Winterberg. Für ein Luxushotel in Winterberg soll das Clubhotel Hochsauerland abgerissen werden. Betreiber Siegfried Tausch wehrt sich. Einblicke in das Haus
Siegfried Tausch hat in seinen 72 Lebensjahren eine Alles-wird-gut-Mentalität verinnerlicht. Wenn „Sigi“, wie er genannt wird, eine E-Mail schreibt, verabschiedet er sich so: „Bleiben Sie gesund und lustig.“
Doch jetzt spricht aus den Worten des Unternehmers mit der knallroten Krawatte und der Aufschrift „Lachen ist gesund“ darauf Verzweiflung: „Die wollen uns unseren Berg wegnehmen“, klagt der Inhaber des Clubhotels Hochsauerland, das seit vier Jahren auf dem Großen Saukopf, einer 700 Meter hohen Erhebung im Winterberger Ortsteil Hoheleye, beheimatet ist.
Firmenjubiläum im kommenden Jahr
Tausch selbst ist schon viel länger im Gruppenkurzreisen-Geschäft, hatte zuvor die bereits von den Eltern gegründete Gastronomie weitergeführt. Kurz vor dem 75-jährigen Firmenjubiläum soll nun aber nach den Plänen des Hamburger Projektentwicklers Gert Prantner und mit Unterstützung des Winterberger Rats an dem derzeitigen Standort ein Fünf-Sterne-Hotel entstehen.
Das Clubhotel in Sichtweite zum Kahlen Asten auf einer Fläche von fast 6000 qm müsste dafür abgerissen werden. Tausch: „Die wollen mein Lebenswerk zerstören.“
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Der 72-Jährige empfängt die Reporter in der Hotel-Lobby, die auch Party-Location ist, und bittet an einen Tisch Marke Eigenbau („viele Möbelstücke und Einrichtungen stammen aus unserer hauseigenen Schreinerei“). Die Brötchen sind „selbstverständlich“ von einem Bäcker in der Umgebung („wir denken regional“). Man spürt das Herzblut, wenn Tausch über seinen Familienbetrieb erzählt, den seine Eltern gegründet haben. Immer wenn Gäste aus dem Ruhrgebiet an den ersten Standort in Züschen kamen, räumte er als Dreikäsehoch sein Zimmer und zog mit der Familie in die Waschküche. Tausch erinnert sich wehmütig, jetzt steht ihm Existenzangst ins Gesicht geschrieben.
Millionen-Summe investiert
Vor vier Jahren schien das Glück mit dem Bezug des Areals in Hoheleye, für eine Monatsmiete in einem höheren fünfstelligen Bereich, vollkommen. Man investierte kräftig in den Gebäudekomplex, der einst unter anderem als Erholungsheim für lungenkranke Kinder und als Kurklinik genutzt wurde.
„Stand jetzt sind es 3,5 Millionen Euro“, sagt Tausch und zeigt beim Rundgang voller Elan einige der neuen, modernen Doppel- und Einzelzimmer. Oder die Disko, an deren Eingangstür die Aufschrift „Sie haben Ihr Ziel erreicht“ steht.
Der zweite Bauabschnitt läuft. Dass das Anwesen in die Jahre gekommen war, zeigt sich in einem noch nicht renovierten Trakt, in dem der lange Gang und die Räume an eine Klinik-Station erinnern. Am Ende der von der Stadt im und am Clubhotel genehmigten Arbeiten soll die Zahl der Betten (derzeit 215) und Zimmer (89) fast doppelt so hoch sein.
Theke in Schiffsform in der Tropic Bar des Clubhotels
„Wir wollten immer, dass es unsere Gäste gut bei uns haben“, sagt Tausch, „wir haben jeden Cent investiert. Wenn bald Schluss wäre, wäre ich arm wie eine Kirchenmaus.“ Er öffnet die Tür zu den zwei Kegelbahnen, die derzeit entstehen, und erzählt von der geplanten „Tropic-Bar“ mit einer Theke in Schiffsform. Er schüttelt den Kopf. „Es gibt so viele Berge, warum wollen die ihr Luxushotel unbedingt hier bauen?“
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Die Nachricht von einem möglichen Abriss sei wie ein Blitz aus heiterem Himmel eingeschlagen. „Ich habe davon aus Ihrer Zeitung erfahren“, sagt er zum Reporter. Bis heute habe Projektentwickler Prantner nicht mit ihm gesprochen: „Das schwöre ich. Wie kann er in Ihrer Zeitung behaupten, die Pächter vollständig informiert zu haben?“ Das Clubhotel Hochsauerland ist bei Gruppenkurzreisenden ein Begriff. Im Hotelprospekt heißt es: „eine deutschlandweit bekannte Erlebnisgastronomie“. Das Konzept: „alles drin“, neudeutsch: all inclusive.
