Siegen. Wegen der Energiekrise: Das Möbelhaus Bald in Siegen und Olpe denkt darüber nach, einen Tag weniger zu öffnen. Und damit ist man nicht allein.

Sein Möbelhaus ist auf Wohlfühl-Temperatur aufgeheizt, während vor der Tür nasskaltes Herbstwetter unter die Kleidung zieht. Die einzelnen Küchen sind in der Abteilung extra stark beleuchtet. „Damit der Kunde auch sieht, was er da vor sich hat“, sagt Christian Bald. Ob das Verkaufsmodell „Wohlfühl-Temperatur und Scheinwerferlicht“ Zukunft hat, ist in der aktuellen Situation fragwürdiger denn je. „Wir wissen ja gar nicht, wie sich die Preissituation entwickelt“, sagt der Geschäftsführer des Möbelhauses Bald in Siegen.

Wie ihm geht es derzeit vielen Kollegen im Einzelhandel. Das zeigt exemplarisch eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen: Ein Viertel der rund 100 befragten Einzelhändler berichtete, dass man über verkürzte Öffnungszeiten oder gar eine tageweise Schließung der Geschäfte nachdenke. Christian Bald ist einer von ihnen.

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„Dass wir unsere Häuser – neben dem Sonntag – an einem weiteren Tag schließen, ist noch nicht spruchreif. Trotzdem befinden wir uns in der Diskussion darüber“, sagt er. Aktuelle Tendenz der Debatte: montags bleiben die Läden dicht. 6500 Quadratmeter unterhält der 47-Jährige im Siegener Stamm-Haus. Ein zweites Möbelhaus Bald gibt es noch in Olpe. Dort sind es etwa 4500 Quadratmeter. Fläche, die in den kommenden Monaten beleuchtet und geheizt werden muss. „Da kommt schon einiges zusammen“, sagt der Unternehmer.

50 Mitarbeiter sollen im Alltag auf das Energiesparen achten

Um die explodierenden Energiepreise wenigstens im Ansatz einzudämmen, hat Bald seine 50 Mitarbeiter bereits darum gebeten, vermehrt auf unnötige Lichtquellen zu achten. Räume, die nicht genutzt werden, müssten ja auch nicht unbedingt beleuchtet werden. Bald möchte in den kommenden Monaten 15 bis 20 Prozent Energie einsparen. Ein ambitioniertes Ziel, das allein mit mehr Achtsamkeit beim Ausschalten von Deckenbeleuchtungen nicht zu erreichen sein wird. Es müssen also drastischere Maßnahmen her – etwa die zeitweise Schließung der Geschäftshäuser. „Mit dieser Idee bin ich auch in meiner Branche nicht allein. Ich war gerade noch auf einer Messe, auf der ich mit vielen Kollegen gesprochen habe. Dort wurde deutlich: Viele wollen ihre Geschäfte auch montags geschlossen halten.“

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Für die gesamte Möbelbranche bedeutet die Überlegung eine Trendwende. „In den vergangenen Jahren gab es nur einen Weg: immer länger geöffnet haben, auch an den Wochenenden für die Kunden da sein. Dass wir jetzt die Diskussion führen und in die andere Richtung denken, ist für viele Berufskollegen neu“, sagt der Möbelhändler. Das Einrichtungshaus Turflon in Werl hat seine werktäglichen Öffnungszeiten bereits um eine halbe Stunde reduziert.

Diskussion auch in anderen Gebieten

Doch nicht nur in der Möbelbranche und nicht nur im Gebiet der IHK Siegen wird über die Reduzierung von Öffnungszeiten nachgedacht. Auch Kirsten Deggim von der SIHK Hagen hört von Einzelhändlern vermehrt, dass vergleichbare Lösungen zur Eindämmung explodierender Energiekosten gesucht werden. „Die Stimmung unter den Händlern ist angesichts der Situation gedrückt. Ob Geschäfte tageweise schließen, steht aber noch nicht final fest.“

Die IHK Arnsberg mit Hauptgeschäftsführer Jörg Nolte schildert ähnliche Eindrücke: „Die Gespräche mit den Händlern drehen sich vor allem um das Thema Energie – von Heizkosten über neue Versorgungsverträge oder Unterstützungshilfen.“ Damit Maßnahmen wie die Pflicht zum Abschalten von Werbebeleuchtung und geschlossener Türen mit möglichst viel Fingerspitzengefühl umgesetzt würden, stehe die Kammer mit den Behörden in Kontakt, erklärt Nolte.

