Arnsberg. Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel und der Verbrauch steigt. Wann sollte man es nicht trinken und was bedeutet die 4-Stunden-Regel?

Wasser ist in unserem Leben allgegenwärtig. Es kann sich zu einer mächtigen Gefahr zusammensammeln, wie die Hochwasser-Katastrophe zeigt. Es ist aber gleichzeitig auch unser wichtigstes Lebensmittel. Erstmals seit 1995 stieg der Pro-Kopf-Verbrauch wieder, wie das Statistische Landesamt jüngst für das Jahr 2019 errechnete. 138,4 Liter Trinkwasser verbraucht jeder NRW-Bürger demnach durchschnittlich am Tag. Immer mehr Menschen trinken auch das Wasser aus dem eigenen Hahn. Aber ist das immer gesund? Wo kommt das Wasser her? Wie schütze ich mich vor Verunreinigungen? Zwei Wasser-Experten liefern Fakten.

1. Wasser aus 100 Metern Tiefe

„Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, Trinkwasser zu gewinnen: über Oberflächengewässer wie Flüsse und Talsperren sowie über das Grundwasser“, erklärt Victoria Krieter aus dem Dezernat 54 der Bezirksregierung Arnsberg, das sich mit Grundwasser, öffentlicher Wasserversorgung und Wasserschutzgebieten auseinandersetzt. „Manche Grundwasserbohrungen gehen über 100 Meter in die Tiefe. Es wird nach oben gepumpt und dort an Ort und Stelle aufbereitet.“ An Oberflächengewässern wie Flüssen gibt es Entnahmebauwerke, in denen das Wasser durch natürliche Versickerung und Filtration sowie später durch chemische oder physikalische Prozesse gesäubert wird.

2. Jedes Wasser hat seine eigene Geschichte

Victoria Krieter, Expertin bei der Bezirkregierung Arnsberg für Grundwasser, öffentliche Wasserversorgung und Wasserschutzgebiete
Victoria Krieter, Expertin bei der Bezirkregierung Arnsberg für Grundwasser, öffentliche Wasserversorgung und Wasserschutzgebiete © WP | Privat

Jedes Wasser sucht sich seinen eigenen Weg und hat seine eigenen Charakteristika. „Die chemische Beschaffenheit der beiden Wassertypen unterscheidet sich zum Teil deutlich. Oberflächengewässer sind anderen Umwelt- und Witterungseinflüssen ausgesetzt als das Grundwasser“, erklärt Krieter. Das Grundwasser werde beeinflusst von dem Gestein, das es durchfließe, während Oberflächengewässer von u.a. Zuströmen und Witterungsbedingungen abhängig seien.

3. Der Regierungsbezirk Arnsberg ist speziell

Während im Regierungsbezirk Münster der allergrößte Teil des Trinkwassers aus dem Halterner Stausee stamme, seien die Möglichkeiten im Regierungsbezirk Arnsberg extrem unterschiedlich und reichhaltig, sagt Krieter. Südwestfalen wird bei der Wasser-Versorgung durch die großen Reservoirs geprägt, die zum Beispiel die Biggetalsperre, Sorpe- oder Möhnesee bieten. Aber es gibt auch Ausnahmen wie zum Beispiel das zu Bad Berleburg gehörende Aue-Wingeshausen, Attendorn oder Oberveischede, wo Grundwasser gefördert und eher wenigen Haushalten zugänglich gemacht wird. Die kleinteilige Wasserversorgungsstruktur ist ein Merkmal von ländlichen Gebieten.

„In Hagen, Hamm, Dortmund, dem Kreis Soest und dem Kreis Unna spielt das Wasser aus der Ruhr eine große Rolle, das entnommen und aufbereitet wird“, sagt Krieter. Das Wasser in Hagen zum Beispiel ist eher weich.

4. Wo der Tee anders schmeckt

„In Brilon und Warstein wird auch Grundwasser zu Trinkwasser. Es passiert dort kalkhaltiges Gestein und ist reicher an Mineralien wie Kalzium und Magnesium, welche für den menschlichen Körper wichtige Komponenten darstellen“, sagt Victoria Krieter. Man spricht dabei auch von hartem Wasser. Das hat aber auch Nachteile: starke Kalkablagerungen zum Beispiel im Wasserkocher oder Tee, der geschmacklich beeinträchtigt wird und Schlieren an der Oberfläche aufweist.

