Arnsberg. Am 1. September kommt sein Nachfolger. Regierungspräsident Hans-Josef Vogel gibt nach fünf Jahren sein Amt ab. Er will aber weiter mitmischen.

Fünf Jahre lang hat er eine Behörde mit rund 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleitet, hat Aufgaben für etwa 3,5 Millionen Menschen vom Sauerland bis ins Ruhrgebiet wahrgenommen, hat mit seinem Team die Verwaltung modernisiert und Krisen gemanagt, die man sich vor wenigen Jahren noch nicht im Traum vorstellen mochte. Am 31. August verlässt Hans-Josef Vogel (66; CDU) das Büro des Arnsberger Regierungspräsidenten. Ein Abschiedsgespräch.

Frage: Sie räumen Ihren Posten als Regierungspräsident. Aber Sie sind doch noch gar nicht fertig, oder?

Hans-Josef Vogel: Nein, selbstverständlich nicht. Und deswegen werde ich mich auch weiter mit den wichtigsten Themen beschäftigen, also Transformation, Digitalisierung, Klimawandel und Demografie.

In welcher Funktion?

In einer neuen Rolle als – wie man heute sagt – Aktivist und als Experte, der weiß, wie man bestimmte Dinge im öffentlichen Sektor managen kann. Ich habe bereits bestimmte Projekte im Kopf. Auf jeden Fall wird es um die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung gehen. Schließlich brauchen wir für Bürgerschaft und Wirtschaft eine moderne Verwaltung für die digitale Zeit.

Erst Normalität, dann Krise

Blicken wir mal zurück: Wie sieht Ihre Bilanz nach fünf Jahren aus?

Die Zeit war zunächst geprägt von der Normalität der vielfältigen Aufgaben einer Bezirksregierung. Ich nenne nur Schulabteilung, regionale Entwicklung, Wirtschaft, Umweltverwaltung, die Kommunalaufsicht, Rohstoffe und Energie, die Förderung vielfältiger Projekte und Entwicklungen in der Region vor Ort. Dann kamen die Ausnahmesituationen: Corona, Klimawandel und jetzt Ukraine-Krieg. Da ist uns gelungen, elastisch zu reagieren. Davon unabhängig ist der dritte Bereich: Der digitale Aufbruch der Bezirksregierung ist geglückt auch mit Hilfe unseres 2018 gegründeten kleinen Innovationslabors – dem GovLab Arnsberg –, wir haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr früh mit digitaler Technik ausgestattet. Bei den Corona-Soforthilfen haben wir das erste vollautomatische Förderverfahren für Nordrhein-Westfalen entwickelt. Wir – die fünf Bezirksregierungen – konnten fast 500.000 Anträge binnen kürzester Zeit abwickeln. Zudem haben wir nachgewiesen, dass Konsultationen und Erörterungstermine auch digital funktionieren. Was mir auch sehr wichtig ist: Wir haben die Bezirksregierung geöffnet und pflegen beispielsweise 24 Innovationspartnerschaften mit Hochschulen. Diese Netzwerkarbeit ist sehr fruchtbar für Kommunen, Schulen und Unternehmen.

Und was hat Sie enttäuscht?

Es ist nicht gelungen, das alles in die Breite zu geben. Auch die Verwaltung ist an Recht und Gesetz gebunden. Wir haben zu viele rechtliche Regelungen aus der vordigitalen Zeit, die jetzt dringend vom Gesetzgeber an die digitale Zeit angepasst werden müssen. Darüber hinaus ist mir vieles nicht schnell genug gegangen. Wir sind an zu viele Hindernisse gestoßen, die in den gesetzgeberischen Vorgaben begründet sind.

Und warum ändert sich das nicht?

Vielleicht ist es nicht spannend genug, hart an trockenen Gesetzestexten aus der Vergangenheit zu arbeiten.

„Wir sollten nicht auf Leidensdruck warten“

Oder ist der Leidensdruck noch nicht groß genug?

Der Volksmund sagt: Not lehrt Beten. Wir sollten nicht auf Leidensdruck warten, sondern vorausschauend arbeiten.

Der Spruch passt ja wie die Faust aufs Auge zur maroden A 45.

Früher war die Bezirksregierung zuständig für das Planfeststellungsverfahren. Und das war richtig so. Denn wir erfahren den Druck, der von der gesperrten Autobahn ausgeht, ja viel unmittelbarer, als das bei Behörden in Leipzig und Bonn der Fall sein kann. Ich kann überdies nicht nachvollziehen, warum bei einem Ersatzneubau ein so aufwendiges Verfahren erforderlich sein soll. Die neue Brücke wird schließlich an derselben Stelle gebaut. Es geht doch nicht um eine neue Autobahn. Wir brauchen jetzt die Klarstellung des Bundesgesetzgebers.

Kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine haben Sie an Bürgermeister und Landräte appelliert, dem Ausbau der erneuerbaren Energie absoluten Vorrang zu geben. Dafür haben Sie viel Kritik geerntet.

Dem aktuellen ARD-Politbarometer zufolge befürworten 93 Prozent der Bürgerinnen und Bürger den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren. Sie wollen raus aus der Abhängigkeit von Diktatoren und einen Beitrag für den Klimawandel leisten. Da ist die Gesellschaft also viel weiter.

„Windräder gehören zum Leben dazu“

Gerade im Sauerland fällt aber immer das Schlagwort „Verspargelung der Landschaft“.

Windräder gehören zum Leben dazu, genau wie Autobahnbrücken und Mobilfunkmasten. Daran müssen wir uns gewöhnen. Wir reden ja auch nicht von einer Betonisierung, als das Sauerland verkehrlich erschlossen wurde. Ich halte nichts von diesen Kampfbegriffen. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht jüngst festgestellt, dass der Klimaschutz ein Verfassungsgebot ist. Wir müssen jetzt handeln, das sehen wir doch auch hier im Sauerland: Der Wald stirbt, wir erleben Hitzewellen und gewaltige Überschwemmungen.

Können unsere Politiker und Behörden Krise? Oder ist das mehr Learning bei Doing?

Es fehlt in der Tat eine institutionalisierte strategische Vorausschau, in der Szenarien für alle Fälle aufgestellt werden. Die Vorteile einer stärkeren Verknüpfung von Politik und Verwaltung mit der Wissenschaft werden noch nicht ausgeschöpft.