Lennestadt/Düsseldorf. Wochenlang hat eine Familie aus dem Sauerland um einen Corona-Impftermin zuhause für die bettlägerige Oma gekämpft. Warum es nun Hoffnung gibt.

Seit Januar versucht Familie Hennecke aus Lennestadt zu organisieren, dass die 91-jährige pflegebedürftige Mutter und Großmutter zu Hause geimpft werden kann. „Wir hatten uns gefreut, dass endlich geimpft wird, und dann klappt es doch nicht“, schildert ihr Sohn Ronald Hennecke die Belastung seitdem. „Die Situation der Pflegebedürftigen, die nicht ins Impfzentrum gefahren werden können, muss viel mehr zum Thema gemacht werden.“

Ob die 91-Jährige nun nach den neuen Regelungen vom Montag endlich das Vakzin erhalten kann, wagt Enkelin Yvonne Hennecke kaum zu hoffen. „Wenn die Oma geimpft wäre, hätten wir ja schon viele Probleme weniger.“ Aber in der Tat könnte es jetzt eine Lösung geben für viele Angehörige, die seit Wochen und Monaten versuchen, für ihre bettlägerigen oder nicht-mobilen Angehörigen, die nicht in den höchsten Pflegegrad 5 eingestuft worden sind, zuhause eine Impfung zu bekommen. Das NRW-Gesundheitsministerium hat den geänderten Impferlass vorgestellt. Demnach können alle Patientinnen und Patienten mit dem Pflegegrad 4 unabhängig vom Alter und zudem alle bettlägerigen Über-80-Jährigen nun auch zu Hause geimpft werden.

Wochenlang von von „Pontius zu Pilatus“ geschickt geschickt

Damit könnte für Ronald Hennecke eine monatelange Anstrengung enden: Seit Januar wird der Lennestädter von Pontius zu Pilatus geschickt. „Ich habe alles versucht, einen Impftermin zu bekommen. Im Impfzentrum haben sie mich ans Gesundheitsamt verwiesen, im Gesundheitsamt haben sie mich wieder zum Impfzentrum geschickt. Ich habe sogar Herrn Spahn eine Mail geschrieben.“ Die Begründungen waren jeweils, dass noch kein Impfstoff vorhanden sei oder dass der vorhandene nicht transportiert werden könne. Während die mobilen Impfteams zu den Pflegeheimen fuhren, schienen die Senioren, die in häuslicher Pflege betreut werden, vergessen worden zu sein.

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Yvonne Hennecke begrüßt daher die Möglichkeit, dass Hausärzte Pflegebedürftige nun bald impfen dürfen – und ebenfalls die Ausweitung der Impfung auf bis zu zwei Kontaktpersonen. „Bisher war es scheinbar nicht möglich, dass jemand zum Impfen nach Hause kommt. Meine Eltern pflegen die Oma, aber sie müssen ja auch rausgehen, zum Einkaufen, und sie haben Angst, dass sie das Virus möglicherweise mitbringen.“ Ob es jetzt endlich funktioniert? „Man verliert langsam die Nerven dabei“, bekennt Ronald Hennecke.

Hausärzte wurden vom Ministerium nicht vorab informiert

Das könnte aber auch für so machen niedergelassenen Arzt gelten. Die Hausärzte machen sich zwar schon seit Wochen stark, in die Impfkampagne einbezogen zu werden. Doch von dem Satz des Ministeriums, dass Angehörige von zuhause bettlägerigen Über 80-Jährigen „sich für ein Impfangebot an Ihren Hausarzt wenden“ sollen, waren viele überrascht worden. So jedenfalls die Einschätzung von Dr. Hans-Heiner Decker, Facharzt für Innere Medizin und Allgemeinmedizin in Arnsberg sowie Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung im Hochsauerlandkreis.

 Yvonne Hennecke aus Lennestadt hofft, dass die Oma (91) bald geimpft wird.
Yvonne Hennecke aus Lennestadt hofft, dass die Oma (91) bald geimpft wird. © MATTHIAS GRABEN

„Nein, die Hausarztpraxen sind nicht vorher informiert und vorbereitet worden“, so der Mediziner. Er lässt dabei etwas Milde gegenüber dem NRW-Gesundheitsministerium durchblicken: „Es sind auch schwierige Zeiten.“ Doch aufgrund der immer neuen und sich immer schneller ändernden Erlasslage sei es schwer für die Hausarztpraxen vor Ort, bei denen dann die konkreten Fragen der Menschen landeten. Das Ministerium verweist nur darauf, dass die Landkreise die Hausärzte informieren würden, wie sie über die Impfzentren an den notwendigen Impfstoff gelangen könnten. In der Realität wird das aber wohl ab heute bedeuten, dass die Arztpraxen zunächst nicht immer komplette Antworten auf die Fragen der Angehörigen haben.

Hausbesuche bevor der Ansturm in den Hausarzt-Praxen kommt

Was aber nichts daran ändert, dass Dr. Hans-Heiner Decker es grundsätzlich sehr richtig findet, dass die Hausärzte nun schnell damit beginnen, die bettlägerigen Über-80-Jährigen und sonstigen Pflegebedürftigen ab dem vierten Grad zuhause zu impfen: „Es ist sehr wichtig, dass wir das jetzt auch sehr schnell tun, bevor das große Impfen in den Praxen beginnt. Dann kommen wir gar nicht mehr in dem Maße zu den Hausbesuchen.“ Deshalb startet im Hochsauerlandkreis auch jetzt schon ein Pilotprojekt: Ärzte sollen ihre Karteien durchforsten und die Menschen identifizieren, die zuhause geimpft werden müssen. „Uns soll keiner durchgehen, der selbst nicht mehr in der Lage ist, sich zu melden“, so der Mediziner.

Bei Familie Hennecke aus Lennestadt gibt es die Angehörigen, die sich kümmern. Für sie gibt es nun Hoffnung, dass die 91-jährige Oma in Kürze geimpft wird. Vom Hausarzt oder alternativ auch von den mobilen Impfteams des Impfzentrums. Der Kreis Olpe, zu dem Lennestadt gehört, hat am Montag eine entsprechende Anmeldemöglichkeit auf der Internetseite des Impfzentrums ermöglicht. Es geht also voran – wenn auch holprig.

>> HINTERGRUND: Land will 70-Jährige noch nicht impfen

  • Impfzentrum in Hagen kommt mit der Impfung der Über-80-Jährigen so gut voran, dass jetzt alle aus der Altersgruppe, die nach dem 12. April einen Termin haben, einen neuen und früheren über das Internet-Anmeldeformular der Stadt buchen können. Und die Stadt Gelsenkirchen kann sich vorstellen, schon jetzt Unter-80-Jährige zu impfen. „Wir verzeichnen einen deutlichen Rückgang der Buchungen von über 80-Jährigen“, sagt Ludger Wolterhoff, der Leiter des Gelsenkirchener Krisenstabs. Doch nun müsse das Land regeln, ob schon früher Jüngere dran seien. „Wir würden das sehr begrüßen.“
  • „Die aktuelle Erlasslage sieht noch keine Impfungen der Personengruppe der über 70-Jährigen vor“, stellt aber das NRW-Gesundheitsministerium auf Nachfrage klar. Die sollen erst ab Anfang April ein „Impfangebot“ bekommen. Vor Mitte April wird das wohl nicht umgesetzt.