Erndtebrück. Im Rahmen der größten Luftübung in der Nato-Geschichte besucht der Luftwaffen-Chef Erndtebrück. Diese militärische Rolle spielt Südwestfalen.

Der Oberstabsfeldwebel K. nimmt jetzt Haltung an. Spannung fährt in den Körper, die Hacken knallen, der rechte Arm geht zum militärischen Salut nach oben. Der deutsche „Top Gun-General“, wie ihn die Bild-Zeitung getauft hat, erscheint: Ingo Gerhartz. Der Inspekteur der Luftwaffe trägt stilecht einen Fliegeranzug, ist (als Passagier) mit dem Helikopter eingeflogen. Ansonsten hat der Auftritt des Luftwaffen-Chefs aber wenig mit den Hollywoodfilmen mit Hauptdarsteller Tom Cruise um Elitekampfpiloten zu tun. Zu ländlich und bodenständig ist das Ambiente.

Generalleutnant Gerhartz (drei Sterne) – ausgebildeter Kampfpilot – steht an diesem Donnerstag hier: Exerzierplatz der Hachenberg-Kaserne, hoch über Erndtebrück. Hinter ihm Satelliten-Antennen, ein Zaun, Stacheldraht, am Horizont die Weiten Wittgensteins. Vor ihm Oberstabsfeldwebel K., Pressesprecher der Kaserne in Erndtebrück, und eine Horde Journalisten. Es geht um „Air Defender 2023“, die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften in der Geschichte der Nato. Gastgeber ist Deutschland, Gastgeber ist Erndtebrück, Gastgeber ist die Region, auch wenn die Bundeswehr in Südwestfalen kaum noch präsent ist.

Einblicke in die wichtige Kaserne bei Großmanöver

Oberst Sven Menger (links) und Oberst Jörg Sieratzki beim Pressetermin am 15.06.2023 auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver
Oberst Sven Menger (links) und Oberst Jörg Sieratzki beim Pressetermin am 15.06.2023 auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver "Air Defender“. Foto: Bernd Thissen / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver "Air Defender“. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver "Air Defender“: Von links Oberst Sven Menger, Mike Loh (2.v.l.), Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe (2.v.r.) und und Oberst Jörg Sieratzki.  © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver "Air Defender“. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver "Air Defender“. Von links Oberst Sven Menger, Mike Loh (2.v.l.), Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe (2.v.r.) und und Oberst Jörg Sieratzki.  © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver "Air Defender“. Mike Loh (l) und Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe.  © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver "Air Defender“. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver
Gespräch auf dem Gelände der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück zum Manöver "Air Defender“. Mike Loh und Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe.  © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen
Air Defender23: Ein Blick auf die Hachenberg Kaserne Erndtebrück. 
Air Defender23: Ein Blick auf die Hachenberg Kaserne Erndtebrück.  © Bundeswehr | Bundeswehr
Der Luftwaffenstandort Erndtebrück. 
Der Luftwaffenstandort Erndtebrück.  © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Die Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück aus der Luft.
Die Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück aus der Luft. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey
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Seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich Bundeswehr mehr und mehr aus der Region zurückgezogen. Heute wird Deutschlands Sicherheit nicht mehr am Hindukusch verteidigt, aber immer noch in Erndtebrück. Nicht nur während des vom 12. bis zum 23. Juni laufenden Air Defender-Manövers ist die Kaserne ein unverzichtbarer Teil der Sicherheitsarchitektur. „Der Standort“, sagt Luftwaffen-Chef Gerhartz, „ist von der Nato-Landkarte nicht wegzudenken.“ Warum das so ist, das zeigt sich beim Ortstermin.

Ehemalige Kaserne sollte Bordell beherbergen

In den vergangenen Jahrzehnten hat die Bundeswehr nach und nach viele Standorte in Südwestfalen gestutzt oder geschlossen, beispielsweise in Möhnesee-Echtrop, Lippstadt, Hamm oder Lennestadt-Oedingen. In Hemer befindet sich heute auf dem ehemaligen Bundeswehr-Areal der Sauerlandpark, in Burbach beinahe ein Bordell (die Pläne platzten kürzlich). Heute gibt es nur noch zwei Vertretungen in der Region, die über mehr als 15 Dienstposten verfügen und somit von der Bundeswehr als Standort geführt werden: Unna und Erndtebrück.

