Hagen/Leipzig. Die Bandidos samt der örtlichen Chapter in Nordrhein-Westfalen bleiben verboten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht am Dienstag entschieden.

Das Verbot der Rockergruppe Bandidos durch das Bundesinnenministerium war weitestgehend rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Dienstagabend verkündet. Vorausgegangen war eine zweitägige Verhandlung. Lediglich das Verbot von drei im Jahre 2021 gegründeten Rocker-Organisationen, die der damalige Innenminister Horst Seehofer (CSU) als unzulässige Nachfolgeorganisationen gewertet hatte, wurde verworfen. Das sei nicht zweifelsfrei erkennbar, so die Richter.

+++ Lesen Sie auch: Alle Hintergründe zu dem Bandidos-Verbot und der Klage dagegen +++

Was aber viel entscheidender sein dürfte für das Rockerleben in Nordrhein-Westfalen: Das Verbot der noch verbliebenen 38 örtlichen Bandidos-Chapter, darunter in Siegen und Menden, wurde von den Bundesrichtern bestätigt. Ebenso wie das Verbot der „Bandidos Motorcycle Club Federation West Central“, quasi der Dachorganisation der Rocker für weite Teile Westdeutschlands. Die habe, trotz der angekündigten Auflösung, zum Zeitpunkt des Verbots noch rechtlich existiert, habe also verboten werden können. Das Bundesverwaltungsgericht war erste und letzte Instanz in diesem Verfahren.

Bundesrichter beziehen sich ausdrücklich auf Urteil aus Hagen

Die Leipziger Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass es ab dem Jahr 2018 in NRW - vor allem in Hagen und Köln - zu schweren Straftaten, zum Teil mit Toten und Schwerverletzten gekommen sei. Die Federation habe den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit verwirklicht. „Nach den tatsächlichen Feststellungen, die das Landgericht Hagen in einem strafgerichtlichen Verfahren gegen führende Funktionäre dieser Federation in überzeugender Weise getroffen hat, sind die kriminalitätsfördernden Strukturen der Federation in die Realität umgesetzt worden“, so das Bundesverwaltungsgericht.

Dies sei durch die seitens der Führung der Federation in die Wege geleitete Beschaffung von illegalen Waffen sowie durch die Auszeichnung von Chapter-Mitgliedern geschehen, die vereinsbezogene Straftaten begangen hätten. Den Mitglieds-Chapter seien die begangenen Straftaten zuzurechnen, weil es sich um gebietliche Teilorganisationen der Federation gehandelt habe. „Die Strafgesetzwidrigkeit prägt die Federation insgesamt, so dass das Verbot verhältnismäßig ist.“ Es habe auch kein Anlass bestanden , diejenigen Mitglieds-Chapter von dem Verbot auszunehmen, aus denen heraus keine vereinsbezogenen Straftaten begangen worden seien. Denn diese hätten sich nicht in beachtlicher Weise von den strafgesetzwidrigen Zwecken distanziert.

157 Kläger gegen das Verbot der Bandidos

Gegen die Verbotsverfügung hatten neben der Federation 157 weitere Kläger Klage erhoben, nämlich 34 Mitglieds-Chapter der Federation, 120 Einzelkläger als Funktionäre der Federation oder Angehörige der Chapter sowie die Federations Mid, North und South Region, die als Nachfolgeorganisationen verboten wurden.

Nach dem ersten Verhandlungstag schien die Lage noch ungewiss: So jedenfalls die Einschätzung von Reinhard Peters, Anwalt aus Bochum, der seit Jahren Bandidos in Straf- und auch Verwaltungsrechtssachen vertritt, im Gespräch mit der WESTFALENPOST. Stundenlang hatten sich die Juristen einen Schlagabtausch in dem Saal des Bundesverwaltungsgerichts geliefert. Ohne Zeugen, ohne Gutachter wie man es bei Strafprozessen kennt. Hier vor dem Bundesverwaltungsgericht geht es vielmehr um „Juristerei am Hochreck“.

Anwalt Reinhard Peters, der im Vorfeld der Verhandlung noch die Siegeschancen auf „mindestens 50 Prozent“ taxiert hatte, war schon vorsichtiger: „Wir werden noch den ganzen Dienstag weiterverhandeln, vielleicht gibt es am Abend eine Entscheidung, vielleicht aber auch später.“

Gab es überhaupt einen Verein, dem man verbieten konnte?

Zu Beginn der Verhandlung hatte der Vorsitzende Richter des 6. Senats schon deutlich gemacht, worin das Gericht eine der Kernfragen sieht: Entscheidend sei, ob zum Zeitpunkt des Verbots überhaupt ein verbotsfähiger Verein existiert habe. Denn: Die „Bandidos MC Federation West Central“, die als mehrere Bundesländer umfassende Dachorganisation des Rockerclubs in Westdeutschland galt, war am 7. Juli 2021 vom Bundesinnenministerium verboten worden. Und mit ihr 38 weitere örtliche Chapter, die das Ministerium als Teilorganisation der Federation wertet, sowie Nachfolgeorganisationen.