Und Hans-Peter Lange von der IHK Siegen, die mit der Blitz-Umfrage erste valide Zahlen zu der Stimmung im Einzelhandel präsentieren konnte, unterstreicht: „Die Sorge der Händler ist groß, das ist spürbar. In den vergangenen beiden Jahren mussten Händler ohnehin schon Federn lassen.“

Geschäftsführer seiht Vorteile der reduzierten Öffnungszeiten

Zurück zum Möbelhaus Bald. Hier würde sich eine Schließung des Geschäfts am Montag vor allem aus praktischer Sicht anbieten, um zwei aufeinanderfolgende Tage frei zu haben und die Heizungen nicht für zwei getrennte geschlossene Tage herunter- und wieder hochzufahren. Trotz der Umstände versucht der Geschäftsführer, Optimismus walten zu lassen: „Eine Schließung am Montag hätte natürlich auch den Vorteil, dass wir an den anderen Tagen immer in voller personeller Besetzung im Haus wären. Bisher ist das wegen Ausgleichstagen von Leuten, die am Wochenende gearbeitet haben, nicht so.“

Argumente gegen eine Schließung existieren aber ebenso. Nicht nur, dass es einen Tag weniger gäbe, an dem Einnahmen generiert werden könnten. Bald sagt: „Gegen eine Schließung spricht zum Beispiel auch, dass Kunden verärgert über diesen Schritt sein könnten und ihre gewohnten Einkaufszeiten nicht mehr haben. Das sind Faktoren, die muss man in eine solche Entscheidung einbeziehen.“

In der Tat: Ob mögliche reduzierte Öffnungszeiten von der Kundschaft akzeptiert werden, würde wohl erst die Praxis zeigen. Eine Befragung über unsere lokalen Facebook-Auftritte ergibt allerdings eindeutig: Das Verständnis ist hier überwältigend.

>> BEFRAGUNG: Ist es o.k., wenn Geschäfte Zeiten reduzieren?

  • Ich fände es generell gut, habe oft genug von Verkäuferinnen gehört, dass abends nichts mehr los ist oder nur noch Alkohol gekauft wird. Denke, bis 20 Uhr reicht vollkommen und samstags bis 16 Uhr.
    Ivon Alscher, Hagen
  • Damals war Samstag ab 14 Uhr alles zu und wir haben es überlebt, kein Mensch muss noch um 19 Uhr einkaufen. Myri Ginguette, Hagen
  • Wir haben es alle früher überlebt, wenn samstags das Geschäft nur von 8 bis 16 Uhr offen war und werktags bis 20 Uhr. Das reicht doch völlig aus. Maik Hering, Hagen
  • Bis 18.30 Uhr wie es früher war, reicht völlig aus. Ralf Frickel, Hagen
  • Gute Idee, wie haben wir nur früher überlebt? Ich finde es wünschenswert. Habe selber im Einzelhandel gearbeitet und die langen Öffnungszeiten verflucht. Sabine Scheffczyk-Auch, Menden
  • Kürzere Öffnungszeiten sparen so gut wie keine Energie. Die echten Energiefresser sind die Kühlungen, die laufen weiter. Die Lüftung kann man auch nicht wirklich abschalten – dann kühlt die Hütte zu sehr aus und muss morgens wieder hochgeheizt werden. Und was man beim Licht einspart, verbrauchen die Mitarbeiter zuhause an Licht, Wärme und Medienequipment. Also eine typische „Milchmädchenrechnung“. Joachim Heimann, Menden
  • Abgesehen vom Energiesparen freuen sich bestimmt auch die Angestellten, etwas früher Feierabend zu haben und in Zeiten, in denen sämtliche Branchen händeringend Personal suchen, ist das bestimmt kein Nachteil für die Attraktivität. Ingo Günnewicht, Menden
  • Gute Idee! Die Geschäfte für den täglichen Bedarf öffnen zumeist um 7 Uhr und können dann gerne um 19 Uhr schließen. Somit sollte jedem möglich sein, den Einkauf zu erledigen. Öffnungszeiten bis 22 Uhr sind auch in Sommerzeiten für mich nicht notwendig. Dieter Mattick, Menden