Hagen. Volle Tierheime, Andrang an den Tiertafeln, hohe Futterkosten – wie Inflation, Krieg und Energiekrise jetzt auch Herrchen und Frauchen treffen.

Gestatten: Freddy, eine Continental Bulldogge, ein bisschen faltig um die Nase, aber lieb – und teuer. Allein schon, dass mehrere Impfungen pro Jahr nötig sind, geht ins Geld. Das ist aber für seine Besitzerin alternativlos: „Mein Mann ist schwer krank. Das letzte, was ich brauche, ist, dass er sich von unserem Hund etwas einfängt.“ Doch die Kosten werden zu einem immer größeren Thema. Inflation, Energiekrise, Krieg: Die Folgen spüren auch Tiere und ihre Halter. Vier Beispiele, an denen dies deutlich wird.

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Die Hundebesitzer

Bei Bulldogge Freddy belaufen sich allein die Kosten auf 80 bis 120 Euro pro Impfung. Hinzu kommen Wurmkuren, Zeckenschutz und andere wichtige Behandlungen. „Deutlich werden die Erhöhungen auch bei dem Futter. Vor einem Jahr habe ich das Nassfutter für ein Drittel des Preises gekauft“, sagt die 61-Jährige. Bis zu 250 Euro geben die Dortmunderin und ihr Mann im Monat für ihre Bulldogge aus. Das Ehepaar hat nach eigenen Angaben die finanziellen Möglichkeiten für Sonderausgaben, doch beide wissen, dass es so nicht jedem geht: „Selbst unter Menschen, die gut situiert sind, werden die einen oder anderen ihr Tier unter Tränen abgeben müssen.“ So sehen es auch andere Hundebesitzer. Die kleine Befragung beim Gang über die Hundewiese im Hagener Stadtteil Emst zeigt das. Und froh sein können Hunde wie Mischlingsrüde Majki, der einst in einem polnischen Tierheim zu Hause war, jetzt aber sogar seine eigene Spardose hat. „Wir legen jeden Monat etwas zurück, speziell für anfallende Tierarzt-Kosten und Notfälle“, erzählt seine Besitzerin (26) aus Hagen.

Mischling Majki ist neun Jahre alt und lebt seit acht Jahren bei seiner Familie in Hagen.
Mischling Majki ist neun Jahre alt und lebt seit acht Jahren bei seiner Familie in Hagen. © Privat

Der Tierschutzverein

Der Besuch beim Tierarzt kann schnell ein paar Hundert Euro kosten. Das droht angesichts von explodierenden Preisen zu einem großen Problem zu werden. Das weiß Birgit Ganskow, erste Vorsitzende des Hagener Tierschutzvereins, und sagt: „Wir gehen furchtbaren Zeiten entgegen.“ Immer mehr Menschen setzen sich mit dem Hagener Tierschutzverein in Verbindung, sagen, dass sie ihre Tierarzt-Rechnungen nicht mehr begleichen können und Unterstützung benötigen. „Ein Tier muss man sich leisten können. Wir werden meist für diese Aussagen verurteilt, aber man kann die Lage auch nicht schöner darstellen als sie ist“, betont Ganskow. Die 65-Jährige schaut mit großer Sorge in Richtung Tierheime: „Die sind jetzt schon proppenvoll. Wenn da jetzt noch eine Welle kommt, weiß ich nicht, wie das zu stemmen sein soll.“

Das Tierheim

Im Siegener Tierheim sind die Probleme schon jetzt groß. Die Kosten für Medikamente sind um 40 Prozent gestiegen, die Rechnungen für Energiepreiserhöhungen stehen noch aus. „Wenn hohe Nachzahlungen kommen, ist das für uns nicht zu stemmen“, so Leiter Tobias Neumann. Nicht nur mit der Inflation hat der Verein zu kämpfen, sondern auch mit den Folgen der Corona-Krise. Immer mehr Hunde, Katzen und Kleintiere werden abgegeben, viele davon wurden vermutlich Mitte 2020 gekauft. Jetzt werden sie reihenweise in das Tierheim gebracht und die aktuelle Krise zwingt Menschen zudem, sich von ihren Tieren zu trennen. „Wir haben weder so viele Kapazitäten noch das Personal noch das Geld, um die Anzahl vernünftig zu versorgen und zu betreuen“, betont Neumann. Die Situation bringt den Siegener Verein an seine Grenzen: „Wenn Siegen weiterhin ein Tierheim haben möchte, sind wir auf mehr Unterstützung durch den Kreis angewiesen.“

Die Tiertafel

„Es kommen bereits jetzt Leute zur Tafel, die jeden Cent zählen. Da blutet mir das Herz“, erzählt Selma Wolf, Leiterin der Arnsberger Tiertafel, bei der sich Bedürftige kostenlos Futter für ihre Tiere holen können. Sie blickt ängstlich in die Zukunft. Die 45-Jährige versucht, von überall her Futter zu organisieren, denn das wird knapp: Der Bedarf wird immer größer, die Zahl der Spenden kleiner. Seit drei Monaten kämpft der Verein bereits mit einem Ansturm an Bedürftigen. Zum größten Teil handele es sich dabei um ukrainische Geflüchtete, Senioren mit geringer Rente und Sozialhilfe-Empfänger. Diese müssen nachweisen, dass sie sich das Futter für ihre Tiere nicht leisten können. In den nächsten Monaten könnte sich die Situation weiter zuspitzen, doch mehr helfen könne die Tiertafel in Arnsberg nicht. „Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass ich allen Besitzern mit finanziellen Problemen helfen könnte, aber das geht leider nicht“, bedauert Wolf.

Wer sich die Tiernahrung irgendwie alleine leisten kann, müsse sie auch selbst kaufen. „Wir haben bereits zum jetzigen Zeitpunkt Schwierigkeiten, genügend Futter bereitzustellen“, erzählt Wolf. Befürchtet sie, dass die Spendenbereitschaft bei Futtermitteln in Krisenzeiten noch weiter nachlassen könnte?

Die Leiterin der Arnsberger Tiertafel antwortet: „Ein lautes Ja.“

>> INFO: Tierarzt wird teurer

  • Am 22. November tritt die Änderung der sogenannten Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT) in Kraft – die erste vollständige Erhöhung seit fünf Jahren.
  • Im Schnitt erhöhen sich die Behandlungskosten um 20 Prozent. Bei manchen Positionen fällt die Kostensteigerung drastisch aus. So kostet eine Allgemeinuntersuchung einer Katze künftig 23,62 statt 8,98 Euro.
  • Gründe für die Erhöhungen der Gebühren sind unter anderem steigende Geräte-, Personal- und Energiekosten.