Hagen. Die Geschäfte haben nach dem Corona-Lockdown wieder geöffnet, aber werden auch Geschäfte gemacht? Zehn Kaufleute aus der Region sagen es.

Eigentlich kann man (fast) alles wieder: Schuhe kaufen, Dutzende Hosen oder T-Shirts in der Umkleidekabine anprobieren. Oder die neue Brille aussuchen. Denn nach dem Corona-Lockdown, nach den angeordneten wochenlangen Schließungen und der schrittweisen Wieder-Eröffnung, sind inzwischen fast alles Geschäfte wieder geöffnet. Doch gibt es wieder die Einkaufslust? Kommen die Kunden tatsächlich? Zehn Orte, ganz unterschiedliche Geschäfte und ein Stimmungsbild aus der Region.

1. Das Einkaufszentrum in Hagen:

Menschenleere war gestern. Jetzt, am Montagnachmittag, ist die Innenstadt in Hagen wieder voll. Die Sonne scheint und die Menschen stehen ohne Murren vor dem Rewe-Markt in der langen Schlange und warten, bis endlich wieder einer rein darf. Der Rewe gehört zur Rathaus-Galerie, einem großen Einkaufszentrum mit 20.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, 70 Geschäften und rund 500 Beschäftigten. Also alles wieder heile Welt? „Nein, das ist keine Normalität, die wir erleben“, sagt Christoph Höptner, der Center-Manager. „Aber es ist natürlich alles besser als die Situation, als alles noch dicht war. Wir müssen da jetzt durch und das Beste daraus machen.“

Doch dass eben noch lange nicht alles so ist wie früher, dass kann er an Zahlen festmachen: 17.000 Besucher pro Tag hatte die Rathaus-Galerie im Schnitt im Mai vergangenen Jahres. Jetzt sind es 13.700. 20 Prozent Kundschaft also weniger. Aber immerhin: Es hat sich schon gebessert. „Als die großen Geschäfte noch nicht komplett öffnen durften, da waren es sogar 35 Prozent weniger“, sagt Höptner. „Man merkt schon, dass ganze Gruppen fehlen. Etwa die Berufsschüler, die sonst in der Stadt sind und schon ihr eigenes Geld haben. Das sind wichtige Kunden.“

