Hagen. Corona-Zeit – Krisen-Zeit: Auch im Theater Hagen ticken die Uhren ganz anders als es der Spielplan vorsieht. Jetzt kommt auch noch Kurzarbeit.
Das Theater wirkt – wie so viele Einrichtungen in diesen Tagen – verwaist. Der Pförtner sitzt einsam hinter der Glasscheibe, zwei Damen halten an der geschlossenen Theaterkasse die Stellung. Das Telefon klingelt bei ihnen im Zwei-Minuten-Takt; etliche Leute wollen wissen, wie es mit ihren bereits erworbenen Theaterkarten weitergeht. Die langen Gänge und Flure in der Kulturstätte selbst sind menschenleer. „Heute sind vielleicht noch ein Dutzend Beschäftigte hier“, sagt Francis Hüsers.
„Couch-Theater“ als Not-Spielplan
Der Intendant hält die Stellung vor Ort, führt Krisengespräche in kleiner Runde und arbeitet am Online-Programm des Hauses. „Couch-Theater“ - das Online-Programm in Quarantäne-Zeiten“ ist der Not-Spielplan, der das Publikum während der Corona-Krise bei der Stange halten soll, betitelt. „Der Begriff ist während eines Brain-Stormings der Marketingabteilung entstanden“, sagt Hüsers, der sich selbst aktiv mit einem wöchentlichen Podcast beteiligt. „Mein dritter Podcast ist gerade in Vorbereitung. Darin geht es um die Möglichkeit, den Stillstand der Zeit in einer Oper zu verarbeiten.“
Jeweils in der Nacht von Sonntag auf Montag geht eine neue Hüsers-Podcast-Folge online; sie bleibt dauerhaft zugänglich und ist auf Spotify und der Webseite des Theaters (www.theaterhagen.de) zu hören. Alle Sparten des Theaters, zum Beispiel Ballett, Junge Bühne Lutz und Philharmonisches Orchester - machen beim Couch-Projekt mit.
Stadttheater setzt auf Kurzarbeit
Das Theater Hagen beantragt bei der Agentur für Arbeit Kurzarbeit. An die 230 Beschäftige sind davon betroffen. Am heutigen Dienstag, 31. März, wird Dr. Thomas Brauers, Geschäftsführer des Theaters, die Kurzarbeit fristgerecht anzeigen, „auch noch für den Monat März“, unterstreicht Brauers.
In den kommenden Tagen werde man sich mit anderen Theatern darüber abstimmen, wie diese Häuser die Kurzarbeit durchführen. Außerdem wird mit der Stadt Hagen besprochen, wie bei anderen städtischen Töchtern die Kurzarbeit umgesetzt wird. „Und zur Anzeige von Kurzarbeit gehört auch noch eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat, die reichen wir allerdings zeitnah nach“, versichert der Geschäftsführer.
Das Theater Hagen hat etwa 245 Beschäftigte, „für einige Mitarbeiter kommt Kurzarbeit nicht in Frage“, sagt Thomas Brauers. So käme das Kassenpersonal, die Buchhaltung, die Marketingabteilung sowie die Intendanz mit der derzeit anfallenden Arbeit kaum nach.
„In den ersten Tagen nach der Schließung unseres Hauses war hier noch mehr Leben“, blickt der Intendant zurück, „die Mitarbeiter haben alles, was sinnvoll war, noch erledigt.“ So seien die letzten Arbeiten für die Rock-Punk-Party „Wenn die Nacht am tiefsten (...ist der Tag am nächsten)“, die eigentlich am Samstag, 14. März Premiere feiern sollte, von den Mitarbeitern des Malersaals, der Schlosserei und Schneiderei vollendet worden. „Und für die Strauss-Oper ,Salome’ wurden Kulissen und Kostüme fertig gestellt und das Bühnenbild fotografiert“, ergänzt Hüsers. Die Premiere von „Salome“ war ursprünglich für Anfang April vorgesehen, „der Termin ist nun auf den 12. September verschoben.“
Die Opern-Produktion, die eigentlich für September vorgesehen war sowie eine weitere in der Spielzeit 2020/21 geplante Oper entfallen. „Die vermutlich wochenlange Schließung unseres Hauses zwingt uns, Produktionen wegfallen zu lassen. Alles verschiebt sich nach hinten. Und natürlich spielen wir erst jene Stücke, in die wir bereits Zeit und Geld investiert haben.“
Gutschein für Theaterkarte
Apropos Geld: Abonnenten beziehungsweise Bürger, die eine Theaterkarte gekauft haben, erhalten einen Gutschein für eine spätere Vorstellung oder bekommen den Betrag für den ausgefallenen Termin rückerstattet. Mitte/Ende April soll die Theaterkasse unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen wieder geöffnet werden.
„Einige der Abonnenten haben uns aber mitgeteilt, dass sie auf eine Rückerstattung verzichten und das Geld über das Theater lieber freischaffenden Künstlern zukommen lassen würden“, erklärt der Intendant.
Zum Hintergrund: „Gage gegen Leistung“ heißt das Entlohnungsprinzip bei freischaffenden Künstlern. Das Dilemma: Auch wenn die Möglichkeit zum Auftritt gar nicht gegeben ist, erhalten sie kein Geld. „Wir überlegen, einen Hilfsfonds für freischaffende Künstler, die während der Corona-Krise im Hagener Haus aufgetreten wären, einzurichten“, sagt Francis Hüsers. Derzeit würden eingehende Spenden von der Buchhaltung erfasst, „wir parken die Spenden praktisch zwischen; es geht nichts verloren“, versichert der Intendant.