Hagen. Heimatministerin Ina Scharrenbach hat Millionen für die Stärkung der Innenstädte in NRW zu vergeben. Doch nicht überall wird das Geld abgerufen.

Kommunen, Bauen, Gleichstellung – das sind die Themenfelder von Ina Scharrenbach, der NRW-Heimatministerin. Bei ihr sind also viele „Hausaufgaben“ richtig platziert, die 12.000 Teilnehmer der Politik beim großen Corona-Check unserer Zeitung aufgegeben haben. Wie die CDU-Politikerin den Innenstädte helfen will und wie sie die schlechten Noten für die Landesregierung einordnet.

Die Bürger haben Angst vor der Verödung der Innenstädte. Braucht es ein Aufbauprogramm? Oder regelt das der Markt?

Ina Scharrenbach Wir haben ja schon im vergangenen Sommer einen Plan aufgelegt: den Innenstadtfonds. Der soll Städte und Gemeinden befähigen, Leerstände pro aktiv an- und weiterzuvermieten, um dafür Sorge zu tragen, dass Neues entstehen kann. Der ist jetzt noch mal mit 30 Millionen Euro aufgestockt worden, so dass wir jetzt insgesamt 100 Millionen Euro zur Verfügung haben. Wir sind gerade dabei, auch den „Innovationsraum Innenstadt“ an den Start bringen, weil das Thema Umnutzung manchmal baurechtlich schwierig ist. Da wollen wir einfach experimentieren. Es geht darum, sich gemeinsam auf den Weg zu machen, damit die Innenstadt der Marktplatz des 21. Jahrhunderts wird.

Nutzen die Städte das Programm denn auch?

Das Interesse ist groß: Wir haben Ende 2020 etwa 40 Millionen Euro vergeben. Wir haben aktuell 114 Anträge vorliegen für 30 Millionen. Und wir haben noch mal 30 Millionen Euro vom Landtag bewilligt bekommen, dazu bereiten wir gerade den Förderaufruf vor. Wir gestalten die Unterstützung für die Städte und Gemeinden verlässlich und bedarfsgerecht. Mehr geht natürlich immer noch. Um das zu schaffen, müssen vor Ort die Strukturen passen: Das heißt: Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sollten alle Akteure um einen Tisch versammeln, um dann gemeinsam zu besprechen, wohin die Zielrichtung gehen soll. Dies wünschenswerte Vorgehen ist allerdings vor Ort sehr unterschiedlich ausgeprägt. Kurzum: Innenstadtentwicklung muss Chefinnen- und Chefsache sein.

Der Corona-Check zeigt, wie viele Menschen zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten: Was bedeutet das für den ländlichen Raum?

Mobiles Arbeit ist aus meiner Sicht eine Chance für den ländlichen Raum. Wohnen und Arbeiten haben sich in den vergangenen Jahren räumlich immer weiter auseinander entwickelt, jetzt kommen sie wieder zusammen. Und die Frage ist, wie kann man das unterstützen? Es gibt große Unternehmen, die haben in der Pandemie Co-Working-Caps in Städten im Umland eingerichtet, in denen Mitarbeiter, die dort wohnen, abseits der Unternehmenszentrale zusammenkommen können, um gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. Es wird sich nach Corona zeigen, wie das weitergeführt wird. Aber Themen wie diese sind bei mir im Ministerium platziert. Wir arbeiten intensiv daran.

Gelten diese Themen denn eher für das Umland von Düsseldorf oder auch für Südwestfalen?

Man muss immer schauen: Wer kann denn Homeoffice machen? Das produzierende Gewerbe scheidet aus. Also ist das eher etwas für die Dienstleistungsberufe. In Südwestfalen haben wir natürlich ein starkes Stück Deutschland, denn es ist die drittstärkste Wirtschaftsregion in ganz Deutschland. Auch vor Corona hatten wir die Tendenz, dass Menschen zurückgezogen sind auf das Land. Manche sagen, weil anderswo die Mieten zu hoch sind, ich sehe das positiver: Da gibt es einen großen Vertrauensvorschuss. Weil junge Menschen feststellen: Hier kann ich Kinder aufziehen, hier ist die Gesellschaft noch intakt, hier gibt es Zusammenhalt. Also: Es wird in Südwestfalen womöglich eine geringere Homeoffice-Quote geben als anderswo, aber die Chance, Wohnen und Arbeiten auch hier näher zusammenzubringen, ist ebenfalls groß.

Viele Großstädter und jüngere Menschen wollen ihre Wohnsituation ändern. Braucht es eine Kampagne: ‚Leute zieht aufs Land‘?