Corona- So geht es Geschäftsleuten in der Region

1. Christoph Höptner (Center-Manager Rathausgalerie): „Eine generelle Angst der Menschen um ihre Gesundheit, aber auch knappere Budgets in Kurzarbeits-Zeiten halten die Menschen sicherlich vom Shoppen ab. Aber auch, weil sie die Maske als unangenehm empfinden.“
1. Christoph Höptner (Center-Manager Rathausgalerie): „Eine generelle Angst der Menschen um ihre Gesundheit, aber auch knappere Budgets in Kurzarbeits-Zeiten halten die Menschen sicherlich vom Shoppen ab. Aber auch, weil sie die Maske als unangenehm empfinden.“ © WP | Michael Kleinrensing
2. Maibritt Engelhardt, Uhren, Schmuck und Augenoptik Terlau Hagen-Hohenlimburg: „In der ersten Woche hatten wir wirklich viel zu tun. Anscheinend ist bei den Leuten angekommen, dass wir die Gewerbesteuer zahlen und nicht Amazon“
2. Maibritt Engelhardt, Uhren, Schmuck und Augenoptik Terlau Hagen-Hohenlimburg: „In der ersten Woche hatten wir wirklich viel zu tun. Anscheinend ist bei den Leuten angekommen, dass wir die Gewerbesteuer zahlen und nicht Amazon“ © Privat | Privat
Ralf Gundlach, Geschäftsführer der Cruse-Filiale in Arnsberg:  „Die Kauffreude wird nicht so stark beflügelt. Die Leute ärgern sich über die Masken und kaufen nur das, was sie brauchen.“
Ralf Gundlach, Geschäftsführer der Cruse-Filiale in Arnsberg:  „Die Kauffreude wird nicht so stark beflügelt. Die Leute ärgern sich über die Masken und kaufen nur das, was sie brauchen.“ © Privat | Privat
Wilhelm Heide, Modegeschäft in Meschede. „Die Kunden sind sehr zurückhaltend. Es ist ja alles runtergefahren: Es gibt keine Kommunion, keine Schützenfeste.“  
Wilhelm Heide, Modegeschäft in Meschede. „Die Kunden sind sehr zurückhaltend. Es ist ja alles runtergefahren: Es gibt keine Kommunion, keine Schützenfeste.“   © Jürgen Kortmann
? Beate Lanz, Linea Woman in Brilon: „Wenn wir wieder schließen müssten, wäre das eine Katastrophe.“
? Beate Lanz, Linea Woman in Brilon: „Wenn wir wieder schließen müssten, wäre das eine Katastrophe.“ © Privat | Privat
 Christian Leisse, Modegeschäft in Brilon, Winterberg und Willingen: „Es gibt keinen Abiball, kein Schützenfest, Hochzeiten werden mit minimaler Besetzung gefahren. Den Leuten werden ja die Anlässe genommen.“
 Christian Leisse, Modegeschäft in Brilon, Winterberg und Willingen: „Es gibt keinen Abiball, kein Schützenfest, Hochzeiten werden mit minimaler Besetzung gefahren. Den Leuten werden ja die Anlässe genommen.“ © Privat | Privat
Anna Schnüttgen, Schuhhaus Koch in Olpe: „Bummeln und Shoppen macht im Moment keinen Spaß.“
Anna Schnüttgen, Schuhhaus Koch in Olpe: „Bummeln und Shoppen macht im Moment keinen Spaß.“ © Privat | Privat
Alexander Piwowarski, Piwo-Optik in Siegen:  „Die Leute sind verunsichert. Spontankäufe gibt es nicht.
Alexander Piwowarski, Piwo-Optik in Siegen:  „Die Leute sind verunsichert. Spontankäufe gibt es nicht." © Privat | Privat
Bettina Reichel, Reichel Mode in Herdecke:  „Die Leute schlendern nicht rum, sondern kommen mit Kaufabsichten, aber das gleicht sich aus.
Bettina Reichel, Reichel Mode in Herdecke:  „Die Leute schlendern nicht rum, sondern kommen mit Kaufabsichten, aber das gleicht sich aus." © Privat | Privat
 Beate Lanz, Linea Woman in Brilon:
 Beate Lanz, Linea Woman in Brilon: "„Jetzt ist es teilweise sehr ruhig. Das sieht man auch in der Stadt: Es sind einfach viel weniger Menschen da.“ © Privat | Privat
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Wie sich die Umsätze der einzelnen Mieter entwickelt haben, kann Höptner nicht sagen. Er ist einstweilen froh, dass fast alle Geschäfte inzwischen wieder geöffnet haben oder in den kommenden Tagen wieder öffnen werden. Und auch, dass die Auflagen von den Kunden gut eingehalten werden. „Es ist die absolute Ausnahme, dass wir einen Kunden mal auf das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes hinweisen müssen“, so der Center-Manager. Aber er sieht schon, dass die Umstände weiter schwierig für den Einzelhandel sind: „Eine generelle Angst der Menschen um ihre Gesundheit, aber auch knappere Budgets in Kurzarbeits-Zeiten halten die Menschen sicherlich vom Shoppen ab. Aber auch, weil sie die Maske als unangenehm empfinden.“

2. Das Fachgeschäft in Hohenlimburg

Maibritt Engelhardt klingt optimistisch, wenn sie an die vier Wochen seit der Wiedereröffnung der Geschäfte denkt. „In der ersten Woche hatten wir wirklich viel zu tun. Anscheinend ist bei den Leuten angekommen, dass wir die Gewerbesteuer zahlen und nicht Amazon“, sagt die Inhaberin des Uhren-, Schmuck- und Augenoptik-Geschäfts Terlau in Hagen-Hohenlimburg. Vielleicht liege es an der Anfangseuphorie der Leute, wieder rausgehen zu können, aber in ihrem Geschäft seien es nur minimal weniger Kunden. Auch die Laufkundschaft, die zum Beispiel die Batterie der Uhr wechseln lassen möchte, gebe es weiterhin. Wie sich das Kaufverhalten längerfristig entwickelt und wie sich das auf den Umsatz auswirkt, kann Engelhardt noch nicht abschätzen. „Es könnte seltener werden, dass die Leute was Nettes im Fenster sehen und spontan mitnehmen. Darauf haben viele mit Maske nicht so viel Lust“, sagt Engelhardt.

3. Die Mode-Kette in Arnsberg

Ähnlich sieht es in der Arnsberger Filiale der Mode-Kette Cruse aus. Das Geschäft liegt etwas außerhalb der Innenstadt und lebt von Stammkunden. Geschäftsführer Ralf Gundlach schätzt, dass er im Vergleich zum Vorjahr 40 Prozent Minus gemacht hat. „Die Kauffreude wird nicht so stark beflügelt. Die Leute ärgern sich über die Masken und kaufen nur das, was sie brauchen“, sagt Gundlach.

