Breckerfeld. Keine Bodenplatte, kein schweres Gerät nötig: Die Häuser von Tischlermeister Eckhard Kukatsch sollen ein Beitrag zur Zukunft des Bauens sein.

Es ist nicht so, als wäre Eckhard Kukatsch die Liebe für das Material, mit dem er arbeitet, über die Jahre abhandengekommen. Man merkt es daran, wie er in der großen Halle den Duft von Holz einsaugt und mit der Hand über die Flächen fährt. Kukatsch ist der Chef des gleichnamigen Tischlereibetriebs in Breckerfeld, südlich von Hagen. Vor ihm in der Werkstatt steht auf einem Tisch das Modell eines Hauses, Maßstab eins zu zehn, das aus seiner Sicht das Haus der Zukunft sein könnte. Ein Haus, das er erfunden hat.

Siedlung aus Smart Castles für Senioren in Schalksmühle

Man kann die fertigen Häuser sogar schon sehen: In Schalksmühle hat Kukatsch eine Siedlung aus Mini-Holzhäusern gebaut, die Anbindung an einen Seniorenpark haben. Selbstbestimmtes Wohnen mit der Möglichkeit der Unterstützung bei Haushalt und Co.

Weil die Gegebenheiten dort so herausfordernd waren, weil kein Kran und kein schweres Gerät zum Einsatz kommen konnten und die Eingriffe in die Natur gering sein sollten, musste Kukatsch sich etwas einfallen lassen.

Das Ergebnis ist eine Bauweise, die zumindest aufhorchen lässt: Seine Häuser seien nachhaltiger, günstiger – und könnten ab- und woanders wieder aufgebaut werden. Wie geht das?

Modellhaus im Maßstab eins zu zehn: Die schmalen und hohen Module des Smart Castle sind gut zu erkennen.
Modellhaus im Maßstab eins zu zehn: Die schmalen und hohen Module des Smart Castle sind gut zu erkennen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

„Man muss sich das wie ein Haus aus senkrecht stehenden Legosteinen vorstellen“, sagt Kukatsch. Die Wände bestehen aus 60 Zentimeter breiten, 30 Zentimeter tiefen und raumhohen Holzbauteilen. Diese werden miteinander verschraubt. Ihr Aufbau ist dreiteilig: Hinter der Holzfassade befindet sich eine Lüftungsebene und eine Isolationsebene, mit der das Haus den kfw40-plus-Standard erreicht. Auf der Innenseite davon liegt eine Installationsebene, durch die Kabel und Leitungen geführt werden – und auch im Nachhinein noch verändert werden können.

Zusammenarbeit mit der Meyer Werft für Ausstattung der Aida

„Wir brauchten für die Häuser in Schalksmühle seriell gefertigte Bauteile, die möglichst klein sein mussten. Wenn wir den Wandaufbau schon neu denken, dann auch mit besonderen Features“, sagt Kukatsch über die damaligen Überlegungen. Dass er ungewöhnliche Lösungen finden kann, ist durchaus bekannt. Nicht umsonst arbeitet er seit zwölf Jahren mit der Meyer Werft in Papenburg zusammen: Für das Kreuzfahrtschiff Aida entstehen die speziellen Wandverkleidungen und Handläufe in Breckerfeld.

Die Module für die Häuser wiegen 35 Kilogramm und sind sogar von Hand zu transportieren. Insgesamt betrage das Gewicht eines Kukatsch-Hauses ein Zehntel von einem Massivhaus, sagt der Chef. Es gibt auch schon einen Namen für sie: „Smart Castle“.

Eine Siedlung aus Tiny-Häusern für Senioren in Schalksmühle: Erster Einsatzort für die Smart Castles von Kukatsch.
Eine Siedlung aus Tiny-Häusern für Senioren in Schalksmühle: Erster Einsatzort für die Smart Castles von Kukatsch. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Damit sollen sich die Vorzüge aber nicht erschöpfen, denn auch eine klassische Bodenplatte werde nicht mehr benötigt. „Um einen möglichst minimalen Eingriff in die Natur zu haben und um an energieintensiven Werkstoffen zu sparen, werden Punktfundamente erstellt“, sagt Kukatsch. Einen Meter tiefe Betonsäulen im Boden, die eine Stahlkonstruktion halten, auf der wiederum eine Bodenplatte aus Holz erstellt wird. „Das spart 80 Prozent Beton.“ Die Fundamente ließen sich problemlos entfernen, so dass nichts zurückbliebe, wenn sein Besitzer sich dazu entschlösse, mitsamt seinem Haus umzuziehen. „Durch die Modulbauweise ist das Haus auch sehr leicht erweiter- oder umbaubar“, sagt Kukatsch.

Jede Größe eines Hauses ist mit der Modulbauweise denkbar

Die Häuser in Schalksmühle haben schon für Aufsehen gesorgt. „Mit den Modulen können wir nicht nur kleine Häuser wie im Seniorenpark Reeswinkel bauen, sondern alles: das Einfamilienhaus, den Kindergarten, das Mehrfamilienhaus“, sagt Kukatsch. Anfragen auch aus anderen Teilen der Republik gebe es bereits.