5, Kann das Grundwasser ausgehen?

Marc-Oliver Klung, Gesundheitsingenieur des Gesundheitsamtes HSK, u.a. zuständig für Trinkwasser, Schwimmbäder, Umwelthygiene
Marc-Oliver Klung, Gesundheitsingenieur des Gesundheitsamtes HSK, u.a. zuständig für Trinkwasser, Schwimmbäder, Umwelthygiene © WP | Privat

Prinzipiell habe Südwestfalen stets ausreichend Grundwasser. Das ist nicht selbstverständlich, denn die zur Verfügung stehende Menge hängt nicht nur von der Menge des Niederschlags und der Entnahme ab, sondern auch von der Durchlässigkeit des Bodens und seiner Speicherfähigkeit. Während der Niederrhein mit seinen sandigen Böden eher mal an seine Grenzen stößt, ist dies im Festgestein des Sauerlandes bislang nie der Fall – außer in Einzelfällen. Im sehr trockenen Sommer 2018 wurde in einigen Ortschaften Schmallenbergs im Hochsauerland ins Leere gepumpt. Kein Grundwasser mehr da. Bürger mussten über Tankwagen mit Wasser versorgt werden. Folge: Nach Winkhausen wurde eine Notversorgungs-Leitung gelegt, auch Holthausen und Jagdhaus sind inzwischen an die Versorgung angeschlossen.

6. Das bestüberwachte Lebensmittel

„Leitungswasser ist das Gesündeste und Beste, das man trinken kann, weil es so streng überwacht wird wie kein anderes Lebensmittel und es zudem viel frischer ist als das Wasser, das in Flaschen gefüllt und auf eine weitere Reise geschickt wird“, sagt Victoria Krieter. Es ist die nachhaltigere Lösung und auch die günstigere. „Für täglich 26 Cent liefert Ihnen Ihr Wasserversorger weit über 100 Liter Trinkwasser“, errechnet das Bundesumweltministerium. 100 Liter Wasser vom Discounter kosten etwa 13 Euro.

7. Wenn der Hausbesitzer die Verantwortung trägt

Die Bezirksregierung und die Wasserversorger stellen zwar eine qualitativ hochwertige Anlieferung des Wassers sicher, aber ab dem Hausanschluss sind die Hausbesitzer verantwortlich. „Das Wasser ist von Seiten der Wasserversorger und der Gesundheitsämter qualitativ bestens überwacht. Wie jedes Lebensmittel, kann aber auch Trinkwasser ,verderben’“, sagt Marc-Oliver Klung, Gesundheitsingenieur des Gesundheitsamtes im Hochsauerlandkreis, u.a. zuständig für Trinkwasser, Schwimmbäder, Umwelthygiene.

8. Vorsicht in alten Häusern

In Nordrhein-Westfalen wurden in älteren Häusern (vor 1973) vornehmlich Blei-Leitungen verlegt, wie das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz herausstellt. „Blei wirkt toxisch. Daher ist der Grenzwert für Blei im Trinkwasser auf 0,01 Milligramm pro Liter begrenzt. Dieser kann praktisch nicht eingehalten werden, wenn noch Bleileitungen in der Installation vorhanden sein sollten“, sagt Klung. Besonders gefährdet sind Säuglinge, Kleinkinder und Schwangere.

9. Die wichtige 4-Stunden-Regel

„Lange Verweilzeiten von Trinkwasser in den Leitungen führen dazu, dass sich Materialien aus den Leitungen lösen und in das Trinkwasser übergehen können“, sagt Klung. Neben Blei kann dies Nickel oder Kupfer sein. Das Wasser verändert seine Eigenschaften schon nach recht kurzer Zeit. Das Umweltbundesamt nennt einen Rahmen von vier Stunden.

