Arnsberg. Hitze, Trockenheit, Waldbrände, Stromausfall deutschlandweit - das ist das Drehbuch, nachdem die Bezirksregierung Arnsberg den Krisenfall probt.

Da, wo gerade der Krisenstab im Gebäude der Bezirksregierung Arnsberg tagt, trägt die Zeit Alarmstufen-Rot. Die Digitaluhr hängt in Zimmer 211 hoch oben an der Wand. Leuchtend rot weist sie den Fortgang der Minuten nach. 14.27 Uhr. Keine zehn Stunden mehr, dann muss der Strom in ganz Deutschland abgeschaltet werden. Der Grund: die Dürre. Hitze und ausbleibende Niederschläge haben zu Waldbränden und besorgniserregend niedrigen Pegelständen in den Talsperren geführt. Das Kühlwasser für die Atomkraftwerke wird knapp. Sie müssen deswegen abgeschaltet werden. Kein Strom mehr ab 24 Uhr.

Wie in einer Blackbox

Das ist das Szenario, das das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zu Übungszwecken entworfen hat. „Ödland 2019“ ist der Titel des Drehbuchs, nach dem in Arnsberg am vergangenen Dienstag gearbeitet wird. Proben für den Ernstfall. „Ich bin vorbereitet worden und wusste, worum es geht: um Dürre. Aber das genaue Szenario kannte ich nicht“, sagt Monika Nienaber-Willaredt. Sie ist normalerweise die Leiterin der Schulabteilung bei der Bezirksregierung, heute aber leitet sie den Krisenstab. Grund: Alle Abteilungsleiter sollen dazu imstande sein, falls mal wochenlang der Ausnahmezustand herrscht und Wechsel erforderlich sind.

Interne Abläufe und die Zuweisung an das entsprechende Dezernat.
Interne Abläufe und die Zuweisung an das entsprechende Dezernat. © FUNKE Foto Services | Ulrich Hufnagel

„Natürlich fragt man sich: Was kommt auf mich zu? Werde ich den Anforderungen gerecht? Das ist wie eine Blackbox, in die man hineingeht. Aber die Arbeit nahm so schnell Fahrt auf, dass ich schnell ganz tief drin war in diesem Szenario.“ Es ist ein Szenario, für dessen Entwurf man nicht allzu viel Fantasie benötigt. Waldbrände hat es schon gegeben, das Atomkraftwerk im niedersächsischen Grohnde stand im Juli schon vor der Abschaltung, weil sich das Weserwasser zu stark erwärmt hatte.

Schnell und effizient kommunizieren

Die Luft steht hinter der Tür zu Raum 211. Es riecht nach Kaffee und Anstrengung. Die Lamellen vor den Fenstern sind zugezogen. Rund 50 Mitarbeiter – darunter auch Vertreter von Feuerwehr und Bundeswehr – sitzen an einem großen „U“ aus Tischen um die verschiebbaren, raumhohen Tafelwände herum. Papiere sind dort aufgeklebt, Notizen vermerkt, Aufträge formuliert zum internen Ablauf.

„Dienst-KfZ mit Kraftstoff versorgen und Nutzung einschränken?“ Erledigt von Dezernat 12.

„Anschaffung Sat-Telefone?“ Eingeleitet von Dezernat 22.

„Organisation 24-Stunden-Dienst?“ Eingeleitet von Dezernat 14.

Militärisch zackig geht es zwangsweise zu. „Es geht darum, möglichst schnell und effizient zu kommunizieren“, sagt Frank Meurer vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Er begleitet die Übung, gibt Hinweise.

Stabsleitung trifft die Entscheidung

Nachdem der Krisenstab zur Lagebesprechung am Morgen zusammenkommt, durchdenken die sechs Fachbereiche danach intern die Auswirkungen der Lage in ihren Abteilungen und arbeiten an möglichen Lösungen. Zweite Sitzung am Mittag, Vorstellung der Handlungsmöglichkeiten und möglichen Konsequenzen. Aufgrund dieser Basis trifft die Stabsleitung eine Entscheidung. 78 Gemeinden fallen in die Zuständigkeit der Bezirksregierung Arnsberg, darunter Großstädte wie Dortmund, Bochum, Hagen. 3,5 Millionen Einwohner. Sie agiert als obere Katastrophenschutzbehörde. Über ihr steht das Landesinnenministerium, unter ihr die Kreise und kreisfreien Städte.

Zusammen mit Frank Meurer vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe übten die Mitarbeiter der Bezirksregierung Arnsberg die Arbeit im Krisenstab.
Zusammen mit Frank Meurer vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe übten die Mitarbeiter der Bezirksregierung Arnsberg die Arbeit im Krisenstab. © FUNKE Foto Services | Ulrich Hufnagel

„Mir wurde erst jetzt richtig bewusst, welche Tragweite die eine oder andere Entscheidung hat“, sagt Monika Nienaber-Willaredt, die heutige Krisenstabsleiterin: „Ein Beispiel: Wir haben mehr als 1000 Störfallbetriebe im Regierungsbezirk.“ Chemieanlagen, Kraftwerke, Sprengstoffbetriebe, deren Systeme planmäßig heruntergefahren werden müssen, um Schäden zu verhindern. Brände oder Explosionen könnten entstehen. In den Krankenhäusern müssen planmäßige Operationen verschoben werden, nur die Notfälle können versorgt werden.

Immense Tragweite

„Manches sieht in der Entstehung der Entscheidung unspektakulär aus, hat aber eine immense Tragweite“, sagt Frank Meurer, der Mann von der Katastrophenhilfe. Schließlich müsste zum Beispiel die gesamte medizinische Versorgung neu organisiert werden. „Aber es hat hervorragend funktioniert“, urteilt er. Der gesamte Prozess wird von ihm und der Behörde selbst noch einmal aufgearbeitet, um etwaige Verbesserungen vorzunehmen.

„Wir müssen uns auch im Krisenmanagement auf neue Herausforderungen einstellen“, sagt Regierungspräsident Hans-Josef Vogel, der nicht zum Krisenstab gehört, dem aber natürlich berichterstattet wird. Erstmals habe man ein Szenario lang anhaltender Dürre durchgespielt. „Wo liegen Schwachpunkte? Wie können wir sie mit welchen Partnern abstellen?“, fragt er: „Auch die Arbeit im Krisenstab will geübt sein. Da geht es einer Bezirksregierung nicht anders als einer Feuerwehr oder Rettungsorganisation.“