Hagen. Die Preise für Baumaterial, vor allem Holz, sind stark gestiegen. Die Landesregierung sucht nach Gegenmitteln.

Das vergangene Jahr war das bisher schlimmste. 2020 holten die Forstleute soviel Borkenkäfer-Holz aus den NRW-Wäldern wie noch nie. Gleichzeitig meldet die Baubranche gerade eine Materialknappheit – auch beim Holz. Darüber haben wir mit Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) gesprochen. Und über die Wisente.

Frage: Die Bürger in NRW haben der Landesregierung gerade in einer Umfrage schlechte Noten ausgestellt. Ziehen Sie sich den Schuh an?

Heinen-Esser: Insgesamt denke ich, dass wir eine gute Arbeit leisten. Selbstverständlich hinterfrage ich meine Arbeit und schaue darauf, was in meinem Geschäftsbereich vielleicht nicht so hundertprozentig gelaufen ist. Wir befinden wir uns durch die Pandemie in einer außergewöhnlichen Situation. Die Ungeduld vieler Bürger ist nachvollziehbar. Gerade für krisengeschüttelte Branchen müssen wir sehr schnell sehr viel Geld zur Verfügung stellen.

Das betrifft vor allem den Wald, der unter dem Klimawandel leidet.

In der Tat. Der Wald ist ein großes Thema, das sehen jetzt auch die Bürger, die ihn in Corona-Zeiten wieder oder neu zu schätzen wissen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Fördersysteme bei der Bekämpfung der Borkenkäferplage zu Beginn teils zu schwerfällig und zu bürokratisch waren, weil sie nicht auf eine Situation ausgerichtet waren, in der eine Wiederbewaldung auf 70.000 Hektar bewerkstelligt werden muss. Das machen wir jetzt besser.

„Die Einnahmen werden nicht geteilt.“

Die Holzpreise sind drastisch gestiegen. Ist das nicht toll für die gebeutelten Waldbauern?

Schön wär’s. Aber das Geld kommt bei ihnen nicht an – dabei könnten sie es gerade wirklich gut gebrauchen. Viel Holz geht ins Ausland. China und die USA greifen die Märkte ab. Deshalb verdienen viele Holzhändler und Sägewerker momentan mehr im Export. Die Einnahmen werden aber nicht mit den Waldbäuerinnen und Waldbauern geteilt.

Und was tun Sie dagegen?

Das Problem existiert ja nicht nur beim Holz, sondern bei vielen Baumaterialien. Viele Menschen investieren das Geld, das sie früher für den Urlaub oder Restaurantbesuche ausgegeben haben, nun in Renovierungen. Deshalb steigt die Nachfrage. Ich bin aber gegen Exportbeschränkungen, weil die betroffenen Länder ihrerseits mit entsprechenden Maßnahmen antworten würden. Allerdings stellen wir hierzulande auch Lagerbildungen fest; es wird quasi auf höhere Preise gewettet. So manches Unternehmen bestellt auch gleich mehrfach, um sich abzusichern. Darüber müssen wir mit den Verantwortlichen sprechen. Das machen wir in enger Zusammenarbeit mit dem Bau- sowie mit dem Wirtschaftsministerium, das dazu gerade einen Materialgipfel vorbereitet.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Sägewerker sich die Taschen füllen. Gleichzeitig verklagen sie NRW auf mehr als 180 Millionen Euro Schadenersatz wegen eines angeblichen Holzkartells.

Darüber bin ich wirklich richtig sauer. Die Sägewerker produzieren im vierten Jahr in Folge unter Volllast; sie profitieren von der großen globalen Nachfrage und sind im Moment die absoluten Gewinner. Die Verlierer sitzen auf der anderen Seite. Das sind die Waldbauern. Deshalb bin ich auch dagegen, die Einschlagquoten für Frischholz wieder zu erhöhen. Es gibt noch genug Schadholz. Zuerst muss das Geld im Wald ankommen.

Könnte es sein, dass hierzulande nun ausgerechnet wieder mehr Fichte angebaut wird, weil das angesichts der aktuellen Marktlage profitabler erscheint?

Auf den Mischwald setzen

Unser Wiederbewaldungskonzept umfasst mehrere Ziele. Natürlich soll es auch der Einkommenssicherung der Waldbauern dienen, aber es müssen auch die Anforderungen des Klimaschutzes und der Biodiversität erfüllt werden. Vor allem soll es den Wald gegenüber späteren Krisen resilient, also widerstandsfähig machen. Dafür müssen mehrere Baumarten gepflanzt werden. Damit lässt sich nicht so schnell Geld verdienen wie mit Nadelholz. Die Sorge ist also nachvollziehbar. Ich würde mir trotzdem wünschen, dass die Waldbesitzer, so groß deren Not auch ist, auf den Mischwald setzen. Seine Widerstandsfähigkeit ist viel größer als die von Monokulturen.

Die WP wird in diesem Jahr 75. Zum Jubiläum haben wir unser Waldretterprojekt ins Leben gerufen. Mit der Unterstützung von Lesern und Unternehmen wollen wir Bäume pflanzen.

Das ist eine super Idee. Solche Projekte bringen uns wirklich voran und wirken positiv für die Gesellschaft, egal, ob Sie am Ende 750, 7500 oder 75.000 Bäume pflanzen. Sie haben meine Unterstützung.

Eine Gerichtsentscheidung zum Wisentprojekt im Rothaargebirge steht an. Zudem gibt es ein neues Gutachten. Hand aufs Herz: Wie stehen Sie zu den Wisenten?

Ich habe eine Grundsympathie für das Projekt, denn es geht um den Artenschutz. Allerdings, das merkt man jetzt, ist es nicht auf kooperativem Weg entwickelt worden. In der Region prallen die unterschiedlichen Vorstellungen und Anforderungen von Waldbauern, Trägerverein, Naturschützern, Tourismusbranche und anderen aufeinander. Ich sehe einer Entscheidung durch die Gerichte mit Sorge entgegen. Denn egal wie das Urteil ausfällt, es wird nicht zur Befriedung des Themas beitragen. Der Gewinner wird obenauf sein und der Verlierer eben nicht. Daher hoffe ich, dass wir aus der Szenarienentwicklung des Gutachtens heraus zu einer Lösung kommen, mit der alle leben können. Ich werde mir das Gutachten deshalb sehr intensiv anschauen.