Herdecke/Neheim. Es wird kälter und so rückt die Gewissensfrage in der Energiekrise näher: Kann man schon die Heizung anwerfen? Wir haben die Bürger gefragt.

Heizen? Oder lieber noch geizen? Das ist die Frage in diesen Tagen, in denen sich der Winter immer merklicher ankündigt, sparen aber das Gebot der Stunde ist. Lieber wenigstens noch bis Oktober warten? Oder doch schon alles warm machen? Wir blicken in Wohnzimmer der Region: Umfrage unter Bürgern in Herdecke und Neheim.

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Gestern erst, sagt Jessica Kuklinski, war sie nah dran. Vermutlich muss man sich das so vorstellen, dass sie die Hand schon am Regler hatte – und sich dann doch umentschieden hat. „Wir wohnen ganz unten im Haus, da ist es eh schon immer kühler“, sagt die 27-Jährige aus Hagen: „Gestern war es so kalt im Wohnzimmer, dass ich echt überlegt habe. Aber ich nehme doch lieber noch die Wolldecke.“

„Ich überlege mir das mit dem Heizen jetzt dreimal“

Sie will nicht schon im September anfangen zu heizen und damit einen Winter einläuten und verlängern, der so viele Ungewissheiten birgt. „Ich überlege mir das mit dem Heizen jetzt dreimal“, sagt sie und merkt erst gar nicht, dass das genau der Faktor ist, um den der Versorger die Abschlagszahlungen erhöht hat: von 80 auf 240 Euro, sagt sie, zieht die Augenbrauen hoch und nickt noch einmal zur Bestätigung. Jessica Kuklinksi hat einen Sohn, sechs Jahre alt. „Dem habe ich auch gesagt, dass er jetzt mal Socken anziehen muss.“ Wie lange sie das so machen will? „Solange wie möglich.“

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Delia Bremhorst (63) kommt gerade aus einem Textilgeschäft. Am langen Arm: eine Tüte mit dicken Socken und Handschuhen. Sie hält sie hoch: „Schauen Sie, die habe ich soeben gekauft.“ Material, das hilft, wenn man schonmal unter kalten Händen und Füßen leidet. Kann ja gerade jetzt mal sein. Sie hat die Heizung schon an gehabt, zumindest im Bad und im Wohnzimmer. Wohlfühltemperatur: 21 Grad. „Wenn wir frieren, heizen wir“, sagt ihr Mann Jörg (66). Mit Augenmaß, klar. „Und wenn wir das Haus verlassen, dann drehen wir die Heizungen wieder runter“, sagt er.

In diesem Winter anders verhalten

Peter (74) und Barbara Schneider (72) sitzen auf einer Bank und blinzeln in die Sonne. „Ich bin von uns beiden eher die, die fröstelt“, sagt sie und blickt zu ihrem Mann, der das offenbar für eine leichte Untertreibung hält. „Du sitzt ja auch bei 30 Grad mit deiner Decke da“, scherzt er.

Aber sie mussten nicht groß streiten zuletzt: Sie haben die Heizung schon angehabt, zumindest im Bad. Zu kalt war’s. Ihr Haus in Hörde hätte ein dickes Mauerwerk, die Fenster seien gut isoliert, an den Heizungen sind elektronische Thermostate, die automatisch alles regeln. „Aber ich denke schon, dass wir uns in diesem Winter anders verhalten werden“, sagt Frau Schneider. Noch heize die Sonne den Tag über das Haus auf, das nutze man. Und wenn dann irgendwann die Heizungen überall laufen, dann könne man die ja auch „eine Stunde vor dem Zubettgehen herunterfahren. Die Wärme hält sich ja.“

Abends heizen, tagsüber Eis schlecken

Harald Kroll schleckt gerade an seinem Amarena-Eis, als er über die bedrohliche Lage auf dem Energie-Markt spricht. „Irgendwie total widersprüchlich, aber ich habe die Heizung gestern Abend schon einmal angestellt – und ein paar Stunden später hole ich mir ein Eis“, scherzt der 48-jährige Arnsberger. In seinem Eigenheim ist eine alte Gasheizung verbaut. Jedes Anstellen der Heizung macht sich voraussichtlich also doppelt und dreifach im Geldbeutel bemerkbar.