Nein, wir haben schon verschiedene Programme und Bausteine, die den Prozess unterstützen. Und nach meiner Beobachtung gibt es da schon eine Art „Graswurzel-Bewegung“, die diesen Trend verstärkt. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass eine Region für sich das Selbstverständnis entwickelt – und auch das Selbstbewusstsein. Ich würde mir wünschen, dass insbesondere unsere westfälischen Landesteile da selbstbewusster auftreten.

Die Betreuungssituation wird schlecht bewertet. Ich spreche hier mit der Gleichstellungsministerin: Hat das Männer und Frauen als Eltern gleichmäßig betroffen?

Ich habe durchaus die Wahrnehmung, dass in jüngeren Generationen der Anspruch da war: Wir teilen uns die Belastung mit Homeschooling und Notbetreuung. Aber wenn einer im produzierenden Gewerbe arbeitet und der andere im Dienstleistungsbereich, dann ist das schon schwieriger. Aber die Sicht, dass wir beim Thema Gleichstellung durch die Pandemie zurückgeworfen worden sind, die teile ich nicht.

Fürchten Sie, dass eine gesellschaftliche Spaltung bleibt?

In der Tat sind die Branchen sehr unterschiedlich betroffen. Und auch die Regionen. Wir haben vergangenes Jahr 2,7 Milliarden Euro durch coronabedingte Gewerbesteuerausfälle ausgeglichen. Das war schon sehr unterschiedlich zwischen den Städten und Gemeinden. Und es gab immense Arbeitsplatzverluste bei Geringverdienern, etwa in der Gastronomie oder der Veranstaltungsbranche. Das betrifft insbesondere Frauen. Deshalb werbe ich dafür, dass wir uns in der Post-Corona-Zeit den Bereich anschauen. Das sind auch oft Alleinerziehende betroffen. Wenn sie keine andere sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben, sind sie gekniffen, dann profitieren sie auch nicht vom Kurzarbeitergeld. Das ist ein sehr konkreter Punkt, an dem wir arbeiten müssen: Für die Betroffenen. Aber die Wirtschaft braucht auch diese Arbeitskräfte.

Finden Sie die schlechten Noten für die Landespolitik ungerecht?

Ach, Gerechtigkeit ist so eine Sache. Wir haben es uns als Landesregierung bei der ein oder anderen Entscheidung nicht leicht gemacht. Rückblickend ist man immer schlauer. Wenn wir zunehmend in den Sommer kommen, werden alle Beteiligten die Chance bekommen zu schauen: Was ist gut gelaufen, was schlecht, was stellen wir ab? Ich bin optimistisch, dass es in einigen Wochen positivere Bewertungen gibt. Denn diese Regierung geht äußerst engagiert vor – und hat dabei auch die Interessen abseits der Metropolen intensiv im Blick.

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So manchem Landrat oder Oberbürgermeister wird erst in der Pandemie bewusst gewesen sein, wieviel Aufgaben er oder sie hat. Hat sich der Aufbau bewährt?

Nordrhein-Westfalen ist das einwohnerstärkste Land. Und wenn Sie versuchen wollen würden, dieses Land zentral zu regieren, das wäre schwierig. Da tun die Kommunen gut. Was wir auf den Prüfstand stellen müssen, sind Abläufe. Das hat sich ja gezeigt – ob bei der Kontaktnachverfolgung oder bei Fragen der Quarantäne. Der eine Kreis macht es so, der andere so. Da macht es Sinn zu versuchen, das einheitlicher zu fassen, weil es für die Menschen verständlicher wird.

Sind Sie mit Ihren Landräten und Bürgermeistern denn zufrieden?

Wir haben 53 Landräte und Oberbürgermeister. Jeder macht seinen Job, die staatlichen Stellen laufen ohnehin seit der Beginn der Pandemie unter Volllast. Summa summarum: Das ist sehr gut gelaufen. Es gibt immer Punkte, bei denen das nicht der Fall ist. Aber die schreibt man auf und macht sie beim nächsten Mal besser.

>> ZUR PERSON: Vize-Chefin der NRW-CDU

  • Ina Scharrenbach (44), geboren in Unna, ist Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung in Nordrhein-Westfalen und lebt in Kamen.
  • Die gelernte Bankkauffrau hat Betriebswirtschaft studiert und war vor ihrer Landtagszeit in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig. Sie ist Landesvorsitzende der Frauen-Union NRW und seit 2012 stellvertretende CDU-Landesvorsitzende.