Arnsberg. Ob breite Radwege, Digitalisierung oder Architektur: Kann Südwestfalen ausgerechnet von der dänischen Hauptstadt Kopenhagen lernen?

Drittstärkste Industrieregion Deutschlands? Schön. Mehr als 150 Weltmarktführer? Toll. Jobs für hunderttausende Facharbeiter? Klasse. Reicht aber auf Dauer nicht, sagt Stefan Slembrouck. Südwestfalen sonne sich ein bisschen in seiner Vergangenheit, kritisiert der Arnsberger. Er ist Philosoph, Digitalunternehmer, Grünen-Politiker und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Smart City. „Wir müssen lernen, uns vorzustellen, wie unsere Region in 50 Jahren aussehen soll“, fordert er.

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Südwestfalen, seine Städte müssen schlauer werden. Smarter. Beim Klimaschutz, bei der Mobilität, beim gesellschaftlichen Zusammenhalt, bei der Energiewende, bei der Bildung, bei der Gesundheitsinfrastruktur, bei Freizeitangeboten, beim Entwickeln und Einsetzen von Zukunftstechnologien, natürlich bei der Digitalisierung. Eine Smart City ist eine Stadt, die den Willen hat, ihre Zukunft langfristig strategisch zu planen“, sagt Slembrouck. Kopenhagen hat diesen Willen. Schon lange. Deshalb ist eine Delegation aus Südwestfalen jetzt in die dänische Hauptstadt gereist, um zu sehen, zu stauen, zu lernen.

2,20 Meter breite Radwege - physisch abgetrennt

Dort, so Slembrouck, hätten die Verantwortlichen der Stadt beispielsweise schon vor Jahrzehnten damit begonnen, „den Radverkehr neu zu denken“ und entsprechend zu handeln. 2,20 Meter breite Radwege seien nur eine von vielen Konsequenz daraus – pro Fahrtrichtung. Die Wege sind zudem physisch vom restlichen Verkehr abgetrennt. Das gibt Sicherheit. Kopenhagen wollte schlicht zur besten Fahrradstadt der Welt werden.

Stefan Slembrouck.
Stefan Slembrouck. © Stefan Slembrouck | Privat

Zweites Beispiel: Architektur. „Das ist eine Stadt auf Augenhöhe“, sagt der Arnsberger. Geplant werde dort nach folgender Maxime: erstens Mensch, zweitens Raum, drittens Gebäude. Folge: Die Bürger fühlen sich eingeladen. Sie leben gern dort, sie kommen gern dorthin.

Zuvor war es nötig, ein paar Knöpfe in den Köpfen umzuschalten, sagt Slembrouck. Stärken und Schwächen analysieren, eng mit den Bürgern in Kontakt treten, sie aufsuchen, beteiligen. Agile Arbeitsgruppen gründen, die zielorientiert arbeiten und nicht hierarchisch strukturiert sind. Und selbstverständlich: die Digitalisierung vorantreiben. „Digitale Werkzeuge sollen die Ziele der smarten Stadt unterstützen, die Lebensqualität steigern“, sagt Slembrock. Sie seien kein Selbstzweck.

In Kopenhagen auch wirtschaftlich ein Erfolgsmodell

In Kopenhagen sei diese Transformation auch wirtschaftlich ein Erfolgsmodell. Das sei unter anderem auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit des öffentlichen Sektors mit Privatunternehmen zurückzuführen. „Wir müssen in Deutschland die öffentlich-privaten Partnerschaften ausbauen“, folgert Slembrouck. Hier könnte die Stadtwerke eine größere Rolle spielen. Er könnte sich etwa einen südwestfälischen Energieverbund sehr gut vorstellen.

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Was ihm hierzulande manchmal fehlt ist der Gestaltungswillen, sind die Visionen. Und die schlagkräftige politischen Organisationsstrukturen. Der Regionalrat müsse sich emanzipieren, meint er. Er müsse die Idee für eine klimaneutrale, nachhaltige Region politisch verankern, „einen Orientierungs- und Handlungsrahmen für die Kreise und Kommunen schaffen, fordern, dass Anträge – zum Beispiel für neue Gewerbeflächen – sich an Nachhaltigkeitskriterien orientieren“.

Fünf Kommunen gehen in Südwestfalen schon voran

Kopenhagen könnte dem Denken in Südwestfalen ein bisschen auf die Sprünge helfen. Die Zusammenarbeit mit den Dänen soll deshalb ausgebaut werden. Von Arnsberg aus soll das Regionennetzwerk „Global Smart Regions“ gesteuert werden. Im Kopenhagener Delegationsteam waren auch Dortmund und Solingen sowie die Regionen Oberösterreich und Süd-Estland vertreten. Im September besuchen die Dänen das Sauerland.

Die Stadt Arnsberg selbst ist schon ziemlich smart. In den vergangenen Jahren ist dort viel bewegt worden, zum Beispiel wenn es um das ehrenamtliche Engagement geht. Gemeinsam mit Bad Berleburg, Menden, Olpe und Soest treibt die Kommune nun „5 für Südwestfalen“ voran, ein Projekt, bei dem mit Unterstützung der Südwestfalen-Agentur das Quintett Stadtplanung und Ortsentwicklung konsequent auf die Bedürfnisse der Menschen ausrichtet.

Alle fünf wollen schlauer werden und andere schlauer machen: Weitere Kommunen aus der Region haben sich bereits angeschlossen. „Wir müssen Strahlkraft erzielen“, sagt Slembrouck. „Wir müssen andere beeindrucken.“ Und zwar nicht nur mit neuen Gewerbegebieten. Sondern mit schlauer Mobilität (ohne Verbrennungsmotor), schlauer Logistik, schlauem Energiemanagement, schlauem Gesundheitswesen, schlauen Bildungsangeboten. Gut für den Menschen, gut für die Umwelt.

Kopenhagen jedenfalls hat schon viele andere beeindruckt.