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„In unserem Land ist es für einen ausgebildeten Facharbeiter fast unmöglich geworden, Eigentum anzuschaffen“, sagt Kukatsch. 3500 Euro pro Quadratmeter könnten seine Häuser kosten, sagt er. Das sei weniger als bei traditioneller Bauweise mit Stahl und Beton. Die Architektenkammer NRW errechnet auf Nachfrage keine großen Unterschiede im Preis zwischen Stein und Holz.

Innenansicht: Die Module sehen eine Installationsebene vor, in der auch nachträglich noch Leitungen verändert werden können.
Innenansicht: Die Module sehen eine Installationsebene vor, in der auch nachträglich noch Leitungen verändert werden können. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Derzeit ist Kukatsch auf der Suche nach einem 12.000 bis 15.000 Quadratmeter großen Areal, auf dem er eine Smart Castle City bauen will: mit 20 unterschiedlichen Haustypen zum Wohnen. Investoren sucht er dafür ebenfalls.

Sowohl für die Bodenkonstruktion als auch für die Wand- und Deckenmodule sowie die Elektroinstallation hat die Firma Patente angemeldet. „Wir befinden uns gerade in der Planung zur Gründung eines neuen Unternehmens, das sich mit der Herstellung dieser Häuser und der Entwicklung hin zu mehr Autarkie des Wohnens beschäftigt“, sagt der Chef. „Wir müssen Eigentum neu denken. Mit einem Haus, das sein Wasser selber sammelt, verbraucht und wieder säubert, entfallen die Kosten für einen Kanalanschluss. Dann könnte man im Wald wohnen oder auf einem Stück Feld, für das man im Jahr ein bisschen Pacht bezahlt.“

Hausbau aus Breckerfeld im Franchise-System

Kukatsch und seine Mannschaft wollen die Häuser nicht unbedingt ausschließlich in Breckerfeld produzieren. „Es macht Sinn, darüber nachzudenken, unser Knowhow anderen zugänglich zu machen“, sagt er. Wie eine Art Franchise-System. Teil des Konzeptes soll sein, dass dem Bauherrn sogleich ein Wärmewertgutachten und der Nachweis des nachhaltigen Bauens vorliegen. „Das allein spart dem Bauherrn schon viel Geld. Und es macht aus ökologischer Sicht keinen Sinn, dass wir in Breckerfeld ein Haus produzieren, das in Augsburg stehen soll. Das kann der autorisierte Tischler vor Ort besser, mit viel weniger Energieaufwand.“

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Ist das alles wirklich so innovativ? „Als jemand, der deutschland- und europaweit einen Blick auf Holzbau hat, kann ich sagen, dass weder die einzelnen Komponenten noch die gesamte Bauweise eine völlige Revolution sind“, sagt Matthias Eisfeld, Geschäftsführer des Holzbeirates NRW mit Sitz in Schmallenberg. „Regional aber muss man den Zirkel schon weit schlagen, um einen Betrieb zu finden, der eine so smarte Idee über die gewohnten Grenzen seines Fachs hinweg umsetzt.“

Wichtiges Thema des zukünftigen Hausbaus wird aufgegriffen

In diesem Fall sei das geringe Gewicht des Hauses hervorzuheben. Das spare Geld. „Und vor allem wird ein Thema des zukünftigen Bauens aufgegriffen, das wichtig werden wird. Der Gesetzgeber wird die Bauwirtschaft auffordern, an die Kreislaufwirtschaft zu denken. Verbaute Materialien sollten wiederverwertbar sein oder – noch besser – wie in diesem Fall zerstörungsfrei zurückgebaut werden können, um sie weiter zu benutzen.“

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Die fehlende Betonbodenplatte beuge der voranschreitenden Versiegelung vor. Allerdings: „Bei kleinteiligen Bauweisen können die Fugen zum Problem werden. Je mehr Fugen ein Haus hat, desto größer können – ganz grundsätzlich – die Probleme zum Beispiel mit Feuchtigkeit und Wind sein.“ Aber: Mit Holz lasse sich viel schneller bauen – und günstiger als ein gleichgroßes Massivhaus sei Holz auch.

<<< Hintergrund >>>

  • Der Landesbeirat Holz NRW, mit Sitz in der Klimakommune Schmallenberg, ist die Interessenvertretung der Forst– und Holzwirtschaft in Nordrhein-Westfalen und berät die Landesregierung.
  • Der Verein zählt mehr als 100 Mitglieder und setzt sich aus Waldeigentümern, Berufsverbänden der Säger, Holzhandel, Tischlerhandwerk, Zimmererhandwerk und Fachhochschulen zusammen. Der Verein vertritt 250.000 Beschäftigte, die 35 Milliarden Euro Jahresumsatz erwirtschaften.