Lüdenscheid/Hagen. Bizarre Szenen: Zwei Erzieherinnen sollen im Impfzentrum in Lüdenscheid gerade geimpft werden, als der Impfstopp mit Astrazeneca ausgerufen wird.
Melanie Ehlert (36) weiß nicht, wie sie diesen Moment beschreiben soll. „Ich habe mich veräppelt gefühlt“, sagt sie, wenn sie sich gedanklich ins Impfzentrum des Märkischen Kreises in Lüdenscheid zurückbegibt. Für 15.45 Uhr haben die Erzieherin und ihre Arbeitskollegin Alexandra Kukuljac (41) einen Termin. Corona-Impfung, endlich. Um 15.34 Uhr meldet die Deutsche Presse-Agentur: Deutschland stoppt die Impfung mit Astrazeneca. Bis das in den Testzentren des Sauer- und Siegerlandes ankommt, dauert es noch. Bizarre Szenen spielen sich in der Folge ab.
Ein Mann schiebt den Vorhang beiseite: „Astrazeneca wurde gestoppt“
Eine Minute nach ihrer Kollegin wird Ehlert in einen von Trennwänden umgebenen Raum gerufen. Darin: eine klappbare Pritsche, ein kleiner Tisch, zwei Stühle. „Sind Sie Linkshänderin oder Rechtshänderin“, habe die Ärztin gefragt, berichtet Ehlert. Rechts. Dann bitte den linken Arm freimachen. Melanie Ehlert legt die Hautstelle frei. Die Ärztin verschwindet kurz. Ehlert wartet, als ein Mann den Vorhang beiseite schiebt. „Ein Arzt, ein Ordner, ich weiß es nicht“, sagt sie. Er fragt, ob sie schon geimpft sei. Nein. „Astrazeneca wurde gestoppt“, sagt der Mann ruhig. Es ist kurz vor 16 Uhr. „Ich hatte den Ärmel schon hochgekrempelt“, schüttelt Melanie Ehlert immer noch den Kopf.
Die Neuenraderin sucht ihre Kollegin, findet sie nicht. Sie ist im Behandlungszimmer gegenüber – und hat weniger Glück. Oder weniger Pech? „Ich hatte die Nadel gerade im Arm, als der Mann reinkam. Ich kann nicht einschätzen, ob ich jetzt Glück hatte oder Pech hatte. Auf jeden Fall habe ich ein ungutes Gefühl.“
Seltene Fälle von Blutgerinnseln im Zusammenhang mit Astrazeneca-Impfung
Der britisch-schwedische Impfstoff steht im Verdacht, in seltenen Fällen Blutgerinnsel zu verursachen. Das Bundesgesundheitsministerium folgte mit der vorsorglichen Entscheidung einer Empfehlung des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Tausende Bürger wurden aber bis zum Stopp am Montag noch geimpft.
„Ich hatte schon ein schlechtes Gefühl, als ich hingegangen bin“, sagt Melanie Ehlert. „Ich habe Angst vor Corona, aber ich habe auch Angst vor der Impfung.“ Das habe sie den Ärzten im Impfzentrum auch mitgeteilt. Man habe sie aber beruhigt, dass die Nebenwirkungen sehr gering seien. Sie habe nach dem Impfstopp gefragt, ob sie statt Astrazeneca einen anderen Impfstoff verabreicht bekommen könnte. Die Antwort: nein. „Wir mussten dann wieder gehen. Das war ein komisches Gefühl - für uns beide“, sagt Ehlert.
Unsicherheit bei Geimpften: „Ich habe jetzt dieses Zeug im Körper...“
Ihre Mutter - Elke Strömmer (58) aus Nachrodt – ist ebenfalls Erzieherin. Sie arbeitet in Hagen und hatte am Montagmorgen ebenfalls einen Termin in Lüdenscheid. Alles planmäßig gelaufen, dachte sie, bis die Meldungen am Nachmittag kamen. „Ich bin wütend, dass man morgens noch etwas gespritzt bekommt, was am Nachmittag schon nicht mehr geimpft werden darf.“ Sie gehört zur Risikogruppe. Der Verstand habe sie veranlasst, sich impfen zu lassen. „Jetzt habe ich Angst und höre in mich hinein, ob ich Auffälligkeiten feststelle. Was heißt es, wenn ich jetzt starke Kopfschmerzen bekomme? Ist das ein Alarmsignal?“
Und eine zweite Impfung steht ja auch noch an, eigentlich in sechs Wochen. Möglich, dass bis dahin alle Irritationen wieder ausgeräumt sind. Aber wer weiß das jetzt schon? „Ich bin total unsicher. Ich habe jetzt dieses Zeug im Körper...“