„Ich habe schon überlegt, ob ich die Heizung an machen soll. Aber die Frage ist ja auch, ob man sich einen gewissen Luxus nicht noch gönnen sollte. Da steht man natürlich vor einem moralischen Problem“, erkennt er.

Betroffen ist der Sauerländer nicht nur aufgrund seiner Gasheizung von der Energiekrise. Als leidenschaftlicher Saunagänger- und Besitzer muss Kroll nun auch über jeden Saunagang im eigenen Keller nachdenken. „Es ist ja nicht nur das Gas, sondern auch der Strom. Noch war ich nicht wieder in der Sauna, aber hätte bald schon mal wieder Lust dazu. Ich werde mal schauen, wie ich es handhabe, aber habe natürlich schon Bauchschmerzen, wenn ich daran denke, was so ein Saunagang dann kosten würde“, sagt er.

Tipp der Verbraucherzentrale: Kellerdecke dämmen

Aus „akutem Interesse“ hatte sich der 48-Jährige auch bei der Verbraucherzentrale in Arnsberg zum Thema Energieeffizienz in seinem Wohnhaus beraten lassen. „Da kamen Hinweise zu Themen wie Dämmung der Kellerdecke. Darüber hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht, war aber sehr interessant und hilfreich“, sagt er. Die Raumtemperatur wolle er im Winter nun auf 18 Grad anpassen. Immerhin: „Die Fenster waren noch dicht, da zieht es nicht rein“, ist er froh.

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Ähnliche Gedanken macht sich auch Michael Winter aus Menden. Der Rentner stellt die Heizung aktuell immer wieder sporadisch an, wenn es ihm und seiner Frau abends zu kalt im eigenen Haus würde, sagt er. „Manchmal kommen wir nicht daran vorbei, die Heizung wenigstens für kurze Zeit anzustellen. Aber man hat dabei schon ein seltsames Bauchgefühl, weil man ja weiß, was das für das Porte-Monnaie bedeutet“, sagt er. Thermostate habe er an den Heizkörpern angebracht, um die Temperatur genau regulieren zu können. Auch würden bei ihm im Winter nur noch bestimmte Räume geheizt. „Das Wohnzimmer muss etwas warm sein und auch das Schlafzimmer braucht eine gewisse Wärme. Darüber hinaus werden wir aber versuchen, Gas zu sparen“, sagt er.

„Wir haben zum Glück noch einen Kamin“

Ein komisches Bauchgefühl haben auch Klaus und Sonja Büttner aus Werl beim Gedanken, die Heizung anzustellen. „Wir haben die Heizkörper bisher noch aus gelassen, weil uns noch nicht so kalt war, dass wir gesagt haben: ‘Die Heizung muss an’“, erzählt Sonja Büttner.

In ihrem Wohnhaus in Werl ist - wie in vielen anderen Haushalten der Region - eine Gas-Heizung verbaut. „Und das macht uns schon eine gewisse Sorge“, gibt Klaus Büttner zu. „Wir haben zum Glück noch einen Kamin. Damit haben wir es immerhin im Wohnzimmer relativ sicher warm. Was die anderen Räume angeht, müssen wir schauen, wie wir es machen. Alle Räume werden wir aber auch nicht heizen. Wir müssen sparen“, sagt Sonja Büttner.

Die Abschlagszahlung an die Stadtwerke hat das Rentner-Ehepaar bereits erhöht. „Früher oder später trifft es uns ja sowieso“, sagt Klaus Büttner. „Da können wir auch jetzt schon ein Stück mehr zahlen.“