Neue Regeln im Kindersport polarisieren die Nation. Muss Sport weh tun, um Spaß zu machen? Oder geht es bei dem Streit um etwas ganz anderes?
Schon wieder ein Kulturkampf. Diesmal geht es um Leistung. Oder besser: Um angeblich fehlende Leistungsbereitschaft. Auslöser sind geänderte Regeln im Kinderfußball. Und die Veränderungen bei den Bundesjugendspielen. Plötzlich hört man überall, das Land gehe vor die Hunde, weil die Jugend auf dem Sportplatz kein Gras mehr frisst. Leute, die stets auf der Gewinnerseite des Lebens gestanden haben, führen zum Lob des Verlierenlernens das große Wort. Was ist da los?
- Lesen Sie auch:
- Schützen stellen sich hinter Pfarrer
- Kein Segen für Schwule: Und wieder Kardinal Woelki
- Kritik an der Kritik zur katholischen Kirche
- Gendern als Ursache: Mit Herzensbildung gegen die Rechten
Wir von der Musik erleben die Leistungsdebatte jeden Tag. Denn bis der erste Ton aus einer Trompete oder Geige kommt, müssen sich die Nachwuchsinstrumentalisten schon ziemlich anstrengen. Die Lehrer haben dabei eine wichtige Aufgabe: dafür zu sorgen, dass es Spaß macht. Nur wer gerne übt, wird dranbleiben und über schwierige Stellen kommen. Mit der Peitsche formt man vielleicht gute Untertanen, aber bestimmt keine guten Musiker.
Zuviel Rücksicht auf die Schwachen
Ist das auf dem grünen Rasen anders? Nehmen wir, wie schockierenderweise formuliert wurde, zu viel Rücksicht auf die Schwachen? Werden wir nie mehr ein Turnier gewinnen, weil Siebenjährige künftig leichter viele Tore schießen können? Inzwischen sind wir ja wieder wer. Weltmeister im Basketball. Ein großartiger Erfolg, den interessanterweise keiner der Leistungspropheten auf dem Schirm hatte.
Die Diskussion hat sich natürlich längst verselbstständigt. Das Land besteht plötzlich aus Experten für Sportpädagogik. Wenn man die Debatte analysiert, stellt man erschrocken fest, wie sehr populistische Zerrbilder bereits in die Mehrheitsgesellschaft eingedrungen sind, etwa die populistische Erzählung von „denen da oben“, die dem normalen Bürger wieder irgendeinen grün versifften Quatsch aufs Auge drücken wollen. Und die Wissenschaftsfeindlichkeit. Sportwissenschaftler und Sportpädagogen können die neuen Regeln gut begründen. Das will keiner wissen. Noch viel weniger kennen das neue Regelwerk überhaupt, über das sie sich ereifern. Das eigene Bauchgefühl wird über jegliche Expertise gesetzt, ja, Wissen macht sogar verdächtig.
Vielleicht zu viel Leistung
In Wahrheit muten wir unseren Kindern viel zu, vielleicht zu viel. Sie stehen unter erheblichem Leistungsdruck und müssen schon früh Erfahrungen im Scheitern und Verlieren verkraften. Sport und Musik bieten ihnen eine Chance zur Selbstermächtigung. Aber leider spielen beide Fächer in der Schule kaum noch eine Rolle, und beide haben mit den veränderten Schulstrukturen zu kämpfen. Das wäre doch mal ein Thema.