Hagen. Mit den Lockerungen entfällt die Pflicht über den Nachweis eines negativen Tests. Sind die Testzentren überflüssig? Oder ganz im Gegenteil?

Testzentren schossen in den vergangenen Monaten aus dem Boden. Mit dem Schnelltest auf das Coronavirus wurden Familientreffen abgesichert und wurde zuletzt die Eintrittskarte in die Gastronomie, das Freibad, den Zoo gezogen. Doch mit sinkenden Inzidenzen fällt der Nachweis eines Tests in vielen Kreisen und Städten weg. Wird weniger getestet? Machen die Zentren bald dicht? Wir fragten...

… die Betreiber

Die Nachfrage lasse nach, ja, sagt Gregory Staats. Die Testzentren im Ennepe-Ruhr-Kreis deshalb aufzugeben, die er als Staats & Niggemann Security GmbH in Schwelm, Breckerfeld und Gevelsberg betreibt, daran denke er aber nicht. „Wir hatten anfangs ohnehin nicht damit gerechnet, Geld daran zu verdienen“, sagt er. Dann war der Andrang aber deutlich größer als erwartet. Jetzt ist vieles ist wieder ohne Test erlaubt: sei es der Besuch der Außengastronomie, Einkaufen in der Stadt oder vielerorts der Sport. „Aber eben noch nicht alles.“

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Vor allem für private Feiern und Urlaub sei der Bedarf an Testungen noch groß, weiß auch Jens Steinberg, einer der Betreiber des Testzentrums in Neheim. „Am Wochenende hatten wir eine ganze Hochzeitsgesellschaft da.“ Das Geschäft sei keine Goldgrube, und die Nachfrage in der vergangenen Woche merklich gesunken. „Aber wir werden das Angebot aufrechterhalten, solange es nötig und wirtschaftlich möglich ist. Um die Pandemie in den Griff zu bekommen.“ Vielleicht mit weniger Personal, vielleicht auch mit eingeschränkten Öffnungszeiten – aber solange Kultur, Feste und die persönliche Sicherheit Tests erforderten, solange wolle man sie anbieten.

Region Hier braucht man einen Negativ-Test
Region Hier braucht man einen Negativ-Test © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

So hält es auch Mike Henning, der fast ein Dutzend Testzentren in verschiedenen Städten betreibt, u.a. in Hagen, wo er zuletzt den größten Betrieb feststellte. Klar, Hagen hinkt nach den Inzidenzzahlen der Nachbarschaft hinterher (siehe Kasten). Die entstehenden Sachkosten werden Testzentrumsbetreibern erstattet, bis zu sechs Euro, so kalkulierte das Bundesgesundheitsministerium großzügig. Dabei gibt es die Testkits auf dem Markt mitunter günstiger. „Für den Steuerzahler wäre es sicher besser, wenn weniger als sechs Euro gezahlt werden würden. Andererseits bin ich skeptisch, dass es dann so viele Test-Angebote gegeben hätte, wie die Leute brauchten“, sagt Mike Henning, der zudem darauf verweist, dass Verkäufer von Testkits am längeren Hebel saßen und geringere Preise an für ihn nachteilige Zahlungsmodalitäten koppelten.

… die Kreise

Die Kreise Siegen-Wittgenstein, Soest, Olpe, Hochsauerland, Ennepe-Ruhr, der Märkische Kreis und die kreisfreie Stadt Hagen wissen von jedem Testzentrum in ihrem Gebiet. Das Bild, das sie zeichnen, ist einheitlich: In den vergangenen zehn Wochen ist die Anzahl der Test-Stationen konstant geblieben oder eher noch gestiegen. Schließungen nennenswerter Zahl habe es nicht gegeben.

… die KVWL

Dass weniger getestet wird, ist „im Moment wegen der monatlichen Abrechnungen noch nicht an Zahlen abzubilden“, so Heike Achtermann von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). „Aber das wird kommen.“ Die KVWL umtreibt derzeit mehr die Frage, wie Abrechnungsbetrug verhindert werden kann. Bislang, bestätigt Heike Achtermann, fehlt jegliche Kontrollinstanz. Die Geschäftsführer einer Bochumer Firma, die mehrere Teststationen betreibt, wurden kürzlich festgenommen. Bislang müssen Betreiber keine Einkaufsbelege vorlegen.

Jetzt will das Bundesgesundheitsministerium eine stärkere Kontrolle. Von den KVen heißt es schon, dass das von ihnen nicht leistbar sei. Wer dann? Heike Achtermann bringt Finanzämter ins Spiel.

… den Apotheker

Anfang März gab es einen Ansturm auf Selbsttests bei Discountern, Drogeriemärkten und Apotheken. „Ich musste Klimmzüge machen, um an die Tests zu kommen“, sagt Apotheker Ulf Ullenboom aus Olpe, „irgendwann konnte ich sie bestellen. Für teuer Geld.“

Knapp dreieinhalb Monate später, ist das rare Gut zum Ladenhüter mutiert. „Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich den letzten Test verkauft habe“, sagt Ullenboom. Er hat davon gehört, dass die Kette Rossmann Apotheken angeboten hat, Testkits für deren Personal zu einem günstigen Preis zu überlassen. „Ich habe selbst noch genügend auf Lager, die ich nicht loswerde.“ Dass der Verkauf bundesweit weitgehend zum Erliegen gekommen ist, hat Ullenboom zufolge mit den zunehmenden Lockerungen zu tun – mehr noch aber mit der Inbetriebnahme der Testzentren, wo ausgebildetes Personal kostenlose Abstriche macht: „Da begann der Rückgang bei den Verkäufen.“

Zumal es für viele Verbraucher um das „Negativ-Zertifikat“ ging, damit sie einkaufen gehen oder Restaurants besuchen konnten.

<<< HINTERGRUND >>>

Auch die Stadt Hagen, NRW-Schlusslicht in der Inzidenzrangliste, wird wohl bald Stufe 2 erreichen, die Lockerungen verheißt. Am Mittwoch lag der Wert den fünften Werktag in Folge unter 50. Er war erneut gesunken: von 33,9 auf 30,7.

Der Märkische Kreis wies am Mittwoch einen Wert von 18,5 (Vortag: 23,2) auf und erreichte damit Stufe 1 (5 Werktage in Folge unter 35) der Corona-Schutzverordnung. Diese Stufe gilt bereits länger im Ennepe-Ruhr-Kreis (Inzidenz: 14,5/Vortag: 16,4), im Hochsauerlandkreis (15,0/20,4), im Kreis Olpe (14,9/14,9), im Kreis Siegen-Wittgenstein (18,1/18,8) und im Kreis Soest (12,3/12,3).