4. Das Traditionsgeschäft in Meschede

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Wilhelm Heide leitet das Modehaus Heide in Meschede. In seinem Geschäft sei seit der Öffnung deutlich weniger los. „Die Kunden sind sehr zurückhaltend. Es ist ja alles runtergefahren: Es gibt keine Kommunion, keine Schützenfeste“, sagt Heide. Meschede sei zudem auf Touristen angewiesen, die jetzt fehlen. „Gucken Sie sich mal die Innenstadt an: Da ist ja keiner.“ Er befürchtet, dass die Umsatzverluste von 30 bis 50 Prozent sein Unternehmen länger beschäftigen werden. „Dieses Jahr wird ganz, ganz schwierig. Bis wir uns erholt haben, wird es noch zwei bis drei Jahre dauern.“

5. Die Boutique in Brilon

In den ersten zwei Wochen schien es in Beate Lanz‘ Modegeschäft Linea Woman in Brilon wieder fast normale Tage zu geben: Viele Stammkunden, der Umsatz lag auf einem normalen Niveau. So schildert Lanz die Situation. Danach habe es immer wieder Umsatzeinbrüche gegeben. „Wenn wir wieder schließen müssten, wäre das eine Katastrophe.“ Auch das Verhalten der Kunden habe sich geändert. Manche störe der Mundschutz. Viele seien sehr vorsichtig beim Einkaufen. „Sie warten oft vor dem Geschäft und fragen, ob sie reinkommen dürfen“, sagt Lanz.

6. Das Modegeschäft mit drei Standorten im Sauerland

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Seit fast vier Wochen ist Christian Leisses Modehaus in Brilon, Winterberg und Willingen wieder geöffnet, drei davon während der Maskenpflicht. „Die erste Woche war fast normal mit vielen Solidarkäufen von Stammkunden“, sagt Leisse. Den Umsatzverlust merke er aber deutlich: Der Inhaber geht von 50 bis 80 Prozent aus. „Da sind Löcher aufgerissen, die nicht so schnell gestopft werden können. Die touristischen Punkte sind fast ganz auf null. Da ist nichts los, die Hotels sind leer.“ In Brilon laufe es vergleichsweise gut, aber auch dort kämen weniger Kunden. „Es gibt keinen Abiball, kein Schützenfest, Hochzeiten werden mit minimaler Besetzung gefahren. Den Leuten werden ja die Anlässe genommen“, sagt Leisse. „‚Mal bummeln‘ gibt es so gut wie gar nicht, weil keiner Lust hat, sich eine Maske aufzusetzen.“ Leisse fürchtet, dass es noch lange dauert, bis der Umsatz wieder ein normales Niveau erreicht.

7. Das Schuhgeschäft in Olpe

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Die Kunden, die aktuell ins Schuhhaus Koch in Olpe kommen, suchen entweder gezielt nach einem Produkt oder möchten den Einzelhandel vor Ort unterstützen. Das ist Anna Schnüttgens Eindruck. „Bummeln und Shoppen macht im Moment keinen Spaß“, sagt Schnüttgen, deren Bruder das Schuhhaus leitet. „Die Kunden nehmen die wieder offenen Geschäfte schon an, aber nicht so wie vorher.“ Deshalb arbeitet bei Koch nur die Hälfte der Mitarbeiter. Die Umsatzeinbußen merkt Schnüttgen deutlich: Sie geht von 50 Prozent Verlust gegenüber dem Vorjahr aus.

8. Das Schuh- und Modegeschäft im Wittgensteiner Land

Rainer Otto führt das Schuhgeschäft Otto in Feudingen im Wittgensteiner Land. Gemessen an der Situation wirkt er zufrieden. „Ich will nicht prahlen und sagen: Das läuft super. Natürlich holen wir den Verlust nicht wieder rein, diese Wochen werden wir am Jahresende merken. Aber wenn wir zusammenrücken, bekommen wir das hin“, sagt Otto. An der Kundenfrequenz habe sich nicht viel geändert. „Die Lustkäufer haben wir sowieso nie. Natürlich verkaufen wir weniger Pumps, dafür aber zum Beispiel mehr sportliche Schuhe.“

9. Der Optiker in Siegen

Alexander Piwowarskis Brillen- und Schmuckgeschäft Piwo-Optik in Siegen besuchen in diesen Wochen deutlich weniger Kunden. Die Frequenz habe sich „dramatisch“ verringert. Seine Kunden kämen nur dann, wenn sie etwas dringend brauchen, und dann auch nur mit Termin. „Die Leute sind verunsichert. Spontankäufe gibt es nicht“, sagt Piwowarski.

