Paderborn/Arnsberg. Das Wirken der Prämonstratenser in Westfalen ist fast vergessen. Eine Ausstellung geht jetzt auf Spurensuche und entdeckt emanzipierte Frauen

Eine Nonne hilft Christus, das Kreuz zu tragen. Die lebensgroße Passionsdarstellung eines unbekannten Bildhauers verrät nicht nur tiefe Frömmigkeit, sie spiegelt auch das Selbstbewusstsein der westfälischen Ordensfrauen im Mittelalter. Die Skulpturengruppe aus dem Kloster Oelinghausen gehört zu den faszinierenden Entdeckungen, welche das Diözesanmuseum Paderborn auf den Spuren der Prämonstratenser machen konnte. Mit einer Wanderausstellung würdigt das Erzbistum ab 12. September das 900-Jahr-Jubiläum des Ordens.

Die Suche nach alternativen Lebenskonzepten ist kein Privileg heutiger Jugend. Auch Norbert von Xanten steigt aus seiner vorgezeichneten glanzvollen Klerikerkarriere aus, um als mittelloser Wanderprediger Christi nachzufolgen. Askese, Versöhnung und Armut im Dienst an der Gemeinschaft sind die Leitmotive seines Wirkens. Mit einer Gruppe von 30 Gleichgesinnten gründet er 1120 im französischen Tal von Prémontré bei Laon den Prämonstratenser-Orden, der außerordentlich schnell vor allem in Westfalen und im Sauerland zahlreiche Niederlassungen aufbaut.

Europäische Netzwerke

Bereits 1122 entsteht das erste deutsche Stift in Cappenberg. Allein auf heutigem Arnsberger Stadtgebiet entstehen mit Wedinghausen, Oelinghausen und Rumbeck drei Prämonstratenser-Klöster. Werl und Dortmund liegen nahebei. Die Konvente sind nicht nur mit der Bibel aktiv, sondern auch mit dem Spaten. Mit ihrem Wissen um Ökonomie und Landbau, ihren europäischen Netzwerken in Bildung, Architektur und Kunst haben sie das Sauerland in der Siedlungsphase des 12. und 13. Jahrhunderts erst „gemacht“. Ein Jahrhundert später gibt es in ganz Europa 600 Stifte. Sie alle prägen Kulturlandschaften.

Viele dieser ersten Gründungen entstehen als Doppelklöster. Der junge Orden wird vor allem bei den Frauen ausgesprochen beliebt. „Tausende und Abertausende“ von ihnen folgen Norbert, so schreibt es der Chronist Hermann von Tournai. Die Prämonstratenser sind keine Gemeinschaft von Mönchen und Nonnen, sondern von Chorherren und Chorfrauen, die in Stiften leben. Für viele adelige und bürgerliche Töchter und Schwestern, die nicht heiraten, bietet sich hier die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens. Oelinghausen wird zum wohlhabendsten Frauenkloster in Westfalen, dort treten die Frauen der Arnsberger Grafenfamilie in den Konvent ein und die Schwester des Kölner Erzbischofs Engelbert von Berg.

Das Erbe vor Ort

„Wir haben für die Ausstellung erforscht, welches Erbe und welche Überreste der Prämonstratenser in den Gemeinden vor Ort geblieben sind“, so schildert Ulrike Frey von der Fachstelle Kunst des Erzbistums die Idee hinter der Ausstellung. „Das war spannend, wir haben einiges gefunden, wo man die Provenienz nachweisen kann.“ Diese Zeugnisse werden ab Dezember in einer Sonderausstellung im Diözesanmuseum Paderborn gezeigt, und zwar teilweise zum ersten Mal überhaupt.

„Die goldene Monstranz der Hagener Marienkirche stammt ursprünglich aus dem Katharinenkloster Dortmund, das, wie alle anderen Klöster, bei der Säkularisation von 1803 aufgelöst wird.“ Das Katharinenkloster, an das heute noch die Katharinenstraße erinnert, erfreut sich kaiserlicher Privilegien. Der Stauferherrscher Heinrich VI. schenkt der Niederlassung Königsland in Dortmund. Die Monstranz aus dem 15. Jahrhundert gehört zu den Meisterwerken der Goldschmiedekunst. „Die hl. Katharina steht so schön mit Rad und Schwert im Türmchen“, beschreibt Ulrike Frey das Werk. Nach der Säkularisation kommt das liturgische Schaugerät in die Marienkirche Hagen.

Schwerpunkt Paramentenstickerei

Im Kloster Rumbeck ist die Paramentenstickerei der Schwerpunkt der Ordensfrauen. „Wir haben vor Ort noch wunderbare Schätze. Die packen wir wieder aus und zeigen sie“, sagt Ulrike Frey.

Im Kloster Oelinghausen stand jahrelang unbeachtet in einem Anraum neben dem Gnadenbild in der Kerzenkapelle die Kreuztragung aus der Zeit um 1500. Die Christus- und die Nonnenfigur sind fast lebensgroß. „Ich wüsste nicht, dass es sonst noch eine Darstellung gibt, in der eine Frau die Rolle des Simon von Cyrene einnimmt und Christus hilft, das Kreuz zu tragen“, erläutert Ulrike Frey. „Das Kunstwerk ist einzigartig.“ Die Skulpturengruppe ist kürzlich restauriert worden und hat ihren Platz auf der Nonnenempore der Klosterkirche gefunden.

Heute weiß kaum noch jemand, wer die Prämonstratenser sind. In Deutschland gibt es nur noch fünf Klöster, eines davon ist die Abtei St. Johann in Duisburg-Hamborn. So soll wenigstens zum 900-Jahr-Jubiläum in Erinnerung gerufen werden, wie sehr der Orden die Region geprägt hat. Ulrike Frey: „Wo kommen wir her? Wo kommen die Dinge in unserer Umgebung her und was haben sie für eine Geschichte? Das sind die spannenden Fragen.“

Die Ausstellung wird in Arnsberg in den Klöstern Wedinghausen, Oelinghausen und Rumbeck am 12. September eröffnet. www.diözesanmuseum-paderborn.de