Hagen. Schüler werden unter Aufsicht in der Schule auf das Coronavirus getestet. Ein Lehrer berichtet, was die Probleme sind und welche Sorgen er hat.
Jedes einzelne Mal zuckt Jens Meier-Lupf innerlich zusammen, wenn er den Kugelschreiber zückt. Ort, Datum, Uhrzeit schreibt er auf – und natürlich vermerkt er das Ergebnis des soeben erledigten Corona-Schnelltests: negativ. Dann unterschreibt er die Bescheinigung, beglaubigt hoch offiziell, dass der Test ordnungsgemäß durchgeführt und das Ergebnis korrekt ist. Jens Meier-Lupf, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist aber kein Mediziner, sondern Lehrer in Hagen.
Corona-Tests an Schulen: Lehrer muss 30 Kinder gleichzeitig im Auge haben
„Ich habe jedes Mal Bauchschmerzen“, sagt er stellvertretend für viele seiner Kolleginnen und Kollegen: „Was, wenn der Test doch positiv war und mir ein Fehler unterlaufen ist? Was, wenn der Test nur deshalb negativ ist, weil das Kind den Test nachlässig durchgeführt hat?“ 30 Kinder hat er zu Beginn der Stunde da sitzen. 30 Kinder soll er im Auge haben, dass sie den Test richtig handhaben. Für jedes Kind muss er vorher zehn Tropfen einer Flüssigkeit in ein Röhrchen geben. „Ich bin dafür nicht ausgebildet, wir haben auch keine Schulung bekommen. Ich und viele Kollegen fühlen uns unwohl mit dieser Situation.“
Seitdem die Schulen wieder geöffnet sind – das hat die Landesregierung verfügt –, werden die Schüler zweimal in der Woche getestet. In der Unterrichtszeit, unter der Aufsicht von Lehrern. Das negative Ergebnis können sich Schüler bescheinigen lassen und dies als Dokument nutzen, um Zutritt zu gastronomischen Betrieben, Schwimmbädern oder Freizeitparks zu erhalten.
Kritik vom Verband: Schulen zu Testzentrum umfunktioniert
„Mit dieser Anordnung werden die Schulen in NRW de facto zu Testzentren umfunktioniert“, klagte schon vor Tagen Sven Christoffer, Vorsitzender von Lehrer NRW. Die Schulen „haben einen Bildungsauftrag“, der „absolute Priorität haben muss“. Deswegen sei es „unverantwortlich, die Schulen als Test-Dienstleister zu instrumentalisieren. Auch unter dem Aspekt, dass hier erneut eine so weitreichende Regelung derart kurzfristig und über die Personalräte hinweg durchgedrückt wird, ist das ein Schlag ins Gesicht für Schulen und Lehrkräfte.“
Jeder Lehrer, sagt Meier-Lupf, hat eine andere Methode, damit die Tests sicher durchgeführt werden können. Es gäbe zwar Videos vom Ministerium und eine Liste mit häufig gestellten Fragen. Aber Theorie und Praxis seien eben nicht das gleiche. Beispiel: Die Röhrchen mit der Flüssigkeit haben keine Halterung, sagt Meier-Lupf, sie fallen den Kindern manchmal um. „Vielleicht gibt es auch Kinder, die den Test absichtlich nicht sonderlich genau durchführen, damit sie nicht positiv getestet werden.“ Schließlich sei das möglicherweise eine belastende Situation für den Schüler. Der müsse dann sofort in Quarantäne, der Rest der Klasse sei dann auch verunsichert.
Wertvolle Unterrichtszeit geht verloren
Nicht zu vergessen: der Zeitaufwand. „Wenn alles glatt läuft, brauchen wir 30 Minuten für die Tests“, sagt Meier-Lupf. 30 Minuten wertvolle Unterrichtszeit, die weg ist. Klar, nur sie machen den weiteren Präsenzunterricht möglich. Trotzdem: „Wir würden uns das anders wünschen“, sagt Meier-Lupf. Und wie? „Dass geschultes Personal die Tests durchführt, am besten vor dem Unterricht.“
Doch das scheint nicht möglich zu sein. Auf die Frage, welche Alternativen zum bestehenden Ablauf geprüft worden seien, antwortet das Landesschulministerium ausweichend, verweist stattdessen darauf, dass die Testungen „einen wichtigen Beitrag zum Infektionsschutz“ leisten. Die Schulen hätten zudem „mittlerweile viel Erfahrung mit der konkreten Umsetzung der Tests“ und seien per Schulmail „ausführlich über die Ausgabe von Testbescheinigungen informiert“ worden.