Schmallenberg. Vor dem Winter des Sparens scheint ist das Haus von Christoph Schäfers ein wahres Traumhaus: Es produziert mehr Energie als es verbraucht.
Eine gewisse Extravaganz sieht man dem Haus auf den ersten Blick an. Auf der einen Seite viel Holz, auf der anderen viel Glas. Oder wie der Besitzer etwas flapsig formuliert: „Vorne Scheune, hinten Gewächshaus.“ Christoph Schäfers (60) lächelt bei der Formulierung. Er sitzt im Garten auf einem Stuhl. Und während er da sitzt, verrichtet sein Haus unbemerkt, was es zu tun imstande ist: Geld verdienen. Zur Zeit fast 100 Euro pro Monat.
Baujahr 2006: Ein Haus, das mehr Energie produziert als es verbraucht
Schäfers ist Professor der Biologie und arbeitet am Fraunhofer Institut in Schmallenberg. In dem Ort im Hochsauerlandkreis steht auch sein Haus. Eines, das er vor 16 Jahren hat bauen lassen und um das ihn jetzt viele beneiden: Ein effizientes Haus, das Energie spart. Mehr noch: Eines, das mehr Energie produziert als es verbraucht. Ein Traumhaus vor diesem Winter, in dem wegen der Energiekrise Sparen das oberste Gebot zu sein scheint.
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„Wir wollten damals ein Haus bauen, in dem wir guten Gewissens leben können“, sagt Schäfers über die Zeit, als er und seine Frau das dritte Kind erwarteten und das Zuhause zu klein wurde. Sie prüften den Kauf einer Bestandsimmobilie. Zu groß, schlecht geschnitten, unzureichend gedämmt. Häuser zur Miete gab es nicht viele in der Gegend. Also vielleicht doch neu? Aber dafür nachhaltig? Die Überzeugung, dass das richtig wäre, hatte sich längst ausgebildet. „Die Situation war damals keine andere als heute. Seit 1972 ist bekannt, dass sich das Klima verändert.“
Nur sieben von vielen Besonderheiten in einem durchdachten Gebäude
Es ist ein Besonderheitenhaus in Holzständerbauweise geworden.
1. Die Fassade besteht aus eingesägtem Holz. Das vergrößere die Oberfläche und erleichtere das Aufheizen, sagt Schäfers.
2. Vor der Holzfassade befinden sich – wie eine zweite Haut – auf der West-, Ost- und Südseite Scheiben, die die Wärme der Sonne gerade in den Übergangsjahreszeiten einfangen und halten sollen. „Der größte Wärmeverlust entsteht durch den Wärmeabtransport an der Fassade. Der wird so verhindert“, sagt Schäfers. Was dabei auch hilft: Durch Absenken des Baugrunds ist das Haus zu großen Teilen aus dem sauerländischen Wind genommen.
3. Für Verdunstungskühle an warmen Tagen sorgt ein kleiner, 20 Zentimeter breiter Wassergraben rund ums Haus.
4. Niederschlag wird in den eigenen Teich entwässert.
5. Es gibt kaum Flurfläche und die Treppe ins Obergeschoss ist ein optisch feiner Teil des Wintergartens. „Wir haben so keinen Wärmeverlust über ein Treppenhaus“, sagt Schäfers und räumt ein: „Wenn dieses Haus in Deutschlands sonnenreichster Stadt Freiburg stünde, wäre es vermutlich zu warm. Hier im Sauerland mit manchmal minus 17 Grad ist es genau richtig.“
6. Technisches Herzstück des Hauses: eine Solarthermieanlage auf dem Dach, je eine Photovoltaikanlage auf dem Carport, dem Haus und dem Wintergarten, wo die kleinen quadratischen Zellen bei Sonne ein hübsches Spiel aus Licht und Schatten bieten.
7. Die entstehende Hitze im Wintergarten wird über elektronische Fensterläden ganz oben unter dem Dach nach draußen entlassen.
Die Fenster gehen nach außen auf - das hat zwei Vorteile
Die Grundfläche des Hauses beträgt lediglich 65 Quadratmeter, zwei Etagen gibt es, keinen Keller. Fünf mal fünf Meter große Bauelemente schaffen Redundanz und damit geringere Kosten. Die Flächenheizung befindet sich in den Wänden, nicht im Boden. Die Fenster im Norden gehen nach außen auf. „Das hat zwei Vorteile“, sagt Schäfers, „zum einen drückt der Wind sie dann zu und nicht auf. Zum anderen kann man die Fensterbank nutzen, ohne sie ständig fürs Lüften leerräumen zu müssen.“
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Als sie noch zu fünft in diesem Haus wohnten, verbrauchten die Schäfers bis zu 2800 Kilowattstunden Haushaltsstrom im Jahr, mittlerweile sind es deutlich weniger als 2000. Die Luftwasserwärmepumpe braucht rund 5000 kw/h. Bis zu 8000 Kilowattstunden produziert das Haus, wenn alle Anlagen laufen. Die überschüssige Energie wird für festgeschriebene 51,8 Cent netto pro Kilowattstunde bis 2026 eingespeist. Bedeutet: Völlig unabhängig ist Familie Schäfers noch nicht. „Wenn bei Gasknappheit im Winter jetzt alle die elektrischen Zusatzheizungen anwerfen und das Stromnetz zusammenbricht, dann trifft uns das auch“, sagt Schäfers, der plant, die überschüssige Energie seines Hauses mit moderner Technik zukünftig speichern und selbst verbrauchen zu können.
Aus der Plus-Energie-Haus-Siedlung wurde eine Solo-Projekt
Mit den Fragezeichen der Zukunft, was Energie wohl mal kosten wird, muss sich Familie Schäfers aber trotzdem kaum auseinandersetzen. Das ist nicht zuletzt einem Zufall geschuldet: Just in der Zeit, als die Schäfers an ein Haus dachten, suchte ein Professor für energieoptimiertes Wohnen der Uni Siegen Unterstützer für eine Planung Plus-Energie-Haus-Siedlung im Nachbarort Berghausen.
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„Der musste aber wie ein geprügelter Hund wieder abreisen“, erinnert sich Schäfers an den Vortrag, der auf wenig Gegenliebe in der Bürgerschaft stieß. Also fragte Schäfers nach: Ließe sich ein solches Haus auch als Solo-Projekt bauen? Antwort: ja. Für das Versprechen, die Verbrauchs-Daten des Hauses über Jahre zur Verfügung zu stellen, erließ ihm jener Professor die Kosten für die Architektur. „Das Haus hat, so wie es da steht, 200.000 Euro gekostet“, sagt Schäfers.
Wie es ist, mit seinen Ideen belächelt zu werden, weiß aber auch Schäfers. Er erinnert sich, wie die Finanzberater bei der Bank mit dem Kopf schüttelten und ihm rieten zu bedenken, dass dieses Haus, das er sich vorstellte, niemals wiederverkäuflich sein würde; wie man ihm prophezeite, dass sich dieses Haus niemals rentieren würde. „Mir fehlte“, sagt er, „bei vielen das Verständnis für die Vorstellung, dass wir irgendwann mal würden sparen müssen.“