Tipp daher gerade am Morgen: Das Wasser so lange aus dem Hahn laufen lassen, „bis es deutlich kühler aus der Leitung kommt. Es stammt dann nicht mehr aus den Leitungsabschnitten, in denen es über Nacht stagnieren konnte“, sagt Klung, der aber auch darauf hinweist, dass Bedenkliches länger benötigt. Bis sich tatsächlich Partikel aus Leitungen und Materialien lösen, „braucht es schon größere Zeitspannen, wie etwa einen Tag“, sagt Klung.

10. Gefahr, wenn das Wasser steht

Trinkwasser kann verkeimen. „An allen wasserbenetzten Oberflächen bilden sich sogenannte Biofilme, bestehend aus wenigen Keimen. Das trifft auch auf die Oberflächen der Wasserleitungen zu“, sagt Klung. „Stagniert das Trinkwasser zu lange, so gehen aus diesem Biofilm Keime auf das Trinkwasser über.“ Die bekannteste Bakterienart ist die Legionelle, die beim Eindringen in die Atemwege zu schweren Erkrankungen führen kann. „Trinkwasser sollte daher beständig in kurzen Abständen an allen Entnahmestellen in unseren Installationen abgenommen werden“, sagt Klung.

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Wird eine Dusche zum Beispiel unregelmäßig genutzt, dann können sich – zunächst am Brauseschlauch und dem Duschkopf – Legionellen vermehren. Nach drei Tagen Stillstand sollten – so Klung – alle Wasserhähne geöffnet werden und das Wasser solange abgelassen werden, „bis eine Temperaturkonstanz sowohl im Kalt- als auch im Warmwasser eintritt“. Bei einer Nichtnutzung von mehr als vier Wochen sind die betreffenden Leitungen abzusperren und bei Wiederinbetriebnahme ausgiebig zu spülen und/oder zu desinfizieren.

11. An den Filter denken!

Jedes Privathaus besitzt einen Hausanschlussfilter, dessen Zustand regelmäßig überprüft werden sollte. Oft reicht eine Rückspülung, um den Filter von festgesetzten Partikeln zu befreien. „Der Hausanschlussfilter soll den Eintrag von beispielsweise kleinen Rostteilchen aus den Transportleitungen in die Trinkwasserinstallation verhindern“, sagt Klung. Bleibt die Säuberung aus, kann daraus „ein Reservoir für Mikroorganismen werden“, so Klung. In Mehrfamilienhäusern ist der Eigentümer verantwortlich für die Einhaltung der Qualitätsstandards. Zu seinen Pflichten zählen regelmäßige Untersuchungen des Trinkwassers auf Legionellen.

12. Das heißen die Tropfen an der Gaststätte

Die Verbraucherzentrale in Hagen gewann zuletzt 16 Haushalte für ein Projekt: Wasser nur noch aus dem Hahn zu trinken, um Müll zu sparen. „Die meisten Testpersonen waren begeistert“, sagt Ingrid Klatte, die den Versuch begleitete und die Erfahrungen sammelte. „Einen öffentlichen Trinkbrunnen zum Nachfüllen hat keiner von ihnen gefunden“, sagt sie. Aber sie hat einen Tipp: „Es gibt zunehmend Geschäfte und Gaststätten, die ein Tropfensymbol an der Scheibe haben. Das bedeutet, dass man dort seine Flasche kostenlos nachfüllen darf. 0Man kann in der Gastronomie auch fragen, ob man Leitungswasser an den Tisch bekommt. Die Wirte nehmen dafür meist nur Spül- oder Glasgeld.“

>> INFO: Hier können Sie Ihr Wasser testen

  • Mit Selbsttests aus dem Internet oder der Apotheke kann man sein Wasser auf Verunreinigungen testen. Kosten: ab zehn Euro aufwärts (je nach Analysegrad).
  • Das Landesamt für Verbraucherschutz führt auf einer Internetseite Labore auf, die seriöse Untersuchungen anbieten. Diese gibt es in der Region u.a. in Hagen, Dortmund, Schwerte, Siegen, Wuppertal. Nicht alle bieten diese allerdings für Endverbraucher an. Informieren Sie sich daher am besten telefonisch.