Macht das Gendern die AfD stark? Wohl eher nicht. Warum konservative Tugenden helfen könnten, den Rechtsruck zu stoppen.
Die Erde brennt, die Arktis schmilzt, Krieg, Dürre, Flut, noch mehr Katastrophen und Leute, die immer ungebremster am Rad drehen. Wer holt uns da wieder raus?
Natürlich machen auch wir uns Gedanken, woher die steigenden Zustimmungswerte für die AfD kommen und was man dagegen tun kann. Herr Merz twittert, es liegt am Gendern. Das sind so die Sprüche, bei denen ich intellektuellen Tinnitus kriege, denn es wird wahrhaftig viel weniger gegendert, als sich über das Gendern aufgeregt.
Die Experten erklären den Erfolg der radikalen Rechten mit der Komplexität der aktuellen Probleme, die viele Bürger überfordert und den Ruf nach einem „starken Mann“ aufkommen lässt, dessen unterkomplexe Parolen ein Gefühl von Sicherheit geben. Wieder andere bemühen Verlustängste, die Demütigungen und Ohnmachtsgefühle angesichts von Prozessen, die tatsächlich oder befürchtet brutal ins eigene Leben eingreifen, aber noch nicht einmal durch gewählte Politiker steuerbar scheinen. Da mag viel dran sein.
Dann gibt es natürlich die Zeitgenossen, die einfach unangenehm sind, die immer und alles hassen und missgönnen und stets parat stehen für ein Pogrom oder eine Menschenjagd. Das Internet spült die Typen nach oben, und sie sind laut.
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In all diesen Punkten greift der konservative Kulturverlust, den ich persönlich für eine Hauptursache halte. Für meinen Begriff von konservativ gibt es keine politische Entsprechung mehr. Konservativ sein, das bedeutet für mich anständig sein, selbst wenn die anderen nicht anständig sind. Respektvoll sein, auch in der Sprache. Nach der Wahrheit streben und allen Versuchen der Trumps dieser Erde, ein Paralleluniversum aus krassen Lügen zu errichten, unbeirrbar Bildung entgegen zu stellen.
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Man bekämpft die Rechtsaußen nicht dadurch, dass man noch mehr hetzt, noch mehr spaltet und noch mehr lügt. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass Politiker angesichts der enormen Probleme Fehler machen. Sicher ist es besser, aus eingestandenen Fehlern zu lernen, als im Trompetenschall der Überzeugung vor die Wand zu fahren. Aber dafür brauchen Politiker kritische Rückendeckung und keine Hetzkampagnen.
Gegen alle Angriffe auf die Demokratie würde die schöne altmodische und konservative Tugend der Herzensbildung helfen, doch die ist leider ganz aus der Mode gekommen. Politiker mit Herzensbildung und Bürger mit Herzensbildung in einer gemeinsamen Lernkurve: So könnte es klappen.