hinterlässt große Unsicherheit bei den Beschäftigten. Auch in Krisenzeiten hat zu gelten, dass Arbeitgeber ihrer sozialen Verantwortung nachkommen müssen. Outokumpu hat nun schnell darzulegen, was der Plan für die Zukunft ist. Wir werden gemeinsam mit dem Betriebsrat um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Gemeinsam mit den übrigen Stellen der IG Metall im Bundesgebiet werden wir dafür sorgen, dass der soziale Kahlschlag ausbleibt“, äußert sich Kasubke kämpferisch.
Outokumpu hatte die Sparte Nirosta mit den Werken in Dahlerbrück, Krefeld und Dillenburg sowie das Schmelzwerk in Bochum im Jahr 2012 von Thyssenkrupp übernommen. 2014 hatte der finnische Konzern das Aus für das Schmelzwerk im Ruhrgebiet angekündigt. Bochum wurde trotz großen Widerstands aus der Belegschaft und Rückhalt in der Landespolitik 2015 geschlossen. Der Verkauf der VDM-Gruppe durch Thyssenkrupp an Outokumpu im Jahr 2012 musste nach einem Kartellamtsveto rückabgewickelt werden.
Das Kaltwalzwerk im Märkischen Kreis wurde zu Beginn der 1970er Jahre in Betrieb genommen. Die dort hergestellten bis zu 0,05 Millimeter dünnen Präzisionsbänder aus Edelstahl werden laut Unternehmen beispielsweise für die Produktion Injektionsnadeln oder auch Rasierklingen verwendet. In Zukunft soll das Präzisionsband am größeren Standort in Dillenburg in Nordhessen, nahe der nordrhein-westfälischen Grenze, hergestellt werden. Dort werden derzeit unter anderem Edelstahlprodukte für Hausfassaden produziert, wie sie beispielsweise an Prestigebauten wie dem „One World Trade Center“ in New York zu sehen sind.
Konzentration auf Dillenburg
Die geplanten Schließungen begründet der Konzern in einer Mitteilung am Vortag so: „Die Bündelung des Expertenwissens, des Produktportfolios und der Betriebsabläufe unter einem Dach in Dillenburg soll es uns ermöglichen, unser Produktportfolio zu erweitern und den Standort neben unseren Werken in Schweden als zentralen Wertschöpfungsfaktor innerhalb unseres Geschäftsbereichs Advanced Materials neu zu positionieren. Nach der möglichen Verlagerung wäre der Standort Dillenburg in der Lage, das gesamte Spektrum unserer Advanced Materials-Produkte anzubieten, von einer breiten Palette an Standard- und Spezial-Edelstahlsorten mit unterschiedlichen Oberflächengüten bis hin zu dünnsten Präzisionsbändern“, sagt Thomas Anstots, Chef des Geschäftsbereichs. Mit den geplanten Maßnahmen sollen jährlich wiederkehrend rund 15 Millionen Euro an Kosten eingespart werden.
Ob der Plan gelingt, könnte auch davon abhängen, wie viel Expertenwissen von Dahlerbück nach Dillenburg geholt werden kann. „Das sind hoch spezialisierte Kräfte, das kann nicht jeder“, sagt Gewerkschafter Torsten Kasubke. Ob die 50 Arbeitsplätze in Dillenburg mit Experten aus Dahlerbrück überhaupt besetzt werden können, hängt an den Verhandlungen, die in Kürze starten sollen.
Zahlen zu Outokumpu
Outokumpu verzeichnete im Jahr 2022 noch einen Umsatz von knapp 9,5 Milliarden Euro. Im laufenden Geschäftsjahr liegt der Stahlkonzern beim Umsatz nach drei Quartalen aber bereits mehr als zwei Milliarden Euro hinter dem Vorjahresergebnis. Weltweit sind aktuell noch 8500 Mitarbeiter beschäftigt, davon 1900 in Deutschland.