Das Ministerium hatte eine „schwerwiegende Gefährdung für die Allgemeinheit“ ausgemacht, da massive Delikte wie schwere Körperverletzung und versuchte sowie vollende Tötungsdelikte auf das Konto der Rocker gingen.

+++ Lesen Sie auch: Freeway Riders sind jetzt größte Rocker-Gruppe in NRW +++

Doch die jetzt klagenden Rocker argumentieren: Zum Zeitpunkt des Verbots gab es die Bandidos Federation gar nicht mehr, sie sei Monate vorher aufgelöst worden. Stattdessen habe man eine neue „saubere Organisation“ gegründet. Und deren Hauptanliegen sei das gemeinsame Motorradfahren. Das, so wurde beim Prozess deutlich, sieht das Innenministerium weiter anders. Ermittlungen und Razzien hätten gezeigt, dass es sich nicht um einen harmlosen Neuanfang handele, weil unter anderem zahlreiche ehemalige Führungskräfte in den neuen Organisationen eine entscheidende Rolle gespielt hätten.

Anwalt der Bandidos spricht von „Sippenhaft“

Und darum wird es nun auch am Dienstag weiter gehen. Dass das Verbot der alten „Bandidos MC Federation West Central“ rechtmäßig war – daran haben die Richter in Leipzig wohl keinen Zweifel gelassen. Aber ob das auch für die Nachfolgeorganisationen gilt und gar für die örtlichen Chapter? „Da lässt sich noch nicht genau erkennen, wohin das Gericht tendiert“, so Reinhard Peters noch am Montag, der im Vorfeld von einer unzulässigen „Sippenhaft“ gesprochen hatte. Für das kriminelle Handeln einzelner Bandidos-Rocker könnten nicht allen örtlichen Rocker-Chapter verantwortlich gemacht werden. Das Gericht sah es am Ender anders.

+++ Lesen Sie auch: Hells Angels: Frank Hanebuth sorgt für Lacher vor Gericht +++

Und übernahm damit weitgehend die Argumente des Bundesinnenministeriums, gegen das sich die Klage richtete. Die Dachorganisation sei nie richtig aufgelöst worden, außerdem sieht das Ministerium auch in der gesamten Ausrichtung der Bandidos eine kriminelle Vereinigung. Die Bandidos hätten Charakteristika aufgewiesen, die die Begehung von Straftaten förderten – insbesondere zur Durchsetzung des angemaßten Gebiets- und Machtanspruchs. Zahlreiche, teils sehr schwere Straftaten hätten die Federation geprägt.

Auch im Januar 2020 gab es schon Razzien im im Rockermilieu. Hier wurde das Grundstück eines führenden Bandido mit einem Räumpanzer gestürmt.
Auch im Januar 2020 gab es schon Razzien im im Rockermilieu. Hier wurde das Grundstück eines führenden Bandido mit einem Räumpanzer gestürmt. © Alex Talash | Alex Talash

Ermittlungen im Hagener Rockerkrieg spielte entscheidende Rolle

Entscheidenden Anteil, dass es vor zwei Jahren überhaupt zu dem Verbot gekommen war, hatten die umfangreichen Ermittlungen der Hagener Polizei und Staatsanwaltschaft im so genannten Hagener Rockerkrieg zwischen Bandidos und Freeway Riders. So war es den Ermittlern über den eigentlichen Hagener Fall hinaus gelungen, tiefe Einblicke in die Strukturen der Bandidos zu bekommen.

Bei der Verbotsverfügung im Sommer 2021 hatte Innenminister Horst Seehofer ausdrücklich Bezug genommen auf einen damals laufenden Prozess vor dem Landgericht Hagen, in dem es auch um die gewalttätigen Machtkämpfe zwischen Bandidos und Hells Angels in Köln ging. Nach den intensiven Ermittlungen der Hagener Ermittler saßen damals unter anderem Peter M. und Leslav H. auf der Anklagebank, die als Gründer der Bandidos in Deutschland gelten. Sie selbst hatten dazu sogar ein Buch geschrieben: „Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten“. M. und H. wurden letztlich zu Haftstrafen verurteilt, unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Noch sind die Urteile aber wegen der noch laufenden Revision nicht rechtskräftig.

Große Razzien gegen Bandidos mit mehr als 1800 Beamten

Im Vorfeld des Verbots hatte es im Jahr 2021 große Razzien mit mehr als 1800 Beamten in fünf Bundesländern gegeben. Nach dem Verbot war die Polizei erneut mit massiven Kräften unterwegs, um die Verfügung durchzusetzen: So wurden Clubhäuser geschlossen, Schilder abmontiert oder auch Motorräder der Rocker beschlagnahmt. Bei dem Prozess in Leipzig wird es auch darum gehen, dass die Bandidos-Mitglieder diese zurückhaben wollen.

Das Landeskriminalamt (LKA) in Nordrhein-Westfalen geht davon aus, dass das Verbot der Bandidos die Rockerszene nachhaltig geschwächt hat. Insgesamt sei die Zahl der Rocker in NRW stark zurückgegangen, wie die Behörde auf Nachfrage der WESTFALENPOST im Juli erklärt hatte. Alle Informationen zu den Kräfteverhältnissen in der Rockerszene NRW lesen Sie hier.