Die laut Eigenbeschreibung „gehobenen Partyerlebnisstunden“ beginnen bei der Anreise in einem hauseigenen Bus: „gekühlte Getränke, hausgemachte Fleischfrikadellen, Käsehäppchen, Bierbeißer und eine Flasche hauseigenen Kräutertrunk“.
„Wir haben keine Sauftouristen“
Es sei Feiern auf hohem Niveau für ganz normale Menschen, die Abwechslung vom Alltag suchten, sagt Tausch und stellt klar: „Unsere Gäste benehmen sich, sie stören hier oben niemanden. Wir haben keine Sauftouristen. Zu uns kommen auch viele ältere Menschen, die hier Geselligkeit finden.“
70 Beschäftigte sind für das Clubhotel im Einsatz, einige von ihnen haben bereits ihre 40-jährige Firmenzugehörigkeit gefeiert. „Wie soll ich denen erklären, dass der Laden dicht gemacht werden soll?“ fragt Tausch und berichtet von „unzähligen“ Anrufen besorgter Gäste, ob denn die gebuchte Gruppenreise stattfinden kann. Nach Entbehrungen in der Pandemie sei die Sehnsucht nach geselligen Stunden groß: „Für 2023 sind wir schon zu 80 Prozent ausgebucht.“ Und dann das: „Die öffentlich gemachten Pläne für ein Luxushotel sind geschäftsschädigend für uns.“
Vom Abriss bedroht- So sieht es im Clubhotel Sauerland aus
Aber: In den Augen von Siegfried Tausch ist noch nicht aller Tage Abend. „Ich gehe davon aus, dass es nichts wird mit dem Fünf-Sterne-Hotel“, sagt er, „wir haben einen Mietvertrag bis 2033.“ Noch kürzlich hätte ihn ein Vertreter des Hauseigentümers – ein Fonds einer Stiftung des Bofrost-Gründers Josef H. Boquoi – beruhigt. Er müsse sich keine Sorgen machen. „Natürlich machen wir uns Sorgen. Wir werden uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mittel gegen die Pläne wehren. Es kann doch nicht im Sinne einer gemeinnützigen Stiftung sein, eine Einrichtung für einfache Menschen abzureißen und ein Hotel für Reiche zu bauen.“
Es soll vorerst „ganz normal“ weitergehen
Tausch hat Daniel Maximilian Dose, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Attendorn, an seiner Seite. „Eine fristlose Kündigung des bis 2033 laufenden Mietvertrages ist nur möglich“, sagt dieser, „wenn vertraglich oder gesetzlich genau definierte Kündigungsgründe vorliegen. Diese sehe ich hier momentan nicht.“
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Vergangene Woche war Tausch bei Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann. Dieser habe auf den einstimmigen Ratsbeschluss für ein neues Hotel verwiesen. „Ich hatte den Eindruck“, so Tausch, „dass Beckmann nicht hundertprozentig glaubt, dass es tatsächlich zum Bau des Luxushotels kommen wird.“ Zumal es Fragen gebe, ob das Ganze nachhaltig und umweltfreundlich sei: „Auch wenn das Gelände als Sondergebiet ausgeflaggt ist: Rundherum ist alles Landschaftsschutzgebiet. Ein Hotelneubau mit Tiefgarage im Berg wäre ein empfindlicher Eingriff in die Natur.“
Siegfried „Sigi“ Tausch will kämpfen für sein Clubhotel Hochsauerland, erst einmal „ganz normal“ weitermachen, die geplanten Bauarbeiten fortführen. Wird am Ende vielleicht doch noch alles gut? Der Blick des Hotelchefs ist in diesem Moment entschlossen und leer zugleich. „Was die uns antun wollen“, sagt er, „ist grausam.“
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- Die Stadt Winterberg bestätigt ein „sehr gutes Gespräch“ von Bürgermeister Beckmann mit Hotelchef Tausch. „Alle Beteiligten“, so Sprecherin Rabea Kappen, gingen davon aus, dass es im Falle einer Umsetzung des Projekts voraussichtlich zu temporären Arbeitsplatz-Verlusten während der Bauphase kommen werde.
- „Dies ist eine Belastung für die Belegschaft, die wir und die Investoren sehr ernst nehmen. Angesichts des Fachkräfte-Mangels in der Hotel- und Gastronomiebranche ist aber davon auszugehen, dass es direkte Anschlussbeschäftigungen für die betroffenen Mitarbeiter hier in Winterberg geben wird.“
- Wird der Neubau realisiert? Rabea Kappen: „Wir befinden uns in einem sehr frühen Stadium, sodass wir keine konkrete Aussage treffen können. Zunächst bleibt das Bebauungsplanverfahren abzuwarten.“ (bene)