10. Die Geschäfte in Herdecke

Bettina Reichel hat in ihrem Modegeschäft in Herdecke etwas andere Erfahrungen gemacht. An den ersten Tagen sei der Andrang durch die Stammkunden sehr groß gewesen. Jetzt sei die Frequenz vielleicht etwas geringer als vor der Corona-Krise – wenn überhaupt. „Die Leute schlendern nicht rum, sondern kommen mit Kaufabsichten, aber das gleicht sich aus“, sagt Reichel. „Wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, können wir zufrieden sein.“ Von Kurzarbeit und Umsatzeinbußen war ihr Geschäft aber auch betroffen, und Reichel geht davon aus, dass sie den Verlust nicht kompensieren wird: „Das ist Utopie.“

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Auch in Marion Ambrosius-Schumachers Kindermode-Geschäft minimaxi in Herdecke kamen in der ersten Woche viele Stammkunden. „Kinder wachsen, da war natürlich Bedarf“, sagt die Geschäftsführerin. Viele Großeltern hätten zudem nach Geschenken für ihre Enkel gesucht, die sie jetzt nicht sehen können. Seit dieser Woche würden Kundenfrequenz und Umsatz aber deutlich sinken. „Jetzt ist es teilweise sehr ruhig. Das sieht man auch in der Stadt: Es sind einfach viel weniger Menschen da.“

>> HINTERGRUND: Das sagt der Einzelhandelsverband

Die Geschäfte in der Region sind zwar fast flächendeckend nach der Corona-Zwangspause wieder geöffnet: „Der Handel befindet sich aber nach wie vor im Ausnahmezustand“, so Karina Brümann vom Handelsverband Südwestfalen. Es sei zwar eine Belebung in den Innenstädten in Südwestfalen festzustellen: „Die Kundenfrequenzen insgesamt haben sich aber noch nicht erholt.“

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Insbesondere der Modehandel habe bisher im Vergleich zu der Vor-Corona-Zeit hohe Umsatzverluste – Rückgänge um die 60 Prozent seien vielfach verzeichnet. Die frühlingshafte Witterung gebe einen kleinen Impuls zum Kauf von Frühjahrsmode für die nächsten Tagen. „Wir haben noch keine Erkenntnisse, wie viele Unternehmen durch die Corona Krise aufgeben mussten. Wir gehe davon aus, dass da noch einiges auf uns zukommen wird im Laufe des Jahres.“, so Karina Brümann.

>> STIMMEN: Das sagen Kunden

Ich bin immer gerne einkaufen und shoppen gegangen, aber so, wie es jetzt ist, macht es keinen Spaß mehr: Sehe jetzt immer zu, dass ich schnell wieder aus dem Laden komme. Stefanie Krause, Hagen

Ich hab mich an die Masken gewöhnt. War gestern eine ganze Stunde einfach Bummeln. Und die Abstandsregel finde ich auch ganz gut. Keine Leute mehr, die mir an der Kasse in den Nacken husten oder mit dem Einkaufswagen in die Haxen fahren. Michael Hundt, Siegen

Ich finde die Sicherheitsmaßnahmen gut. Mal abgesehen davon, dass es in vielen Geschäften viel entspannter, weil leerer ist, und mir an der Kasse niemand mehr mit dem Einkaufswagen in die Hacken brettert, hat das alles ja einen guten Grund. Wir gehören aber auch zu denjenigen, die weiterhin nur das Nötigste kaufen – das aber dann regional – und ansonsten Zuhause bleiben. Wenn ich sehe, wie rücksichtslos und unvernünftig sich viele verhalten, steht mir gar nicht der Sinn nach Öffentlichkeit und Shopping. Maike Hauck, Hagen

Kaufe nur zügig Lebensmittel ein. Klamotten würd ich jetzt nicht anprobieren wollen. Ist mir grad zu ekelig. Weiß doch nicht, wer sich da grad in der Umkleide getummelt hat. Corona? Vielleicht hab ich’s ja auch und gebe es dadurch weiter. Nee, Schränke sind voll und zu Hause trage ich Schlabberlook! Alles gut! Rita Trippe, Kreis Olpe

Im Moment macht es mit den Masken keinen Spaß, einkaufen zu gehen. Entspannt durch Geschäfte schlendern, kann ich mir mit Maske nicht vorstellen. Ich betrete im Moment nur für das Nötigste Geschäfte. Bloß schnell wieder raus und Maske ab, um ordentlich Luft zu bekommen. Michaela Mühmel, Bad Berleburg

Einkaufen macht Spaß, gerade weil weniger los ist. Man kann stöbern, ohne angerempelt zu werden, der Mindestabstand an der Kasse gibt Raum, und der Mundschutz stört kein bisschen. Das ist alles reine Gewöhnungssache. Holger Kliemannel, Meschede