Hagen. Gas-Kunden bekommen Geld von der Regierung, Öl-Heizende nicht. Ist das nicht ungerecht? Was Bürger sagen – und wie das Ministerium reagiert.

Der Laster fuhr Ende September bei Gerd Weinerth in Hagen vor und pumpte das Öl in den Tank im Keller. Die Rechnung in diesem Jahr insgesamt: 4000 Liter für 5600 Euro. In früheren Jahren zahlte der 64-Jährige für die gleiche Menge etwa ein Drittel. Staatliche Unterstützung? Keine. „Der Heizölverbraucher“, sagt Weinerth, „wird nicht nur benachteiligt, er wird nicht einmal beachtet.“ Er ist nicht der Einzige, der so denkt.

Scholz, Habeck und Lindner präsentieren Preisbremse – für Gas-Kunden

Am Tag bevor der Laster anrollte, hatten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in Berlin eine gemeinsame Pressekonferenz abgehalten. Sie überbrachten den Beschluss, dass den Gas-Kunden im Land, die mitunter dreifache Preise zahlen müssen, mit einer millionenschweren Unterstützung durch den Winter geholfen wird. Aber: eben nur den Gas-Kunden.

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Es gibt jedoch auch die, die vornehmlich mit Öl heizen. Im Kreis Olpe ist das nach Zahlen des Statistischen Landesamtes jeder Dritte. Wie Bernward Holterhof (69) in Wenden. Er und seine Frau wohnen im Erdgeschoss, der Sohn in der Wohnung darüber. 4000 bis 5000 Liter Heizöl brauchen sie alle zusammen pro Jahr. Vor der Corona-Zeit haben die Holterhofs 40 Cent für den Liter gezahlt, danach war er froh, wenn er ihn für 60 oder 70 Cent bekam. In diesem Jahr zahlte er mehr als 1,50 Euro.

„Der normale Rentner, der mit Öl heizt, wird vergessen“

„Man ärgert sich, großartig machen kann man aber nichts“, sagt Holterhof: „Was mich auch beschäftigt, ist, dass da wieder mit der Gießkanne verteilt wird und Menschen Entlastungen erhalten, die sie nicht unbedingt nötig haben – und der normale Rentner und andere, die das Geld dringender brauchen, werden vergessen. Das schreit zum Himmel. Ich verstehe auch nicht, dass da noch nicht mehr Leute protestieren.“ Er habe sogar schon überlegt, die Landtags- oder Bundestagabgeordneten aus seinem Kreis zu informieren. Hat er aber nicht.

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Gerd Weinerth, der Mann aus Hagen, ist da einen Schritt weiter. Drei E-Mails hat er bereits an das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck gesendet. Am 9., am 22. und am 30. September. Keine Antwort bislang, sagt er. Das Finanzministerium habe sich auf eine Mail hin aber gemeldet und darauf hingewiesen, dass unter anderem die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme bereits auf sieben Prozent gesenkt werde und dass das für Öl nicht möglich sei.

Das Geld, das sonst für Sonderausgaben war, ist weg

Grund laut Schreiben: EU-Mitgliedstaaten dürfen ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf Waren und Dienstleistungen nur in bestimmtem Fällen anwenden. Es folgt in der Mail der Verweis auf Artikel 98 in Verbindung mit Anhang III der Richtlinie 2006/112/EG. Alles klar? Geht so. Übersetzt: Ausgewählte Energieträger (u.a. Elektrizität, Fernwärme und Erdgas) dürfen ermäßigt werden, Heizöl nicht.

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„Es gibt ein Grundgesetz, alle sind vor dem Gesetz gleich“, sagt Weinerth. Er fühlt sich als Öl-Kunde diskriminiert. Es ginge ihm nicht um sich, sagt er, sondern um die, die weniger haben. Wobei auch seine Reserven endlich sind. „Die Verteuerungen tun uns weh, die gehen an die Substanz“, sagt er. Er und seine Frau sind noch berufstätig. „Das Geld, das sonst für Sonderausgaben war, ist weg - und ich werde es auch nicht wiedersehen.“

So reagiert das Bundeswirtschaftsministerium

Warum es zu der Ungleichbehandlung von Gas- und Öl-Heizenden kommt, erklärt das Bundeswirtschaftsministerium auf Nachfrage dieser Zeitung: „Die Steigerung bei den Gaspreisen ist aktuell sowohl für Verbraucherinnen und für Verbraucher wie auch für die Wirtschaft die höchste Kostenbelastung und noch mal höher als bei Strom oder bei anderen Produkten wie Öl, Holzpellets oder Kohlebriketts.“ Daher liege dort der Schwerpunkt der Maßnahmen.

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Zudem seien bei Strom und Gas „zentralisiertere Netz- und Versorgerstrukturen vorhanden“, die „eine breite Adressierung möglich“ machen. Bei den dezentralen Märkten für Mineralölprodukte, Holz oder Kohle sei das anders, argumentiert die Behörde und verweist wiederum auf bereits beschlossene Maßnahmen wie das Energiegeld (300 Euro für jeden Haushalt) und die Wohngeldreform. Zudem sollen zukünftig Gas-, Kohle- und Ölkonzerne oder Raffinerien über eine Krisenabgabe einen Teil ihrer Gewinne zurückgeben. Geld, das den Bürger entlasten soll.

Gerd Weinerth tröstet das kaum. Ab dem 1. Januar ist er Rentner. „Ich freue mich auf die Rente, aber ich überlege auch, wie ich die Kosten tragen kann.“ Kurze Pause. „Ich werde wahrscheinlich nebenbei arbeiten gehen müssen.“

<<< HINTERGRUND >>>

Im Herbst 2021 noch konnten Neukunden eine Kilowattstunde Gas für fünf Cent beziehen. Nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox liegt der durchschnittliche Preis für Neukunden derzeit bei 23,5 Cent pro Kilowattstunde. Teuerungsfaktor: vier bis fünf.

Die Internetseite Heizoel24 errechnet für Dienstag, 18. Oktober einen Preis von durchschnittlich 1,61 Euro pro Liter in Deutschland. Im Herbst 2021 lag er bei knapp 74 Cent. Die Preise für Brennholz haben sich verdoppelt, für Pellets etwa verdreifacht.