Meschede. Im Corona-Check unserer Zeitung gab es zwei wichtige Aussagen zur Mescheder Innenstadt. Wie diese zusammenpassen und was die City retten kann.
André Wiese hat es gerade vorgemacht. Mitten im Corona-Lockdown eröffnet der Inhaber des H1 und Vorsitzende der Werbegemeinschaft in der Innenstadt ein neues Geschäft - einen Donut-Laden. „Solche Leute braucht man“, davon sind Ingo Borowicz, Projektkoordinator City Lab Südwestfalen und Stephan Britten, Handels- und Tourismusreferent der IHK Arnberg, überzeugt. Wiese erhöhe mit seinem Geschäft die Aufenthaltsqualität in der Stadt. Britten und Borowicz nehmen Stellung zur Zukunft der Mescheder Innenstadt. Grundlage ist der repräsentative Corona-Check unserer Zeitung. Ein wichtiges Ergebnis: Viele Bürger machen sich Sorgen, dass ihre Innenstadt verödet. Aber: Sie 84 Prozent wollen auch Händler gezielt unterstützen.
Die Corona-Pandemie ist ein Katalysator für die Innenstädte. Viele Menschen machen sich Sorgen, dass Gastronomen und Einzelhändler verschwinden. Teilen Sie diese Sorge?
Stephan Britten: Schon vor Corona sahen sich gerade kleine und mittlere Städte bereits der Gefahr einer Verödung ausgesetzt. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Neben der rasant steigenden Bedeutung des E-Commerce spielen auch Aspekte wie gewandeltes Kundenverhalten, Überalterung, Landflucht und Nachfolgeproblematik eine Rolle. Insofern stehen gerade auch stationäre, inhabergeführte Geschäfte vor der Herausforderung, zukunftsfähige Konzepte zu bieten.
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Meschede hat mit der Modernisierung der Fußgängerzone bereits vor Corona ein Zeichen gesetzt, die Eigentümer waren bereit in die Attraktivität der Fußgängerzone zu investieren. Wie wichtig ist das für die Zeit nach der Pandemie?
Britten: Mit dieser Entscheidung zur Attraktivierung der Fußgängerzone hat man glücklicher Weise eine gute Basis geschaffen, um für die Mescheder selbst als auch für Besucher eine moderne, angenehme Aufenthaltsqualität zu schaffen. Hierdurch kann man in der Regel auch eine höhere Verweildauer in der Innenstadt erzielen, von der alle Innenstadtakteure profitieren können.
Was nutzt eine schicke Fußgängerzone, wenn Geschäftslokale leer stehen?
Britten: Leerstände sind eine generelle Herausforderung. Die Nachbesetzung mit Einzelhandelsnutzungen wird hier oftmals nicht ohne weiteres möglich sein. Alternativen kann, gerade in Randlagen, Umwandlung in Wohnraum sein, aber erfolgreiche Innenstädte der Zukunft sollte eine Nutzungsvielfalt auszeichnen. Zu denken ist an Dienstleister, Gastronomie und Hotellerie, Co-Working-Spaces, Nutzungen auf Zeit oder aber auch öffentliche Angebote wie städtische Nutzungen, Hochschule oder Bücherei. Dabei ist es besonders wichtig, möglichst viele Akteure mit einzubeziehen, gerade auch die Immobilieneigentümer. Generell muss einer attraktiven Gastronomie mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, denn Gastro und Events lösen den Einzelhandel als Anziehungspunkt mehr und mehr ab. Damit das funktioniert, müssen Städte die Rahmenbedingungen verbessern, zum Beispiel indem mehr Plätze attraktiv gestaltet und für Außengastronomie zugelassen werden.
Meschede hat das Wasser auch in der Innenstadt erlebbarer gemacht. Außerhalb von Pandemiezeiten sieht man Besucher auf den Henne- und Ruhrtreppen sitzen. Wie wichtig sind solche Dinge?
Ingo Borowicz: Bei der Befragung im Rahmen des City Labs in 2020 hat sich gerade die Einbindung von Wasserelementen in der Mescheder Innenstadt als Attraktivitätsfaktor herausgestellt. 71 Prozent der Befragten stufen dies positiv ein. Dies kann sich auch zu einem Alleinstellungsmerkmal für Meschede entwickeln. Sogenannte „Blauräume“ werden generell als positives Element gerade in städtisch geprägten Räumen gesehen. Sie wirken sich klimatisch positiv aus, haben entspannende Wirkung und können somit auch zur Erhöhung der Verweildauer beitragen, über alle Altersgruppen hinweg.
