Bad Berleburg. Swen Homrighausen gab seinen gut bezahlten Job auf – und verkauft nun Antik- und Trödelware. Wie verrückt kann einer sein? Ein Besuch.
Der Fön, den Swen Homrighausen nicht hat, spielt für die Geschichte durchaus später noch eine Rolle. Dass er sich das haarlose Haupt einmal zu heiß getrocknet hätte, fällt als Erklärung somit also schon mal weg. „Viele haben mich gefragt, ob ich verrückt geworden bin“, sagt Homrighausen. Seinen ursprünglichen Job gab er mitten im Leben auf und machte sein Hobby zum Beruf.
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Offiziell ist er jetzt: Haushaltsauflöser und Antiquitätenhändler. Aber eben auch Absurditätensammler und Schatzsucher. Wie seine Kunden. „Man muss schon ein bisschen einen an der Zwiebel haben“, sagt er über sich.
Ein Haus als Ausstellungsraum – mit verschiedenen Themenräumen
Homrighausen – 44 Jahre alt, Glatze, breites Grinsen – hat in seiner Heimat Bad Berleburg-Wingeshausen einen Laden, wie es ihn selten gibt: Auf 250 Quadratmetern und mehreren Etagen bietet er in verschiedenen Themenräumen einen kleinen Teil der Sachen an, die ihm zum Beispiel bei Haushaltsauflösungen in die Hände fallen. Tausende und Abertausende Artikel, Quatsch: Exponate eher, so museal wirkt das. Stumme Zeugen der Geschichte. Und jedes Stück gewiss mit seiner eigenen Geschichte, die aber eher im Kopf des Betrachters entsteht.
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Raum 1: Industrieschick. Eine alte Waschmaschinentrommel auf hölzernen Beinen, die nun eine Lampe ist; ein Schiffshorn; ein Käfig, in dem Hannibal Lector gesessen haben könnte, der aber jetzt ein Weinregal ist; eine alte Buchpresse; eine alte Zigarrenpresse.
Eigentlich fing alles mit seiner Frau an, sagt Homrighausen. Als sie damals zusammenzogen, hatten sie alles doppelt – bis auf den Fön. Er wollte das meiste wegschmeißen, sie schlug den Trödelmarkt vor. Am Ende des Tages hatten sie mit dem, was weggeschmissen werden sollte, beträchtliches Geld verdient.
Nach 26 Jahren in seinem alten Beruf kündigt er seinen Job
Raum 2: Alte Bauernstube um 1900. Reiben und Töpfe; ein Tisch; Werkzeuge.
Einblicke: Ein ganzes Haus voller Trödel und Antiquitäten
Raum 3: 1950er bis 1970er Jahre. Bunte Sessel und Stühle; ein orangefarbenes Wählscheibentelefon; ein Vogelkäfig; lustige Lampen.
26 Jahre arbeitete Homrighausen für eine Firma, die sich in der Elektroinstallationstechnik einen Namen gemacht hat. Vorarbeiter und Betriebsrat war er. Dann plötzlich stellte er sich Fragen. „Ich war nicht mehr so zufrieden, vielleicht eine Art Midlife-Crisis. Ich habe mich gefragt, ob ich den Job, den ich da gerade mache, noch gute 20 Jahre weitermachen will.“ Wollte er nicht, weil er neben der heute 22 Jahre alten Tochter auch einen mittlerweile vier Jahre alten Sohn hat.
Buchstützen für 20 Euro, die eigentlich 3000 Euro wert sind
„Ich arbeite immer noch 100 Stunden in der Woche, aber ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Diese Schatzsuche, die macht es so besonders.“ Aber es kann auch mal sein, dass man einen Schatz übersieht. Gusseiserne Buchstützen verkaufte er für 20 Euro das Stück. Der Käufer verkaufte sie weiter für jeweils 3000 Euro. Sie waren von einem bekannten Bildhauer. „Das wird immer wieder mal passieren. Man lernt jeden Tag dazu. Bei Münzen, Schmuck und Gemälden kenne ich mich gut aus, bei Briefmarken, Möbeln und Modelleisenbahnen weiß ich, wen ich fragen muss.“ Und wann die Polizei einzuschalten ist: In einem Haus neulich fand er zwei angemeldete Waffen – und 88, die es nicht waren.
