Schlechte Stimmung in der Kirche. Wer ist schuld? Am Ende gar die Berichterstatter?

Einige Leser kritisieren, dass die Medien und speziell meine Person mit ihrer Berichterstattung über die Probleme der katholischen Kirche die Krise herbeischreiben. Erst unsere Artikel und die einordnenden Kommentare würden dazu führen, dass Gläubige austreten. Das ist ein schwerer Vorwurf.

Historisch vielfach belegt ist die Gewohnheit, den Überbringer einer schlechten Nachricht zu bestrafen oder gar zu töten. Man nennt so etwas Stellvertreter-Handlung. Wer die Nachricht publik macht, wird stellvertretend für die Ursache zur Verantwortung gezogen. Heute funktioniert das nicht mehr so gut, aber der Reflex bleibt verwurzelt.

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Die unabhängigen Medien sind natürliche Geschwister von Freiheit und Demokratie. Ihre Berichterstattung haben sie sich gegen viele Widerstände erkämpft. Bei den Nazis gab es keine freie Presse. In der DDR bestand die Zensur bis zu ihrem Ende fort, was in meinen Augen einiges erklärt.

Im Vatikan hingegen ist die Zensur die Schwester der Inquisition. Erst 1966 hat Papst Paul VI. den Index der verbotenen Bücher stillschweigend beerdigt. Die Krux mit den Denkverboten besteht ja darin, dass eine Erkenntnis, wenn sie in der Welt ist, nicht mehr eingefangen werden kann. Galileo Galilei wurde erst 1992 rehabilitiert, rund 350 Jahre nach seiner Verurteilung und rund 30 Jahre nach der Mondlandung. Und wissen Sie was? Trotz aller Scheiterhaufen hat sich die Erde immer um die Sonne gedreht, kein Papst konnte sie daran hindern.

Man kann nichts auf Dauer vertuschen. Dennoch ist es wichtig, immer wieder die Zusammenhänge herzustellen. Ein aktuelles Beispiel: Priester U. wurde jetzt (erst) aus dem Klerikerstand entlassen, der Anfang 2022 in Köln zu 12 Jahren Haft verurteilt wurde. Kardinal Woelki präsentierte sich bei der Bekanntgabe als konsequenter Verfolger von Missbrauch. Das ist die halbe Wahrheit, denn: Priester U. wurde vom Erzbistum Köln erst im zweiten Anlauf aus dem Verkehr gezogen. 2010 ging die erste Anzeige gegen ihn ein. Bis 2019 durfte er priesterliche Dienste ausüben. Das Gericht sprach von 118 Taten, das jüngste Opfer war neun. Zum Gesamtbild gehört die Frage, warum U. so lange weitermachen durfte.

Wenn im Erzbistum Paderborn Katholiken denken, das Problem sei die Berichterstattung und nicht der Anlass dafür, mag das auch daran liegen, dass einige Erschütterungen den Gemeinden bisher erspart geblieben sind. Die Paderborner Missbrauchsstudie ist noch nicht publiziert. Sie wird sehr weh tun. Wir werden berichten.