Hagen. „Völliger Quatsch“ sei das von Bundesinnenminister Horst Seehofer erlassene Verbot der Bandidos, sagt der Anwalt der Rocker. Seine Prognose.

Dass es letztlich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sein wird, der dem Spuk ein Ende bereitet, ist an jenem 3. Oktober 2016 nicht abzusehen. Knapp fünf Jahre ist es her, dass rund 200 Rocker der Freeway Riders durch Hagen marschieren, um ein Machtzeichen zu setzen. Ein Zeichen, dass sie nicht den konkurrierenden Bandidos weichen werden, die sich breit machen wollen in der 190.000-Einwohner-Stadt, in der sich die Freeways 1974 gegründet hatten.

Chapter in Dortmund, Menden, Unna und Siegen betroffen

In der Rückschau ist das Ganze aber der Beginn jenes Prozesses, der am Montagmorgen mit der offiziellen Bekanntmachung endet, dass Innenminister Seehofer (CSU) die „Federation West Central“, also quasi die Bandidos-Dachorganisation für fünf Bundesländer, verboten hat. Und mit ihr auch knapp 40 örtliche Chapter, davon rund 25 in Nordrhein-Westfalen, etwa in Dortmund, Menden, Siegen oder Unna. Es ist der bislang größte Schlag gegen die Rocker in Deutschland.

Und undenkbar wäre das Ganze, wenn sich nicht in Hagen die Staatsanwaltschaft und die Polizei-Ermittler für Organisierte Kriminalität so in diesen Fall hineingekniet hätten. Zwei im Bundesvergleich eher kleine Behörden, die am Ende dem Innenminister die Argumente für das Vereinsverbot liefern. Wenn aus dem Ministerium zu hören ist, dass die Bandidos schwere Straftaten bis hin zu Tötungsdelikten nicht nur geduldet, sondern durch die in der Szene so wichtigen Aufnäher auf den Kutten („Patches“) bewusst gefördert hätten, klingt das wie abgelesen aus den Anklageschriften der Hagener Bandidos-Prozesse.

Dabei scheint es doch erst ein zwar heftiger, aber dennoch lokal begrenzter Konflikt in Hagen zu sein. Zwischen den Bandidos und Freeway Riders kommt es zu zum Teil blutigen Auseinandersetzungen auf offener Straße. Doch die Ermittler in Hagen konzentrieren sich nicht nur auf die Straftaten im engeren Sinne. Sie nutzen die Möglichkeiten, die ihnen die Gesetze bei solchen Delikten bieten und gelangen auch durch das Abhören von Telefonaten und das Mitlesen von Chat-Protokollen immer tiefer in die Strukturen der Rockerszene.

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In den Augen der Ermittler wird immer deutlicher: Es handelt sich hier um eine straff organisierte, streng hierarchische Formation. Straftaten werden von ganz oben angeordnet, gebilligt oder zumindest zugelassen.

„Ziemlich böse Freunde“: Bandidos-Gründer vor Gericht

Und so gelingt es schließlich auch, die beiden Führungsfiguren der Bandidos anzuklagen: Peter M. und Leslav H. Zwei Männer, die sogar schon ein Buch über ihr Rocker-Leben geschrieben haben: „Ziemlich böse Freunde – Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten“. Seit Herbst sitzen sie mit weiteren Bandidos in Hagen auf der Anklagebank. Unter anderem wird ihnen die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Es geht aber auch um den Vorwurf des versuchten Mordes. Schüsse auf einen Hells-Angels-Treffpunkt in Köln werden verhandelt.

Die Rockergruppe „Bandidos MC “ ist verboten worden.

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    Und nicht zu vergessen, was quasi als „Nebenprodukt“ dieser Ermittlungen im Hagener Rockerkrieg abgefallen ist: der große Umarex-Prozess. Eine beschlagnahmte P 22 führte zu einem Angestellten des namhaften Arnsberger Waffenherstellers. Der hatte Teile der Waffen hinausgeschmuggelt, wieder zusammengebaut und in großer Stückzahl in die Rockerszene verkauft. Lange Haftstrafen waren auch in diesem Prozess die Folge.

    Anwalt: „Das hat vor Gericht keinen Bestand“

    Ist man jetzt stolz bei der Hagener Staatsanwaltschaft, dass das Ganze im Verbot der Bandidos endet? Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli zeigt sich zurückhaltender: „Es ist aus unserer Sicht konsequent und folgerichtig.“ Das Verbotsverfahren „sehen wir durchaus als Bestätigung unserer Arbeit“.

    Dr. Reinhard Peters, der unter anderem Bandidos-Gründer Peter M. vertritt, sieht das ganz anders: „Dieses Verbotsverfahren ist doch völliger Quatsch und wird letztlich auch keinen Bestand vor Gericht haben.“ Von den knapp 40 Chaptern könnten mehr als 35 gar nicht in Zusammenhang mit Straftaten gebracht werden. Der Bochumer Anwalt macht klar: „Wir werden auf jeden Fall gegen das Verbot klagen.“ Heute will er mit einer Verwaltungswissenschaftlerin die nächsten Schritte besprechen. „Aber die Crux ist ja: Das Verbot wirkt sofort, das Gerichtsverfahren wird sicherlich drei bis vier Jahre dauern“, so Peters.

    • NRW-Innenminister Herbert Reul sagte, man habe „den Bandidos den Stecker gezogen“. Für ganz Deutschland stimmt das nicht, denn mit den Federations „South Central“ und „East Central“ gibt es zwei weitere Regionalorganisationen – die es allerdings in ihrer Bedeutung und Größe bei weitem nicht mit der verbotenen „Federation Central West“ aufnehmen können.
    • Allen verbotenen Chaptern ist jede Tätigkeit untersagt. Ihre Räume und Clubhäuser wurden versiegelt, Schilder abgehängt.
    • Das Vermögen aller Chapter wird beschlagnahmt – und dazu gehört auch manches Motorrad, von dem die betroffenen Rocker sagen würden, dass es ihr Privatbesitz ist.
    • Die Rocker dürfen zudem ihre ihnen sonst so wichtigen Symbole nicht mehr zeigen. Nicht den Schriftzug „Bandidos“ in der typischen roten Schrift auf gelbem Untergrund und auch nicht mehr die Großbuchstaben BMC für „Bandidos Motorcyle Club“.
    • Es dürfen keine Ersatzorganisationen gebildet werden.
    • Laut Landeskriminalamt sind die Rocker-Gruppierungen, die den „Outlaw Motorcycle Clubs“ (OMC’s) zugeordnet werden, in Nordrhein-Westfalen so stark:
      1. Bandidos MC:
      28 Chapter / 740 Mitglieder
      2. Freeway Riders MC:
      30 / 430
      3. Gremium MC:
      7 / 270 Mitglieder
      4. Hells Angels MC:
      20 / 270
      5. Outlaws MC:
      3 / 60
      6. Brothers MC:
      5 / 70