Im gallischen Bundeswehr-Dorf in Wittgenstein verrichten regulär etwa 850 Soldaten und zivile Mitarbeiter ihren Dienst. Luftwaffen-, Sanitäts- und IT-Einheiten sind hier stationiert. Derzeit sind es circa 130 Kräfte mehr. Aus dem Nordosten Italiens wurde für das Air Defender-Manöver ein multinational besetzter, mobiler Nato-Gefechtsstand nach Erndtebrück zur Luftraumüberwachung verlegt. Die Nato-Partner aus Italien, Rumänien, den USA, Kanada oder Portugal sollen sich in Wittgenstein sehr wohlfühlen. „Very warm and friendly“ sei der Empfang in Erndtebrück gewesen, berichtet der US-amerikanische Luftwaffengeneral Michael Loh von der Air National Guard.

Echtzeit-Grafik der Luftkämpfe im Rahmen der Air Defender-Übung: Die Nato-Kräfte versuchen, den Angriff des fiktiven Bündnisses „Occasus“ zurückzuschlagen.
Echtzeit-Grafik der Luftkämpfe im Rahmen der Air Defender-Übung: Die Nato-Kräfte versuchen, den Angriff des fiktiven Bündnisses „Occasus“ zurückzuschlagen. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Erst einmal stürzt das System ab

Wie diese Übung mit insgesamt 250 Flugzeugen und 10.000 Teilnehmern aus 25 Nationen abläuft, was sie hier in Wittgenstein tun, wie Luftraumüberwachung und Luftkampfführung durch Einheiten wie in Erndtebrück über die Bühne gehen, das will die Bundeswehr mit einem Ausschnitt aus einer Teilübung des Air Defender-Manövers zeigen, die in den Vortagen stattgefunden habe.

Nach einem kurzen Computer-Absturz erscheint auf einem Bildschirm in einer mit Tarnfleck ausgestatteten Baracke doch noch eine Grafik, die in Echtzeit den Verlauf der Luftkämpfe zeigen soll und so ähnlich wie ein Lotsen-Display im Flughafen-Tower aussieht. Das Ganze spiele im Nordosten Deutschlands, erklärt Frau Oberstleutnant Carina, deren Nachname aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden darf. Ihr Vorname schreibe sich aber mit C.

Die Nato-Kräfte versuchen da gerade, Neubrandenburg zu befreien. Ihr Gegner? Der soll nicht Russland sein, wäre aktuell recht heikel. Also kämpft die Nato im Rahmen des Air Defender-Manövers gegen das fiktive Bündnis „Occasus“, das an der Ostflanke der Nato liegt und unter anderem Rostock angegriffen hat. Die Operation der transatlantischen Verbündeten – die laut Bundeswehr kein Nato-Manöver ist, sondern eine „deutsch geführte Übung, an der die Nato teilnimmt“ – findet vor allem im Norden, Osten und Süden der Republik statt, weshalb in Südwestfalen so gut wie nichts davon zu spüren ist. Wäre da nicht die Kaserne in Erndtebrück.

Luftwaffen-Chef versichert: „Werden hier nicht weggehen“

Ein „ganz, ganz wichtiger Standort für Air Defender“ sei Erndtebrück, sagt Luftwaffen-Chef Gehartz, der mit seiner Statur und Kurzhaarfrisur an den früheren deutschen Fußballnationalspieler Carsten Jancker erinnert. Flugzeuge müssten „vom Boden geführt und kontrolliert werden“. Sonst geht nichts.

Die Überwachung und Sicherung des deutschen Luftraums im Zentrum des Nato-Territoriums findet in Erndtebrück statt – nicht nur während Air Defender, sondern permanent. Jeden Tag. Des Weiteren werden hier das in der Luftraumüberwachung eingesetzte Personal der Bundeswehr ausgebildet und Softwarelösungen entwickelt. Umgangssprachlich spreche man daher von der „Softwareschmiede der Luftwaffe“, erklärt ein Sprecher.

Die Hachenberg-Kaserne mag ein unscheinbarer Standort sein, sie ist jedoch in einer Region mit wenig verbliebener militärischer Präsenz einer, der bleiben soll. So sagt Luftwaffen-Chef Gerhartz über den Standort Erndtebrück: „Wir werden hier nicht weggehen.“