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Raum 4: Das Wohlstandszimmer um 1900. Ein Kindersekretär, der aus einem herrschaftlichen Haus stammt. Kostenpunkt: 600 Euro. Daneben: Zwei Zylinder aus Maulwurfsfell in einer Hutschachtel; ein Grammophon, das funktioniert.
Konzept trifft einen Nerv, einen Trend
Eine Zeit lang betrieb er die Trödelei als Kleinunternehmen. 22.000 Euro Umsatz im Jahr sind die Höchstgrenze. Was er hatte, lagerte er an drei Orten. Vor einem Dreivierteljahr kaufte er das Haus, in dem er jetzt ausstellt und lagert. Wie viele Stücke es sind? Kann er nicht sagen. Inventur macht er nicht, die ist erst ab einem Jahresumsatz von 600.000 Euro Pflicht. „Davon bin und bleibe ich weit entfernt.“ Aber die Geschäfte laufen gut.
Raum 5: Ein Kinderzimmer voller alter Spielsachen.
Raum 6: Alte Bauernstube um 1700 mit u.a. einem riesigen hölzernen Schrank. Für 600 Euro – und offenbar für die Ewigkeit.
„Alles, was von Maschinen gefertigt wurde, interessiert mich kaum. Dinge, die von Hand hergestellt wurden, sind etwas Besonderes. Da steckt und Mühe und Zeit drin, die sich heute kaum jemand noch nimmt“, sagt Homrighausen, dessen Idee offenbar einen Nerv trifft.
Bares für Rares – nur im echten Leben
Aus der Nachbarschaft kommen die Leute, um zu sehen, was er Neues hat. Ständig baut er um, damit das Stöber-Erlebnis sich nicht abnutzt. Aber auch im Umkreis und sogar im Ausland hat er Abnehmer: in Dänemark einen Kunden, der regelmäßig größere Mengen abnimmt, zwei Türken aus London kaufen fast alles an Geweihen. Neulich hat Homrighausen eine alte Beinprothese an ein Filmstudio in Berlin verkauft.
Es gibt fast nichts, was es nicht gibt bei ihm: Modelleisenbahnen, Lebensmittelwaagen, einen Spielautomaten, alte Schlittschuhe, eine Kette aus Apfelkernen, den Backenzahn eines Mammuts, ein deutsch-finnisches Wörterbuch im Miniaturformat, Ferngläser, Silberbesteck und Kurzwarenschränke. Bares für Rares – so heißt die erstaunlich erfolgreiche ZDF-Fernsehsendung – ist auch im echten Leben ein Trend.
Zinkwanne, Geweih, Waffeleisen: Extravagant einrichten
Raum 7: Sammlerstücke. Münzen; Uhren; ein Sekretär; eine Bronzefigur, die einen französischen Soldaten zeigt. „Von 1893 glaub ich“, sagt Homrighausen aus dem Kopf und schaut nach: 1894. Er weiß fast alles zu seinen Stücken.
„Brauchen tut man das wenigste, was ich hier habe“, sagt er. „Das Brot- und Buttergeschäft sind Sachen wie Zinkwannen, Geweihe, Waffeleisen. Dinge, die 30, 40 oder 50 Euro kosten.“ Manches verkauft er bei Ebay, anderes geht in Auktionen in Leipzig oder Köln. Wer bei ihm kaufe, kaufe nicht von der Stange, sondern extravaganter. Seinen Kunden geht es vermutlich wie ihm: „Ich bin immer auf der Suche nach Dingen, die ich noch nie gesehen habe.“