Hagen. Viele Ladenlokale in den Innenstädten stehen leer. Für Vermieter ein Verlustgeschäft. Doch das muss nicht so bleiben, sagt Experte Tim Treude

Leere Ladenlokale prägen das Bild in vielen Innenstädten unserer Region. Das werde sich so schnell auch nicht ändern, glaubt Tim Treude, Geschäftsführer des Verbandes Haus&Grund Westfalen. Dennoch könnten Vermieter von ihrem Eigentum profitieren – wenn sie umdenken, sagt er.

Werden die Innenstädte nach der Krise wieder aufblühen?

Tim Treude: Wir haben schon vor der Corona-Zeit beobachten können, dass wir in kleinen und mittelgroßen Städten der Region eine Leerstandsquote von bis zu 25 Prozent hatten. Dieses Phänomen hat sich durch die Pandemie noch verstärkt. Corona war allerdings nicht der Auslöser, sondern nur ein Beschleuniger dieses Umstandes. Die rosigen Zeiten des Einzelhandels sind vorbei. Und das spiegelt sich in den Fußgängerzonen in Form von Leerstand wider.

Können die Immobilien-Eigentümer etwas dagegen tun?

Das empfehlen wir unseren Mitgliedern sogar. Haus&Grund ist beteiligt am Projekt der Landesregierung „Gemeinsame Innenstadt-Offensive“. Ein Bestandteil dieses Bündnisses ist, ursprünglich genutzte Gewerberaum-Immobilien in Wohnraum umzuwandeln. Was natürlich mit Hürden verbunden ist: Man braucht bauordnungsrechtliche Genehmigungen, die vielerorts nicht ganz einfach zu bekommen sind – und dann können solche Projekte für die Vermieter auch mit kostspieligen Umbauarbeiten verbunden sein. Aber von alleine passiert nichts. Wenn man als Vermieter nicht umdenkt, dann wird sich an der Situation so schnell nichts ändern.

Lohnt sich das für Eigentümer?

Das würde ich schon sagen. Es lohnt sich aber anders als früher. Wenn man eine Immobilie in Eins-a-Lage besitzt, hat man sich vorgestellt, horrende Gewerberaum-Mieten zu erzielen. Das ist jetzt ein bisschen anders geworden, wenn man direkt in der Innenstadt Immobilien hat.

Wäre es lukrativer, mehr an Gastronomie und für Kulturangebote zu vermieten?

Wenn das zu realisieren ist, wären solche Mieter natürlich eine gute Wahl. Derzeit sind in Innenstädten vielerorts solche Gewerberaum-Mieter anzutreffen, die Wettbüros oder Glücksspiel betreiben. Diese sind nicht immer in der Lage, auch zur Belebung der Innenstädte beizutragen. Daher kann es für Immobilien-Eigentümer oft sinnvoll sein, Gewerberaum in Wohnraum umzuwandeln. Und: wenn mehr Wohnraum in der City entsteht, bringt das auch Leben in die Stadt. Und das ermöglicht mehr Gastronomie und Kultur.

Was ist mit wohnungsnahen Büros, die Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter anmieten könnten?

Selbst in der Boom-Region Südwestfalen, die wirtschaftlich ja gesegnet ist, wird meines Erachtens in absehbarer Zeit nicht unbedingt mehr Bürofläche benötigt. Der Trend der Homeoffice-Angebote wird sich meiner Meinung nach fortsetzen, so dass schon jetzt ein Überangebot besteht.

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Reagieren Vermieter bereits auf die Entwicklungen?

Ja, das passiert schon. Vor allem in den Innenstadtlagen ab der ersten Etage aufwärts. Gerade in dem Bereich sind viele Eigentümer umgeschwenkt und haben die oberen Etagen zu Wohnraum umgewidmet, die früher noch für die gewerblichen Mieter genutzt wurden. Bei den Erdgeschosslagen gibt es bei vielen Vermietern noch die Hoffnung, den Bereich als Gewerberaum beibehalten zu können, aber das mündet dann oftmals in Leerstand. Und ist ein Teufelskreis.

Warum?

Je mehr Leerstand man in einer Innenstadt vorfindet, desto weniger attraktiv ist es, dort zu leben. Und je weniger dort leben, desto weniger Betriebe des täglichen Bedarfs siedeln sich an.

Viele Geschäfte sind aber noch da – bemühen sich Vermieter, sie zu halten?

Gerade in der Pandemie sind viele Vermieter ihren Mietern über die rechtlichen Vorgaben hinaus entgegen gekommen. Als die Ladenlokale ganz geschlossen bleiben mussten, haben viele ihren Mietern mit einer Stundung oder Reduzierung der Miete geholfen. Oder sie haben die Zeit der Schließung für Renovierungen genutzt.

Rentiert es sich, derzeit eine Innenstadt-Immobilie zu kaufen?

Der Erwerb lohnt sich in meinen Augen nur dann, wenn man sich konkrete Gedanken über die Nutzung macht. Wenn man vor hat, eine Gewerberaum-Immobilie auch für gewerbliche Zwecke zu nutzen, sollte man sich gut überlegen, in welcher Lage die sich befindet und was für ein Gewerbe dort untergebracht werden soll. Wenn man eher Wohnraum schaffen möchte, der in der Innenstadt auch immer gefragter wird, ist das wahrscheinlich die attraktivere Variante. Dann lohnt es sich schon.

>> Hintergrund: Haus&Grund Westfalen

  • Tim Treude ist Geschäftsführer des Verbandes Haus&Grund Westfalen, der dem Zentralverband in Berlin angeschlossen ist.
  • Es handelt sich um eine Eigentümer-Schutzgemeinschaft für private Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, die deren Interessen vertritt.
  • Der Verband hat nach eigenen Angaben deutschlandweit knapp 900.000 Mitglieder (rund 15 Millionen private Eigentümer gibt es in Deutschland).