84 Prozent der Mescheder sagen in unserer Umfrage, unabhängig vom Alter, sie unterstützten stationäre Händler und Gastronomen bewusst. Wie können Einzelhändler und Gastronomen diese enge Bindung für sich nutzen?
Borowicz: Ein starkes Bekenntnis der Einwohner zu „ihrer“ Innenstadt ist eine Grundvoraussetzung für den weiteren Erfolg. Handel und Gastronomie sowie weitere Dienstleister und Handwerksbetriebe müssen die Kunden aber auch zeitgemäß abholen. Dazu gehört gerade auch – dies hat Corona mehr denn je gezeigt – das Anbieten digitaler Services. Befragungen im Rahmen des City Labs haben ergeben, dass der Bedarf nach digitalen Angeboten hoch ist. Deutliche Mehrwerte lassen sich auch dann erzielen, wenn sich die Akteure mehr vernetzen und nicht als Einzelkämpfer agieren. Hier ist man in Meschede mit Stadtmarketing und Werbegemeinschaft auf einem guten Weg. Hoffen wir, dass die angekündigte Unterstützungsbereitschaft kein Lippenbekenntnis bleibt.
Das Stadtmarketing versucht durch Aktionen (Innenstadt-Dinner) und Konzerte (Meschede live) Besucher in die Innenstadt zu ziehen. Warum ist das wichtig?
Borowicz: Das Schaffen von Erlebniswelten ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor attraktiver Innenstädte. Gerade durch Events etc. bildet man so einen Gegenpol zur rein digitalen Welt. Innenstädte sind nicht mehr nur reiner Marktplatz, sondern wandeln sich im Idealfall zu Aufenthalts- und Erlebnisorten mit ergänzenden kulturellen und Freizeitangeboten. Veranstaltungen, auch wenn sie außerhalb von Öffnungszeiten stattfinden, machen grundsätzlich „Lust auf Innenstadt“. Sie ziehen auch Leute in die City, die sonst nicht (mehr) dorthin kommen.
Die Digitalisierung ist der Knackpunkt für die Zukunft der Innenstädte. Sie ist Konkurrent und Zukunft.
Borowicz: Die Kunden handeln bzw. informieren und kaufen schon seit geraumer Zeit situationsbedingt mal online, mal offline. Insofern sind Innenstadtakteure im Idealfall hybrid unterwegs. Dies heißt nicht, dass es unbedingt ein eigener Onlineshop sein muss. In erster Linie muss der Händler online sichtbar sein. Schon ein „Google my Business-Eintrag“ oder die Bespielung von Social-Media-Kanälen kann die Sichtbarkeit und die Kundenansprache deutlich verbessern. Sicherlich hat Corona dazu beigetragen, dass sich alle gezielter mit der Digitalisierung und ihren Chancen auseinandersetzen. Unsere Workshops zu Social Media und Suchmaschinenoptimierung waren jeweils innerhalb von 24 Stunden ausgebucht.
Ergebnisse aus dem Projekt City-Lab:
Im Projekt City-Lab wurden acht Szenarien entwickelt, wie sich Innenstädte in Südwestfalen entwickeln können. Daraus ergeben sich für Meschede folgende Punkte:
1. Meschede gehört zu den mittelgroßen Städten, für die sich die Szenarien „Regionaler Marktplatz“ und „Erlebnis statt Shopping“,gegebenenfalls auch als Mischform, herauskristallisiert haben.
2. Dabei profitiert der regionale Marktplatz vom großen Gemeinsinn der Bürger.
3. Allerdings sollten Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte mehr Beachtung finden.
4. Wichtig ist auch ein einheitliches Konzept mit allen Akteuren.
5. Dabei ist die digitale Transformation ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg.
6. Die klassische Marktplatzfunktion allein wird kein Garant für eine auch zukünftig attraktive Innenstadt sein. Dagegen sind Erlebnismöglichkeiten ein entscheidender Punkt.